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Pulsierendes Leben am Öresund

Am nördlichen Ende des Öresunds, zwischen Helsingborg auf der schwedischen und Helsingør auf der dänischen Seite, befindet sich die schmalste Stelle des Sundes. Die nicht einmal 2,5 Kilometer Luftlinie legen die Fähren in 20 Minuten zurück. Hin- und hertransportiert wird, was günstig ist: Wurst und Fleisch aus Schweden etwa, Schnaps und Bier aus Dänemark.

Von Agnes Bührig |
    Fährterminal Helsinborg, Schweden. Aus einem hellen Gebäude mit großen Glaswänden drängt eine Traube von Menschen auf die Fähre Richtung Dänemark. Einige kommen aus dem Urlaub, schieben Kinderwagen, ziehen Rollkoffer und schleppen schwere Taschen. Andere sind mit zusammengeklappten Transportwägelchen unterwegs, auf denen später Einkäufe landen.

    Auf der Brücke der Aurora bereitet unterdessen Kapitän Lars Carlsson das Ablegemanöver vor. Auf einem Bildschirm verfolgt der 45-Jährige die Position des Schiffes, das sich langsam von den Kaianlagen entfernt. Die dänische Küste kommt in Sicht. Im Norden taucht die stattliche Festung Kronborg auf, wo Hamlet einst nach Schweden blickte. Richtung Süden im Sund liegt die Insel Ven, wo der Astronom Tycho Brahe im 16. Jahrhundert den Sternenhimmel analysierte. Nur erahnen lässt sich die Öresundbrücke, in 60 Kilometern Luftlinie, irgendwo am Horizont, erklärt Kapitän Carlsson und zeigt Richtung Süden:

    „Ich mag die Öresundbrücke. Sie hat uns Zukunftsglauben gegeben hier in Südschweden. Auch, wenn es eine Konkurrenz zur Fähre ist, so hat sich das Verkehrsaufkommen sogar noch verstärkt, auch für uns. Auch wenn wir einen gewissen Teil unserer Passagiere verloren haben, so haben wir ein anderes Publikum dazubekommen. "

    Wirklichkeit ist die Öresundregion noch nicht geworden, aber sie ist auf dem Weg dort hin, meint Kapitän Carlsson. Vielleicht ist es in zehn Jahren so weit, wenn es ein gemeinsames Steuersystem gibt. Nahe ist er den Dänen schon heute, nicht nur, weil er täglich mit ihnen zusammen arbeitet. Im Mittelalter gehörte Südschweden mehrere hundert Jahre lang zu Dänemark. Schonen und Dänen seien sich daher näher als Dänen und Schweden im Allgemeinen:

    „Die dänische Gemütlichkeit, die gibt es wohl auch in Schonen. Das nennen die Dänen „hygge“. Da geht es um Entspannung und darum, ganz privat zu sein. Zum Beispiel bei einem guten Essen und einem Glas Rotwein. Dann ist das Thema Arbeit ganz tabu. In Schweden reden wir viel zu viel über unseren Job. Ich versuche auch, das zu vermeiden. "

    Auf der Hälfte der Strecke werden die Passagiere daran erinnert, dass an Bord Alkohol und Tabak steuerfrei zu haben sind. Der kleine Supermarkt ist darauf vorbereitet: Vor dem Fenster türmen sich Paletten mit Bier bis unter die Decke, in den Regalen drängeln sich Vodka, Wein und Whisky.
    Die Liter-Flasche Martini ist hier schon für 60 schwedische Kronen zu haben, umgerechnet etwa 6,60 Euro. Im staatlichen Alkoholladen Systembolaget in Schweden würde sie doppelt so viel kosten.

    An der Kasse steht Eva Samuelsson-Maddams. Bevor die resolute Schwedin abrechnen kann, fragt sie die Kunden nach ihrer Währung. Mit einem Knopfdruck zeigt ihr die Kasse den Endpreis in dänischen oder schwedischen Kronen an. Dass sich erst die Dänen und vor zwei Jahren auch die Schweden gegen den Euro entschieden haben, ist auch ein Rückschlag für die Öresundregion, meint Samuelsson-Maddams:

    „Es geht sachte voran, aber es geht. Ich würde mir eine schnellere Entwicklung wünschen. Dass Europa zusammenwächst und wir uns einander angleichen. Bei der Euro-Abstimmung waren die Schweden schlecht informiert, was Europa bedeutet. Dass es darum geht, sich näher zu kommen, dass es billiger und einfacher wird, zu Reisen. Auch bequemer. "

    In der Region Südschweden würde sich eine gemeinsame Währung mit Dänemark auszahlen. Die Frage, welche Krone mehr Wert ist, wäre vom Tisch und das Gerangel, wer der kleine und wer der große unter den beiden skandinavischen Brüdern ist, ebenfalls. Derzeit ist die dänische Krone stärker, die Alkoholsteuern westlich des Öresunds deutlich niedriger.

    Lars Svensson, der gerade von einem Ausflug auf die dänische Seite zurückkommt, hat vier Flaschen Rotwein in der Tüte. Wenn man schon mal drüben ist, kann man auch gleich was mitbringen, meint der Südschwede etwas verlegen.

    „Das wird hier eine gemeinsame Region werden, in der Zukunft. Ich schätze, dass schon heute genauso viele Dänen wie Schweden rüberfahren. Wir haben große Einkaufszentren auf der schwedischen Seite, die von den Dänen besucht werden.“

    Billigere Alkoholpreise auf der dänischen Seite, günstiges Fleisch auf der schwedischen: Die Fähre zwischen Helsingborg und Helsingør wird es wohl noch in zehn Jahren geben, meint der graumelierte Schwede – Öresundbrücke hin oder her.