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Pumpernickel
Mehr als nur Schwarzbrot

Hassen oder lieben, dazwischen gibt es nichts: Bei "Schwarzbrot" vergeht manchem der Appetit. In Westfalen jedoch genießt man sein Pumpernickel gerne zum "westfälischen Abendmahl".

Von Simon Schomäcker |
    Braune Schilder mit weißen Silhouetten weisen an der Autobahn 44 auf den historischen Stadtkern von Soest hin. Doch dorthin fahre ich heute nicht direkt. Der Weg führt mich ins Industriegebiet der 47.000 Einwohner zählenden Stadt in Westfalen. Denn dort hat die Bäckerei Haverland ihren Sitz.
    Vor fast 500 Jahren als Familienbetrieb gegründet, stellte das heutige Großunternehmen als erste Bäckerei Deutschlands westfälischen Pumpernickel her. Bis heute setzt sich diese Tradition fort. Für den Namen des weltweit bekannten Schwarzbrotes gibt es viele Erklärungen, aber keine davon ist eindeutig belegt. Sicher ist jedoch, dass Pumpernickel in der Zeit des 30-jährigen Krieges entstand. Und zwar im Backhaus einer westfälischen Bauernfamilie, erklärt Verkaufsleiter Friedrich Dahlhoff:
    "Da hat man bei einem Angriff in der Aufregung vergessen, dass noch Brot im Ofen war. Allerdings wurde auch nicht nachgeheizt. Und somit wurde das Brot am nächsten Morgen erschreckenderweise gefunden. Natürlich im erkalteten Ofen. Und dann hat man in der Not, weil es ja wenig zu essen gab, dieses Brot probiert. Und so ist durch Zufall dieses Rezept entstanden."
    Westfälischer Pumpernickel ist bis heute wegen seines süßlich-herben Geschmacks und seiner langen Haltbarkeit beliebt. Die Rezeptur des Brotes hat sich allerdings über die Jahrzehnte ein wenig geändert, betont Bäckermeister Philipp Tusch:
    "Früher hieß es: Urtraditionsrezept war wirklich nur Roggenschrot und Wasser. Aber ohne Salz, wie es vor 100 Jahren war, das können wir heute nicht mehr. Mit Salz müssen wir den Teig regulieren. Der geht hoch, fällt ab, fällt ineinander. Dann kommt noch Zuckerrübensirup und Malz hinzu …"
    ... und schließlich wird der Teig in längliche, quader- oder zylinderförmige Metallformen gefüllt. Darin müssen die Rohlinge bei 100 Grad 24 Stunden lang backen, bevor die fertigen Brote in dünne Scheiben geschnitten und mit Alufolie zu handlichen Päckchen verpackt werden können. Der Bäcker nennt den langen Backvorgang bei niedriger Temperatur "Kochen".
    Dieses Verfahren ist wichtig für die Konsistenz und die Geschmackseigenschaften von Pumpernickel, weiß Philipp Tusch:
    "Der Zucker, der in jedem Mehl drin ist, der wird abgebaut und karamellisiert. Dadurch entsteht diese tiefe Farbe und auch der süßliche Geschmack."
    Ich frage mich, warum Pumpernickel gerade im westfälischen Raum so stark verbreitet ist. Eine Erklärung hierfür suche ich im Soester Stadtarchiv. Durch das schwere Portal betrete ich das weiß getünchte Gebäude mit großen Sprossenfenstern. In einem kleinen Büro mit Eichenschreibtisch treffe ich Dirk Elbert. Er holt gleich einige Bücher über die Geschichte des Pumpernickel hervor und erzählt:
    "Pumpernickel wird ja aus Roggen hergestellt. Und auf den sandigen Böden des Münsterlandes, das geht weit rauf bis nach Papenburg in Niedersachsen, wächst der Roggen besonders gut. "
    Im ländlich geprägten Westfalen diente Pumpernickel bis ins 20. Jahrhundert vor allem Bauernfamilien als Grundnahrungsmittel. Aber …
    "… parallel dazu, Anfang des 19. Jahrhunderts hielt der Pumpernickel Einzug in die Kochbücher. Es gibt in den verschiedensten Restaurants Angebote wie Pumpernickel im Rahmen von Pumpernickel-Parfait, Eis oder Ähnlichem … "
    … insbesondere in den Restaurants in der Soester Altstadt. Nach meinem Besuch in Bäckerei und Stadtarchiv genieße ich das rustikale Ambiente von Jens Wieners‘ Restaurant. Es befindet sich in einem historischen Fachwerkhaus. Hier hält der Restaurantchef so manche Pumpernickel-Spezialität bereit:
    "Zum einen bieten wir das westfälische Abendmahl an. Das ist aus einem Fensterbild in der Soester Wiesenkirche abgekupfert, wo halt neben Pumpernickel mit Schinken Korn und ein westfälisches Bier gereicht wird. Außerdem machen wir Gerichte mit Ziegenkäse und Pumpernickel. Und wir haben noch ein Dessert, die sogenannte westfälische Quarkspeise. Es wirkt eher herb, denn es ist eine leichte Bitternote im Pumpernickel drin. Und wenn man dann einen süßen Quark mit einem leichten Vanillearoma dazu reicht und ein paar rote Beeren, ergänzt sich das sehr gut."
    Jens Wieners, der das Restaurant in dritter Generation führt, ist stolz darauf, dass seine Pumpernickel-Gerichte viel Zuspruch finden:
    "Gerade bei den Leuten, die von außerhalb kommen, Tagestouristen aus den Benelux-Ländern, die wir in Soest sehr viel haben, zum Beispiel. Da werden halt regionale Produkte nachgefragt."
    Sicherlich ist es auch ein Stück den Touristen zu verdanken, dass Pumpernickel schon lange in aller Welt bekannt ist. Laut Friedrich Dahlhoff von der Großbäckerei gilt er längst als Soester Exportschlager:
    "Wir haben Exporte in alle Länder der Welt, einschließlich China, Amerika, natürlich auch in Europa, als typisch deutsches oder sogar westfälisches Produkt. In der Popularität wird es nicht an Sauerkraut heranreichen. Aber im Bekanntheitsgrad von der deutschen Kultur her schon. Und dann kommt ja noch aus den 70er Jahren der nicht unbekannte Chris Howland, der sich auch Heinrich Pumpernickel nennt. Und das hat auch ein bisschen geholfen, diesen Namen zu verfestigen."