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Putin und Obama
Hindernisse für ein Zweckbündnis

Russland hat in der Nacht einen Vorschlag für eine UN-Resolution im Kampf gegen den IS vorgelegt. Von einem gemeinsamen Vorgehen mit den USA könnten beide Seiten profitieren. Doch auch wenn zwischen Wladimir Putin und Barack Obama derzeit eine Annäherung stattzufinden scheint - ein Streitpunkt bleibt.

Von Martin Ganslmeier |
    Barack Obama (r.) und Wladimir Putin beim G20-Gipfel
    Barack Obama (r.) und Wladimir Putin beim G20-Gipfel (dpa / picture-alliance)
    In den amerikanischen Medien wurde aufmerksam registriert, dass sich Obama und Putin auf dem G20-Gipfel in Antalya intensiv ausgetauscht haben. Anders als bei früheren Begegnungen sei sogar ein freundschaftliches Lächeln sichtbar gewesen. Und auf der nächsten Station seiner Auslandsreise in Manila lobte Obama Russland für seine konstruktive Rolle bei der internationalen Syrien-Konferenz in Wien: "Wenn wir mit Russland zu einem besseren Einvernehmen kommen, wie wir den Bürgerkrieg in Syrien beenden können, dann würde dies auch mehr Möglichkeiten für eine Zusammenarbeit gegen den IS eröffnen", sagte Obama.
    Noch keine militärische Zusammenarbeit
    Auch Außenminister John Kerry klang zuversichtlich. Ein Durchbruch bei den diplomatischen Verhandlungen um die Zukunft Syriens könne in einigen Wochen erreicht werden. Tauwetter also in den amerikanisch-russischen Beziehungen? Ein neues Zweckbündnis im Kampf gegen den Islamischen Staat? "Nein", versuchte Kerrys Sprecher John Kirby die Erwartungen zu dämpfen: "Wir arbeiten mit Russland im Kampf gegen den IS nicht militärisch zusammen." Zumindest noch nicht. Erst einmal müsse Putin beweisen, dass die russischen Luftangriffe wirklich den Islamischen Staat bekämpften und nicht wie bisher die moderaten Gegner des Assad-Regimes.
    Offensichtlich aber habe Putin nach dem Absturz des russischen Passagierflugzeugs seine bisherige Haltung überdacht, lobte Obama: "Wenn er seine Aufmerksamkeit und die seines Militärs tatsächlich auf die wesentliche Bedrohung lenkt, nämlich den IS, dann ist das etwas, was wir sehr gerne sehen." Umgekehrt haben die Anschläge von Paris auch Obama offener für eine Zusammenarbeit mit Russland gemacht. In den USA wächst die Kritik an seiner zurückhaltenden Strategie im Kampf gegen den "Islamischen Staat". Viele Amerikaner halten Russland für schlagkräftiger als die arabischen Partnerländer.
    Putin will aus der Isolation
    Putin wiederum sieht die große Chance, Russlands Isolation nach dem Ukraine-Konflikt endlich zu beenden. Dabei hofft er auf eine Vermittlerrolle des französischen Präsidenten François Hollande. Der reist in der kommenden Woche nach Washington und anschließend nach Moskau. In Washington wird dies als möglicher Beginn einer neuen Ost-West-Antiterror-Koalition gedeutet. CIA-Chef John Brennan sieht jetzt schon viele gemeinsame Interessen. Schließlich kämen 2000 IS-Kämpfer in Syrien und im Irak aus Tschetschenien und Dagestan. "Das ist eine große Sorge der Russen", sagt Brennan. "Wir können Russland helfen, den Rückfluss dieser Terroristen zu verhindern, die in Russland Terroranschläge ausführen sollen."
    Auch wenn es deutliche Signale der Annäherung gibt, so bleibt doch ein wesentlicher Knackpunkt bestehen: Was passiert mit Syriens Diktator Baschar al-Assad? Erst wenn sich Amerika und Russland über Assads Schicksal einigen, so der Russland-Experte Cliff Kupchan im Sender CBS, handele es sich um mehr als ein militärisches Zweckbündnis auf Zeit: "Die Anschläge von Paris haben für ein kurzfristiges Tauwetter mit Putin gesorgt. Das wird nicht andauern. Obama und Putin misstrauen einander. Aber im Moment sind sie aufeinander angewiesen."