Russlands Fernsehnachrichten kennen seit Langem eigentlich nur zwei täglich wiederkehrende Haupthelden. Der eine heißt Wladimir Putin und ist der Ministerpräsident des Landes. Der andere aber heißt Dmitri Medwedew und ist als Staatspräsident die protokollarische Nummer 1 mit Amtssitz im Moskauer Kreml. Beide sind, so hat es den Anschein, rastlos unterwegs im Riesenreich, um nach dem Rechten zu schauen.
In der Gegend von Orenburg, unweit der Grenze zu Kasachstan, schwingt Medwedew vor Kadetten - ein wenig verlegen lächelnd - die Glocke, um das neue Schuljahr einzuläuten. Sein Regierungschef dagegen hat im sibirischen Gebiet von Krasnojarsk mit dem neuen Studienjahr zu tun. Jungakademiker beklagen vorsichtig, dass sie mit ihren Stipendien kaum über die Runden kommen:
"Ich verstehe euch sehr gut", zeigen die Kameras das ernst dreinblickende und besorgt nickende Halbprofil Wladimir Putins, "die Stipendien müssen wir erhöhen."
Die Tage zuvor haben ihn die Staatskanäle auf seiner Tour am Steuer einer knallgelben Lada-Limousine begleitet - auf den Fernstraßen durch die Wälder Ostsibiriens, dessen schwache Infrastruktur berühmt-berüchtigt ist. Lässig die landesweit eher unbeliebte russische Eigenproduktion kutschierend hat Putin gegenüber einem seiner Lieblingsjournalisten von der Tageszeitung "Kommersant" Zeit und Muße seine Sicht der Dinge im Land zu erklären. Vor allem die Opposition ist ihm ein Dorn im Auge. Provokateure seien das mit ihren Protestkundgebungen am 31. jeden Monats. Wohl ein Daueranliegen - schon vor gut einem Vierteljahr hat Putin den weithin beliebten, inzwischen fast schon als Dissidenten verehrten Rock-Barden Juri Schewtschuk verärgert zurechtgewiesen, nachdem dieser öffentlich gefordert hatte, doch endlich die sogenannten "Märsche der Unzufriedenen" genehmigen zu lassen - Putin damals wütend:
"Außer diesen Leuten, die da marschieren wollen, ob sie nun zufrieden sind oder unzufrieden, gibt's ja auch noch andere. Deren Rechte dürfen wir nicht vergessen. Wenn Sie zum Beispiel - entschuldigen Sie schon - bei einem Krankenhaus ihren Marsch abhalten wollen und kranke Kinder damit stören, wer dürfte Ihnen so etwas erlauben? Richtig! Die Behörden müssen so etwas verbieten."
Dass derlei Kundgebungen in Krankenhausnähe noch niemals beabsichtigt gewesen seien, das Putin'sche Beispiel mithin willkürlich etwas behauptet - unerheblich für Russlands Premier. Denn ihn hat offensichtlich schon Schewtschuks Eingangsbemerkung verärgert. Unerschrocken hat der berichtet, dass ihn am Vortag ein Berater Putins angerufen und gebeten habe, bloß keine politischen Fragen zu stellen. Putin versucht, dies zu überspielen:
"Jura, das ist doch eine Provokation", gibt Putin lachend, aber mit betont sanfter Stimme zurück. "Mein Berater kann das gar nicht getan haben." - Schewtschuk unbeirrt: "Na, vielleicht nicht Ihr Berater, dann war's sonst irgendein komischer Vogel!" - Punktsieg für Schewtschuk. Putin muss seinen Ärger herunterschlucken. Der Mitschnitt dieser Szene gilt inzwischen als heimlicher Hit im russischsprachigen Youtube. - Derlei öffentlicher Widerspruch trifft den russischen Premierminister offenbar ins Mark, hat der Publizist Leonid Mletschin beobachtet:
"Putin will immer der Erste sein. Immer und überall. Damit erklärt sich auch seine Gereiztheit gegenüber Juri Schewtschuk und dem Ex-Milliardär Chodorkowskij, der in dem Zeitungsinterview erwähnt wird. Er ist sauer auf Schewtschuk, weil der ihm hier überlegen gewesen ist. Wo er doch immer die ‚Nummer eins' sein muss."
"Gottseidank, dass wir hier keine Demokratie haben", singt Schewtschuk in seinem Lied vom FSB-General. "Russland soll blühen und der Glaube singen, aber wie ich zu meiner Villa gekommen bin, das geht keinen was an."
Diese im Internet zirkulierende ätzende Satire von Schewtschuks Kult-Band DDT ist für russische Radiosender tabu - weithin bekannt ist das Lied vom sentimental-brutalen Geheimdienst-Offizier dennoch seit Langem.
Die Mehrheit der politischen Beobachter und Meinungsforscher ist sich sicher, dass Putin wohl als Präsident trotzdem wiedergewählt würde, käme es morgen zu Wahlen und er träte als Kandidat an. - Gefährlich für Putin wie für Medwedew sowie die mit ihnen Verbündeten in Staat, Sicherheitsapparat und Wirtschaft würde es nach Ansicht des Oppositionspolitikers Konstantin Borovoj erst dann, wenn
"die Leistungsfähigkeit der russischen Wirtschaft so weit herabgesunken ist, dass die Renten und Beamtengehälter nicht mehr ausbezahlt werden können. Dann hört das etwa 2003/2004 stillschweigend abgeschlossene Abkommen zwischen Staat und Gesellschaft auf zu funktionieren: Danach darf die Machtelite im Land anstellen, was sie will, solange sie den Bürgern Russlands ein bestimmtes Niveau an Lebensqualität sichern kann."
