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Militärparade in Moskau
Die mediale Inszenierung des russischen Militärs

Das Militär spielt im russischen TV eine große Rolle - nicht nur bei großen Paraden wie am 9. Mai. Die Glorifizierung der russischen und sowjetischen Armee ist ein wichtiger Bestandteil der Propagandastrategie von Wladimir Putin, seitdem er die Fernsehlandschaft unter staatliche Kontrolle gebracht hat.

Gesine Dornblüth im Gespräch mit Sebastian Wellendorf |
Zwei Soldaten salutieren bei der Militärparade in Moskau am 09.05.2022.
Zwei Soldaten salutieren bei der Militärparade in Moskau am 09.05.2022. (IMAGO/ITAR-TASS)
Tausende Soldatinnen und Soldaten marschieren perfekt choreographiert über den Roten Platz, präsentieren moderne Waffensysteme, salutieren und schreien laut „Hurra!“: die Feierlichkeiten in Moskau am 9. Mai zum Sieg über Nazi-Deutschland waren auch in diesem Jahr wieder ein „gewaltiges, bis ins Detail durchkomponiertes Schauspiel“, wie es Deutschlandfunk-Russland-Expertin Gesine Dornblüth beschreibt. Hochglanzbilder, die im krassen Kontrast stehen zu den Kriegsbildern aus der Ukraine, wo sich das russische Militär weniger ruhmreich präsentiert.

Medienmitarbeitende als "Krieger"

Diese Konstruktion von Parallelwelten und die Glorifizierung des russischen Militärs sei jedoch seit Jahren eine zentrale Aufgabe der russischen Fernsehlandschaft, so Dornblüth. Oder wie es Margarita Simonjan, eine von Putins wichtigsten Propagandistinnen ausgedrückt hat: auch Medienmitarbeitende seien „Krieger“.
Seit der Annexion der Krim im Jahr 2014 habe sich die Zahl der Desinformationssendungen im russischen TV stark gesteigert, berichtet Dornblüth. Doch schon seit Jahren liefen im russischen Fernsehen ständig Kriegsfilme aus der Sowjetzeit und über den Zweiten Weltkrieg: „Teilweise fiktional, teilweise dokumentarisch. Das Militär ist ständig präsent. Und dazu kommen die Talkshows am Wochenende, in denen gar nicht richtig diskutiert wird, sondern sich die Leute gegenseitig niederbrüllen. Das ist eine Verrohung der Gesellschaft, die gefördert wird durch diese Staatssender“, so die ehemalige Moskau-Korrespondentin.

Kritische TV-Sender wurden vom Staat übernommen

Seit seiner Machtübernahme im Jahr 2000 hat Wladimir Putin das russische Fernsehen nach und nach unter seine Kontrolle gebracht. Darunter ehemals kritische TV-Sender wie beispielsweise „NTW“, „Ren TV“ oder auch „Perwyj Kanal“. Zusammen mit der Übernahme kleinerer Fernsehstationen konnte der Kreml so schon früh die Berichterstattung und das Programm kontrollieren, die von der staatlichen Aufsichtsbehörde Roskomnadzor überwacht werden.
Wie wichtig diese strategische Übernahme der Fernsehlandschaft für Putins Politik ist und war, zeigt ein Blick auf die TV-Nutzungszahlen in Russland. 2016 informierte sich laut dem Umfrageinstitut Lewada fast 90 Prozent der russischen Bevölkerung hauptsächlich übers Fernsehen. Diese Zahl sank in den letzten fünf Jahren zwar auf 62 Prozent, zeigt aber immer noch deutlich, welchen Stellenwert das Fernsehen in Russland hat. 

Fernsehen wichtigste Informationsquelle in Russland

Zwar werde auch dort das Internet immer wichtiger, habe aber noch lange nicht die gleiche Bedeutung wie das Fernsehen, so Dornblüth. Und auch das Internet werde immer stärker staatlich reguliert.
„Russland versucht nachzujustieren und mit Gesetzen die Freiheiten im Internet einzuschränken. Und zugleich hat der Kreml und haben kremlnahe Medien und Organisationen massiv nachgelegt mit eigenen Social-Media-Kanälen.“
Zwar könne man sich über VPNs nach wie vor auch anderweitig informieren, dies sei allerdings eher unter jüngeren, technologieaffinen Menschen verbreitet.