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Putin oder Medwedjew: Wer hat das Sagen?

Diese Machtübergabe war bislang in der russischen Geschichte ohne Beispiel. Anfang Mai hatte Dmitri Medwedjew das Präsidentenamt von Wladimir Putin übernommen, nur einen Tag später ernannte Medwedjew Putin dann zum Ministerpräsidenten Russlands. Soweit die neue russische Machtarchitektur. Wie aber wirkt sich diese aus? Und wer hat jetzt das Sagen in Russland? Aus Moskau berichtet Deutschlandfunk-Korrespondent Robert Baag.

    Auf den Tag vor drei Monaten, am siebten Mai, ist die Stimmung festlich im Kreml zu Moskau. Ein Stabwechsel steht an, von Präsident zu Präsident, von Wladimir Putin zum wenige Wochen zuvor gewählten Dmitri Medwedjew:

    " Ich überreiche Dmitri Anatoljewitsch Medwedjew das Symbol der Macht und wünsche ihm Erfolg auf dem Posten des Präsidenten der Russischen Föderation! Unterstützen wir ihn! "

    Heute, ein Vierteljahr später, präsentiert das angesehene, unabhängige Levada-Meinungsforschungs-Institut ernüchternde Zahlen: Von 1600 Befragten seien 36 Prozent der Ansicht, dass immer noch Putin das Land regiert. Lediglich acht Prozent meinen, dass Medwedjew das Sagen hat, so wie es die Verfassung bestimmt. Igor Jürgens, der als einer engsten Berater von Präsident Medwedjew gilt, glaubt indes nicht, dass bereits eingetroffen ist, was gleich nach der von vielen Beobachtern als undemokratisch bewerteten Wahl des Putin-Favoriten Medwedjew vielfach befürchtet worden war:

    "Ich bin absolut gegen die Theorie, wonach Premierminister Putin und der amtierende Präsident unterschiedliche Standpunkte vertreten, verschiedene Taktiken und Strategien verfolgen. Denn das wäre eine Katastrophe."

    Der bloße Augenschein indes vermittelt einen anderen Eindruck - vor allem für das breite Publikum. Dmitri Volkov vom Levada-Zentrum im Radio-Sender "Echo Moskvy":

    "Die Menschen in Russland urteilen im Wesentlichen nach der Bildschirm-Präsenz im Fernsehen. Medwedjew kommt gemäßigt daher, ist vorsichtiger in seinen Äußerungen. Putin dagegen beherrscht stets die Situation und drückt sich schon mal deftig aus."

    Genau das aber kommt an. Als hätten ihm seine Berater empfohlen, doch auch einmal die Samthandschuhe auszuziehen, greift Medwedjew während einer Inspektionsfahrt in das westrussische Gebiet von Smolensk seinerseits demonstrativ in das Schatzkästlein folkloristischer Ausdrücke. Zuvor haben sich fernsehwirksam ein Gastwirt und die Besitzerin einer kleinen Textil-Fabrik über die ständigen Schikanen der örtlichen Behörden beklagt - das Stichwort für Medwedjew, seine Anti-Korruptions-Kampagne zu erläutern, aber zugleich im Putin'schen Stil seinen mitgereisten Spitzenbeamten den Kopf zu waschen. Die senken ergeben die Häupter:

    "Leider sind die Probleme immer noch dieselben, auf die unsere Unternehmer stoßen. Diese ewigen Kontrollen machen sie einfach fertig. Immer diese ständigen Überfälle unter diversen Vorwänden. Überhaupt, es wird Zeit, dass unsere Sicherheitsorgane, die Beamten schlechthin endlich aufhören, die Geschäftswelt dauernd in Albträume zu versetzen. In unserem Land sind 'Signale' von großer Bedeutung. Gehen Sie also davon aus, dass Sie hiermit so ein Signal bekommen haben!"

    Medwedjews Ausbruch könnte noch einen anderen Adressaten gehabt haben - seinen Regierungs-Chef Wladimir Putin. Denn der hatte kurz zuvor einem privat geführten Kokskohle-Kombinat mal so eben Steuer-Tricksereien vorgeworfen und dem erkrankten Eigentümer ironisch versprochen, "den Arzt vorbeizuschicken." Ganz Russland hat sofort verstanden, wen Putin mit dem Wort "Arzt" tatsächlich gemeint hat: die Steuerbehörden und sonstige wenig zimperliche Uniformträger oder Zivilbeamte. Die Folge: Sofort brachen die - auch international notierten - Aktien dieser Firma ein. Rechtsstaat Russland? Ein gezielter Affront Putins gegen Medwedjew? Dessen Berater Igor Jürgens gibt sich zuversichtlich, auch wenn er einräumt:

    "Klar, es ist nicht auszuschließen, dass die Apparate von Präsident und Premier womöglich gegeneinander arbeiten werden. Aber die beiden selbst werden sicher vier Jahre lang unzertrennlich bleiben. Wenn es jemand schaffen sollte, sie auseinanderzubringen, dann wäre das eine Katastrophe für Russland."

    Trotz der allgegenwärtigen Putin-Präsenz - die Zwischen-Bilanz für Medwedjew nach drei Monaten Amtszeit könne sich doch sehen lassen, verströmt Igor Jürgens unerschütterlichen Optimismus:

    "In der Außenpolitik sehe ich nur Erfolge. Die Symbolik, die Sprache, die Gesten haben sich geändert, der G8-Gipfel, die Gespräche mit Deutschland, mit China - und das, obwohl die Situation schwierig ist. Denn die USA scheinen nicht helfen sondern stören zu wollen, beharren auf der Raketenabwehr in Polen und Tschechien. Und dann auch noch die nicht sehr wünschenswerte Entwicklung rund um Georgien."

    In der Innen-, Wirtschafts- und Rechtspolitik, beschwört Jürgens, gebe es auch schon die ersten Anzeichen, dass es aufwärts geht. - Konkrete Details dazu aber, die nennt Medwedjews Berater erst einmal nicht.