In dem kleinen Waffengeschäft in Ferozepur, im indischen Bundesstaat Punjab, herrscht Hochbetrieb. Während einer der Kunden die Gewehre bestaunt, die an der Wand hängen, führt Amarbir Singh Dhillon, der Eigentümer des Ladens, einem anderen Interessenten ein paar Pistolen und Revolver vor.
"Das hier ist eine Pistole, mit einem Sieben-Schuss-Magazin. So wird sie geladen.
Ohne eine Lizenz geht hier gar nichts. Zuerst muss ich die Lizenz sehen, sonst zeige den Kunden nicht mal eine Waffe. Ich muss doch wissen, ob es um eine Pistole geht oder ein Gewehr."
Antragsteller müssen zehn Bäume pflanzen
Für die Lizenz zum Schießen, wurden die Anforderungen vor Kurzem verschärft. Zumindest im Bezirk Ferozepur. Chander Gaind, der zuständige Deputy Commissioner der Bezirksverwaltung, hat angeordnet, dass Anträge für einen Waffenschein nur noch dann angenommen werden, wenn der Antragsteller zuvor zehn Bäume pflanzt.
"Alle anderen Anforderungen für die Ausstellung einer Waffenlizenz bleiben unverändert. Ich habe nur eine weitere Bedingung gestellt. Damit der Antrag überhaupt bearbeitet wird, muss der Antragsteller ein Selfie machen, wie er zehn Bäume pflanzt. Und nach einem Monat nochmal. Dadurch wollen wir sehen, dass die Bäume auch gegossen und gepflegt werden und wachsen. Und erst dann prüfen wir den Antrag für einen Waffenschein."
100 von 300 Anträgen genehmigt
Seit der Einführung der neuen Regelung seien mehr als 300 Anträge auf einen Waffenschein gestellt worden, sagt Chander Gaind. Rein rechnerisch also 3.000 neue Bäume. Doch längst nicht jeder Antrag werde auch bewilligt:
"Wer einen Waffenschein haben will, muss zunächst einen Drogentest machen. Drogenabhängige bekommen auf keinen Fall einen Waffenschein, in diesem Punkt sind wir sehr streng. Und der Polizeibericht wird verlangt. Wer gegen Gesetze verstoßen hat, bekommt auch keinen. Nur gesetzestreue Bürger, die ein anständiges und friedliches Leben führen. Von 300 gestellten Anträgen wurde gerade mal 100 genehmigt."
Die Liebe für Bäume wecken
Gurjeet Singh, ein Bauer aus der Nachbarschaft bewässert seine Pflanzlinge. Sein Antrag auf einen Waffenschein ist bewilligt worden. Er hat die erforderlichen 10 Bäume gepflanzt und auch alle anderen Anforderungen erfüllt. Jetzt spart er auf ein Gewehr, das einen stolzen Preis von 100.000 Rupien hat, umgerechnet mehr als 1.200 Euro. Für Gurjeet Singh etwa zwei Monatsgehälter:
"Ich habe zehn Bäume gepflanzt, weil das gut ist für die Umwelt. Sie verbessern die Luft und geben Schatten. Na ja und natürlich auch für den Waffenschein. Ich finde das ist eine gute Idee. Die sollten viel mehr Bäume dafür verlangen. 15 mindestens."
Die Punjabis seien geradezu verrückt nach Waffen, sagt Bezirkschef Chander Gain. Das könne man doch nutzen, um etwas für die Umwelt zu erreichen.
"Punjabis lieben Waffen. Warum sollte man also nicht auch ihre Liebe für Bäume wecken? Wenn jemand erst mal einen Baum gepflanzt hat, dann wir er bewusster mit der Umwelt umgehen. Es gibt eine weit verbreitete Waffenkultur in unserem Land. Punjabis sind verrückt nach Waffen, sollen sie doch auch verrückt nach Bäumen werden."
Nirgends in Indien so viele Waffen wie in Punjab
Tatsächlich steht der Bundesstaat Punjab, im Norden Indiens, an der Grenze zu Pakistan, wenn es um Waffen geht an der Spitze in Indien. Waffen werden gerne bei Hochzeiten eingesetzt, für Freudenschüsse über die Vermählung.
In seinem Waffengeschäft führt Amarbir Singh Dhillon dem nächsten Kunden gerade eine Pumpgun vor:
"Das hier ist was ganz Neues. Eine Pumpgun mit 5 Patronen, die nacheinander abgefeuert werden können. Diese Waffe gibt es bei uns erst seit einem Jahr. Hier ist das Magazin. Und so wird damit geschossen."
Die neue Regelung für Waffenscheine habe seinem Geschäft nicht geschadet, sagt Dhillon, im Gegenteil. Die Leute hätten so das Gefühl, etwas Gutes zu tun. Und weil ja sowieso alle Landbesitzer und Bauern seien, sei es für sie ganz einfach, die Forderung zu erfüllen.
"Nein, die Nachfrage nach Waffen ist nicht zurückgegangen Das ist doch ganz leicht für die Leute. Das sind alles Bauern, ein paar Bäume zu pflanzen, ist für die doch kein Problem."
Ziel: bis zu 12.000 Bäume im Jahr
Noch ist die Regelung auf den Bezirk Ferozepur beschränkt. Doch die Idee hat Aufsehen erregt, über die Grenzen Indiens hinaus. Vielleicht könne so ja auch woanders etwas für die Umwelt getan werden, meint Bezirks-Commissioner Chander Gain. Er will mit seiner Idee dafür sorgen, dass jedes Jahr bis zu 12.000 neue Bäume gepflanzt werden.
"Unser Bezirk Ferozepur ist auf dem guten Weg, ein Wald zu werden. Und wenn man erst mal auf dem Weg ist, erreicht man auch irgendwann das Ziel."