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Pulverfass Somalia

In Somalia wurden bei Gefechten zwischen Kämpfern der radikal-islamischen Al-Shabaab-Miliz und Regierungstruppen in dieser Woche mehr als 60 Menschen getötet. Die Übergangsregierung von Scheich Ahmed gilt als weitgehend machtlos - das Land versinkt zunehmend im Chaos.

Von Antje Diekhans |
    Es gibt zurzeit nur noch kurze Augenblicke in Mogadischu, in denen es friedlich ist. Dann kommen die Menschen aus ihren Verstecken und begutachten, was von ihren Häusern übrig geblieben ist und wo wieder Granaten eingeschlagen haben.

    "Meine ganze Familie ist schon geflohen", sagt Ibrahim Omar, der in einem besonders betroffenen Stadtviertel wohnt. "Aber ich bin hier geblieben, um auf unser Haus aufzupassen. Seit die schweren Kämpfe begonnen haben, ist es fürchterlich. Man kann nichts mehr kaufen. Es gibt hier kein normales Leben mehr."

    Zu Beginn der Woche hatte die radikal-islamische Al-Shabaab-Miliz angekündigt, nun endgültig gegen die Übergangsregierung in Somalia vorzugehen. Sie drohte, mit einem "massiven Krieg" – und zögerte nicht, den Worten bald Taten folgen zu lassen. Mehrere als Regierungssoldaten getarnte Angreifer drangen am Dienstag in ein Hotel in Mogadischu ein, in dem sich häufig Politiker treffen. Einer der Täter zündete einen Sprengsatz, den er am Körper trug. Mehr als 30 Menschen wurden getötet, darunter sechs Parlamentsabgeordnete. Der somalische Präsident Sheikh Sharif Ahmed sah sich genötigt, eine Erklärung abzugeben:

    "Was die Sicherheit unserer Regierungsmitglieder angeht, sind wir zu dem Schluss gekommen, dass der Feind eine neue Taktik eingeschlagen hat. Darum verfolgen wir jetzt selbst eine neue Strategie. Wir haben einen Sicherheitsplan entwickelt, der schon bald umgesetzt werden soll."

    Die vage Ankündigung kann kaum noch verschleiern, was längst Tatsache ist: Der Präsident steht mit dem Rücken zur Wand. Seine Regierung hält sich nur noch dank der Unterstützung von rund 6000 Friedenssoldaten, die von der Afrikanischen Union nach Somalia geschickt wurden. Islamistische Gruppierungen haben nicht nur in der Hauptstadt die Macht übernommen. Fast das ganze Land wird von den Milizen kontrolliert, die in den vergangenen Monaten immer stärker wurden.

    "Al Shabaab wird von El Kaida finanziell unterstützt", sagt der somalische Informationsminister Abdirahman Omar Osman. "Sie führen fortlaufend Krieg gegen uns. Und solche Vorfälle wie der jetzt geben ihnen noch mehr Auftrieb. Mehr Dschihadisten werden aus dem Ausland nach Somalia kommen."

    Immer wieder wird berichtet, das Land sei zu einem Sammelplatz für internationale Terroristen geworden. In den Reihen der Al Shabaab sollen Kräfte aus Afghanistan, Pakistan und Tschetschenien kämpfen. Besonders die USA sehen in Somalia ähnlich wie im Jemen eine Brutstätte des Terrors. Angeblich verlagern die amerikanischen Streitkräfte und der Geheimdienst CIA Einheiten in die Nachbarländer Kenia und Äthiopien, um besser für verdeckte Aktionen am Horn von Afrika gerüstet zu sein.

    Die Al Shabaab, gegen die sich all das richtet, ist eine schwer zu fassende Größe. Die Anführer wechseln. Mal scheint Al Shabaab mit der anderen großen islamistischen Gruppierung in Somalia, der Hizbul Islam, gemeinsame Sache zu machen, dann bekämpfen sich die Milizen wieder gegenseitig. Der somalische Abgeordnete und frühere Minister Mowlid Mohamud meint, eigentlich könnten diese zersplitterten Gruppen besiegt werden.

    "Der Grund dafür, dass Al Shabaab fast ganz Mogadischu kontrolliert, ist die fehlende Hilfe der internationalen Gemeinschaft für die Regierung. Sie bekommt nicht genug Unterstützung, um sich selbst und die Menschen in Somalia verteidigen zu können."

    Die Vereinten Nationen sind in hier bisher nicht direkt militärisch aktiv. Ihre Taktik ist vor allem, weiterhin die Übergangsregierung zu stützen. Ein Vorgehen, das Fachleute wie Ulrich Delius von der "Gesellschaft für bedrohte Völker" für fraglich halten.

    "Wer ist diese Übergangsregierung, wie legitimiert ist sie überhaupt noch. Diese Frage hört man sehr ungern in vielen internationalen Regierungen. Bislang verharrt man sozusagen auf dem Kurs, wir haben nur einen Gesprächspartner, und das ist diese Übergangsregierung Somalias. Von der aber die Experten vor Ort sagen, sie kontrolliert im Prinzip nur noch wenige Häuserblocks."

    Die jüngste Offensive der Al Shabaab könnte die Regierung nun endgültig zu Fall bringen. Vielen Menschen in Somalia ist das schon längst gleichgültig – sie wünschen sich nur, dass Frieden einkehrt, der länger als ein paar Minuten hält.

    "Wir leiden unter diesen ständigen Kämpfen", sagt diese Frau, die aus Mogadischu geflohen ist. "Seit Jahren geht das schon so. Wir warten und warten, dass es besser wird."