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Puigdemont in Haft
Wie unabhängig ist die spanische Justiz?

Fünf Monate nach seiner Flucht ins Ausland hat ein Ermittlungsrichter in Spanien Anklage gegen Carles Puigdemont erhoben. Deutsche Polizisten haben den europäischen Haftbefehl gegen den katalanischen Separatistenführer vollstreckt. Doch in Spanien formiert sich Widerstand gegen eine Auslieferung.

Von Hans-Günter Kellner |
    Carles Puigdemont bei einer Veranstaltung in Helsinki vor einem Hörsaal mit leeren Bänken.
    Von den dem ehemaligen katalanischen Regierungschef Carles Puigdemont vorgeworfenen Straftaten Rebellion, Aufruhr und Veruntreuung findet sich im deutschen Strafrecht nur die Veruntreuung. (picture alliance / dpa / Lehtikuva / Markku Ulander )
    Vielerorts in Katalonien gab es Proteste gegen die Festnahme von Carles Puigdemont. In Barcelona brannten Müllcontainer, in der Nähe von Girona wurde der für das Verfahren zuständige Untersuchungsrichter auf einer Straßenschmiererei vor seinem Sommerhaus als Faschist beschimpft.
    Es gibt aber auch sachliche Kritik. José Antonio Martín Pallín war Staatsanwalt und Richter an dem Gericht, das nun 25 Politiker der Unabhängigkeitsbewegung anklagt und auch die Auslieferung Puigdemonts beantragt:
    "Man kann nicht einfach alle Unabhängigkeitsanhänger ins Gefängnis stecken. Das Verfassungsgericht hatte das Problem doch längst gelöst. Es hatte alle Entscheidungen der Separatisten annulliert. Natürlich darf jeder weiterhin sagen, ob er nun Monarchist ist, für die spanische Einheit eintritt oder für die katalanische Unabhängigkeit. Eine Demokratie darf keine politischen Vorstellungen kriminalisieren."
    Kritik an spanischen Richtern

    Der heute 78-Jährige kritisiert auch, dass Politiker wie Puigdemont oder seine potentiellen Nachfolger nicht zur Wahl vor dem katalanischen Parlament erscheinen dürfen. Der Untersuchungsrichter fürchtet, sie könnten von dort weiterhin zur Rebellion und Tumulten aufrufen. Martín Pallín hingegen meint:
    "Einige Richter glauben, sie würden das Land vor einer Abspaltung retten. Das ist ein Fehler. Ein Untersuchungsrichter darf nicht im Rahmen seiner Ermittlungen einem gewählten Volksvertreter verbieten, sein Mandat wahrzunehmen. Es geht da nicht um Katalonien, sondern um demokratische Prinzipien."
    Für solche Erklärungen wird er in den spanischen Medien schon als Verfechter der Sache der Separatisten gefeiert oder auch angefeindet. Doch das sei ein Missverständnis: "Darauf will ich bestehen: Eine einseitige Unabhängigkeitserklärung ist völlig unmöglich. Irgendwann wird es Gespräche geben können, über eine Abstimmung wie in Kanada über Quebec oder im Falle Schottland. Aber eine einseitige Unabhängigkeitserklärung verletzt auch internationales Recht."
    Auch der Europarat empfiehlt Spanien, durch Änderungen des Ernennungsverfahrens der Richter die Unabhängigkeit der Obersten und des Nationalen Gerichtshofs sicherzustellen.
    Raimundo Prado, Sprecher des Juristenverbands Francisco de Vitoria, schließt sich der Forderung an. Doch er verteidigt seine Richterkollegen auch: "Ein spanisches Gericht ist genauso legitimiert wie ein deutsches oder französisches. Es ist Teil einer verfassungsgemäßen, demokratischen Rechtsordnung und zudem auch dem internationalem und europäischen Recht verpflichtet. Hier steht jetzt der Ermittlungsrichter stark in der Kritik. Aber auch eine Kontrollinstanz hat zum Beispiel die Untersuchungshaft für zahlreiche Beschuldigte bestätigt. Das waren drei andere Richter."
    Verhindert deutsches Strafrecht die Auslieferung?

    Doch im Auslieferungsverfahren gegen Puigdemont geht es nicht nur um die Rechtsstaatlichkeit des Vorgehens. Von den dem ehemaligen katalanischen Regierungschef vorgeworfenen Straftaten Rebellion, Aufruhr und Veruntreuung findet sich im deutschen Strafrecht nur die Veruntreuung. Manche Medien sehen zwar Parallelen zum Hochverrat. Ob ein deutsches Gericht dieser Argumentation folgt, ist aber fraglich. Daraus entsteht ein Problem, erklärt Prado:
    "Man darf nur wegen der Vorwürfe angeklagt werden, derentwegen er man auch ausgeliefert worden ist. Stellen wir uns jetzt vor, Deutschland liefert Puigdemont unter der Auflage aus, dass er nur der Veruntreuung beschuldigt werden darf. Gleichzeitig wird zahlreichen anderen Angeklagten aber auch Rebellion und Aufruhr vorgeworfen. Das heißt: Dasselbe Verhalten würde mit zweierlei Maß bewertet."
    Entspannung ist in dieser Situation von der Politik keine zu erwarten: Der katalanische Parlamentspräsident Roger Torrent erklärte an die inhaftierten Separatistenführer, er werde nicht eher ruhen, bis er sie in Freiheit sehe.