Rolf Seubert war Hochschullehrer in Frankfurt am Main. Nun ist er pensioniert und mit seiner Frau auf den Frankfurter Goetheplatz gekommen – wie rund 500 andere Menschen auch. Es ist die Furcht vor einem neuen Nationalismus und Donald Trump, die den überzeugten Europäer auf die Straße treibt:
"Ich bin hier in Frankfurt geboren 1941 – hier um die Ecke und mühsam davongekommen, als unser Haus hier in die Luft geflogen ist. Und ich bin mit Schulspeisung der Amerikaner großgepäppelt worden. Also wir haben Amerika eigentlich viel zu verdanken und jetzt bin ich eigentlich tief erschüttert über diesen Wandel. Über diesen unglaublichen Menschen, der ein antizivilisatorisches Subjekt ist ohnegleichen. Ich bin das erste Mal im Leben nicht mehr so optimistisch, wie ich mein ganzes Leben lang war."
Das Entsetzen über Donald Trump ist in der Frankfurter Innenstadt genauso groß wie das Befremden darüber, das sich am Wochenende in Koblenz die europäischen Rechtspopulisten versammelt haben. Über das Mikrophon, das auf der Plattform eines Lautsprecherwagens steht, meldet sich Daniel Röder zu Wort. Der Frankfurter Rechtsanwalt ist einer der Initiatoren der Bürgerinitiative "Pulse für Europa":
"Die Gefahr von den Leuten, die da ganz Rechts stehen, die ist echt groß und wenn die sich dann auch noch als vereinte Rechte in Koblenz treffen und einen europäischen Tra-ra machen, dann ist das irgendwie schon aberwitzig, denn das ist eine derart miese Zweckgemeinschaft, dass wir – und mit uns meine ich alle Demokraten, alle aufrichtigen und echten Patrioten im eigentlichen Sinne, europäische Patrioten. Menschen, die für ein gemeinschaftliches Europa sind. Wir müssen denen einfach etwas entgegensetzen."
Jugendliche sollen stärker engagieren
Es sind auch Jugendliche auf den Goetheplatz gekommen, oft zusammen mit ihren Eltern. Peter ist fünfzehn Jahre alt und lauscht sehr aufmerksam den Reden. Er setzt schon einige Hoffnung auf seine Altersgruppe, wenn es um die Rettung eines gemeinsamen Europas geht:
"Ja, auf jeden Fall. Denn ich glaube, dass die Jugend noch nicht so – in Anführungszeichen – versaut ist. Denn ich habe das Gefühl, dass sich viele alte Leute zum Beispiel in Großbritannien dafür entschieden haben, den Brexit durchzubringen und die jungen Leute dagegen gestimmt haben. Und ich habe das Gefühl, dass die jungen Leute sich mehr politisch einsetzen sollten. Weil, ich meine: wir müssen ja die ganze Scheiße auf unseren Schultern tragen und alles selber machen, was hier die Generationen vor uns verbockt haben."
Anneke Mees hat einen niederländischen Pass, lebt aber schon lange in Frankfurt am Main. Dennoch blickt sie sorgenvoll auf die Parlamentswahl, die im März in ihrem Herkunftsland stattfinden wird. Denn der Rechtspopulist Geert Wilders liegt in aktuellen Umfragen vorne. Sie glaubt, dass in den Niederlanden wie anderswo auch die starken sozialen Spaltungen in der Gesellschaft den Rechtspopulismus stark gemacht haben:
"Ich glaube, die Entwicklungen sind in vielen Ländern ähnlich, dass da eine größere Schere ist zwischen reich und arm. Über die letzten Jahre und Jahrzehnte. Das kann man nicht mehr festmachen an acht Jahren Obama oder Merkel. Sondern dass ist eine Entwicklung, die schon länger währt. Und ich bin davon überzeugt, dass wir einen Teil der Bevölkerung außer Acht gelassen haben. Und das muss sich ändern."
"Pulse of Europe" ruft zu Kundgebungen auf
Ändern muss sich auch die Europäische Union. Das betont unter der blauen Europafahne mit den gelben Sternen am Lautsprecherwagen Daniel Röder, der Mitinitiator von "Pulse of Europe", die von nun an jeden Sonntag um 14.00 Uhr zur Kundgebung auf den Frankfurter Goetheplatz einlädt und auf Nachahmer in vielen Städten Europas hofft:
"Wir haben bewusst die Europafahne genommen, weil sie eben für Europa steht. Wir sind uns auch bewusst, dass das ein zwiespältiges Symbol ist, das ist uns klar. Wir sind auch keine Cheerleader für Europa. So sehen wir uns nicht. Ganz im Gegenteil, wir mahnen Reformen an und werden auch ganz konkret an die Politik herantreten und fordern, dass die Parteien nicht erst zum Wahlkampf, sondern jetzt bitte alle konkrete Reformprogramme vorlegen, weil die Menschen so unzufrieden sind und die Institution EU nicht mehr akzeptiert wird in dieser Form."
Reform der EU: Ja – Rückfall in alte Nationalismen: Nein. Das ist die Botschaft, die vom Goetheplatz in Frankfurt am Main ausgehen soll. Rolf Seubert hofft nun vor allem, dass die Niederländer und Franzosen bei den anstehenden Parlamentswahlen das Projekt Europa nicht beerdigen:
"Wenn Frankreich fällt, ist alles umgefallen. Aber auch da werden die Franzosen im letzten Augenblick die Kurve kriegen und keinen Präsidenten dulden, der aus dieser rechten und faschistischen Ecke kommt."
"Ich bitte Euch alle, wiederzukommen, aber nicht nur das. Ihr müsst auch bitte, bitte, während der Woche alle eure Netzwerke, alle Eure Bekannte und Freunde, in anderen Städten, anderen Ländern aktivieren und für dieses gemeinsame Projekt anzünden. Es hilft nichts. Wir müssen einfach aktiv werden und zwar durchgängig."