In der Gegend von Orenburg, unweit der Grenze zu Kasachstan, schwingt Medwedew vor Kadetten - ein wenig verlegen lächelnd - die Glocke, um das neue Schuljahr einzuläuten. Sein Regierungschef dagegen hat im sibirischen Gebiet von Krasnojarsk mit dem neuen Studienjahr zu tun. Jungakademiker beklagen vorsichtig, dass sie mit ihren Stipendien kaum über die Runden kommen:
"Ich verstehe euch sehr gut", zeigen die Kameras das ernst dreinblickende und besorgt nickende Halbprofil Wladimir Putins, "die Stipendien müssen wir erhöhen."
Die Tage zuvor haben ihn die Staatskanäle auf seiner Tour am Steuer einer knallgelben Lada-Limousine begleitet - auf den Fernstraßen durch die Wälder Ostsibiriens, dessen schwache Infrastruktur berühmt-berüchtigt ist. Lässig die landesweit eher unbeliebte russische Eigenproduktion kutschierend hat Putin gegenüber einem seiner Lieblingsjournalisten von der Tageszeitung "Kommersant" Zeit und Muße seine Sicht der Dinge im Land zu erklären. Vor allem die Opposition ist ihm ein Dorn im Auge. Provokateure seien das mit ihren Protestkundgebungen am 31. jeden Monats. Wohl ein Daueranliegen - schon vor gut einem Vierteljahr hat Putin den weithin beliebten, inzwischen fast schon als Dissidenten verehrten Rock-Barden Juri Schewtschuk verärgert zurechtgewiesen, nachdem dieser öffentlich gefordert hatte, doch endlich die sogenannten "Märsche der Unzufriedenen" genehmigen zu lassen - Putin damals wütend:
"Außer diesen Leuten, die da marschieren wollen, ob sie nun zufrieden sind oder unzufrieden, gibt's ja auch noch andere. Deren Rechte dürfen wir nicht vergessen. Wenn Sie zum Beispiel - entschuldigen Sie schon - bei einem Krankenhaus ihren Marsch abhalten wollen und kranke Kinder damit stören, wer dürfte Ihnen so etwas erlauben? Richtig! Die Behörden müssen so etwas verbieten."
Dass derlei Kundgebungen in Krankenhausnähe noch niemals beabsichtigt gewesen seien, das Putin'sche Beispiel mithin willkürlich etwas behauptet - unerheblich für Russlands Premier. Denn ihn hat offensichtlich schon Schewtschuks Eingangsbemerkung verärgert. Unerschrocken hat der berichtet, dass ihn am Vortag ein Berater Putins angerufen und gebeten habe, bloß keine politischen Fragen zu stellen. Putin versucht, dies zu überspielen:
"Jura, das ist doch eine Provokation", gibt Putin lachend, aber mit betont sanfter Stimme zurück. "Mein Berater kann das gar nicht getan haben." - Schewtschuk unbeirrt: "Na, vielleicht nicht Ihr Berater, dann war's sonst irgendein komischer Vogel!" - Punktsieg für Schewtschuk. Putin muss seinen Ärger herunterschlucken. Der Mitschnitt dieser Szene gilt inzwischen als heimlicher Hit im russischsprachigen Youtube. - Derlei öffentlicher Widerspruch trifft den russischen Premierminister offenbar ins Mark, hat der Publizist Leonid Mletschin beobachtet:
"Putin will immer der Erste sein. Immer und überall. Damit erklärt sich auch seine Gereiztheit gegenüber Juri Schewtschuk und dem Ex-Milliardär Chodorkowskij, der in dem Zeitungsinterview erwähnt wird. Er ist sauer auf Schewtschuk, weil der ihm hier überlegen gewesen ist. Wo er doch immer die ‚Nummer eins' sein muss."
"Gottseidank, dass wir hier keine Demokratie haben", singt Schewtschuk in seinem Lied vom FSB-General. "Russland soll blühen und der Glaube singen, aber wie ich zu meiner Villa gekommen bin, das geht keinen was an."
Diese im Internet zirkulierende ätzende Satire von Schewtschuks Kult-Band DDT ist für russische Radiosender tabu - weithin bekannt ist das Lied vom sentimental-brutalen Geheimdienst-Offizier dennoch seit Langem.
Die Mehrheit der politischen Beobachter und Meinungsforscher ist sich sicher, dass Putin wohl als Präsident trotzdem wiedergewählt würde, käme es morgen zu Wahlen und er träte als Kandidat an. - Gefährlich für Putin wie für Medwedew sowie die mit ihnen Verbündeten in Staat, Sicherheitsapparat und Wirtschaft würde es nach Ansicht des Oppositionspolitikers Konstantin Borovoj erst dann, wenn
"die Leistungsfähigkeit der russischen Wirtschaft so weit herabgesunken ist, dass die Renten und Beamtengehälter nicht mehr ausbezahlt werden können. Dann hört das etwa 2003/2004 stillschweigend abgeschlossene Abkommen zwischen Staat und Gesellschaft auf zu funktionieren: Danach darf die Machtelite im Land anstellen, was sie will, solange sie den Bürgern Russlands ein bestimmtes Niveau an Lebensqualität sichern kann."