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Putins Ersatzpartei

Auf ihrem Kongress in Moskau suchen die Mitglieder der Allrussischen Volksfront ihre Zukunft. Die Bewegung, die vor zwei Jahren von Präsident Putin zu Wahlkampfzwecken ins Leben gerufen wurde, will sich einen neuen Anstrich geben.

Von Gesine Dornblüth |
    Aleksandr Kim-Kimen hatte eine weite Anreise. Er kommt aus Jakutien im Fernen Osten, und seine Visitenkarte ist eng bedruckt: Vorsitzender des Gewerkschaftsbundes von Jakutien, Abgeordneter des dortigen Parlaments, Präsident der Juristenvereinigung von Jakutien und Präsident des Verbandes jakutischer Sportarten.

    "Natürlich kann es sein, dass jetzt viele Leute in die Volksfront eintreten wollen, weil das gerade en vogue ist. Ich aber kann über mich sagen: Ich bin ein gesellschaftlich aktiver Mensch."

    Bisher waren nur Organisationen Mitglied in der Allrussischen Volksfront. Bei dem Kongress in Moskau diskutieren die 1.500 Delegierten, ob künftig auch Einzelpersonen eintreten können. Aleksandr Kim-Kimen wäre ein ideales Mitglied. Denn bei der Volksfront sollen Menschen mitmachen, die Verantwortung übernehmen und sich aus eigenen Stücken für das Vaterland engagieren. So beschrieb es ein Organisator des Kongresses.
    Und alle eint die Begeisterung für Putin. Kim-Kimen:

    "Wir haben einen starken Anführer: Vladimir Putin. Um ihn müssen wir uns sammeln. Russland steht vor großen Herausforderungen und geopolitischen Bedrohungen. Denken Sie nur an den Arabischen Frühling oder an Afghanistan. Da muss Russland geeint und monolithisch da stehen. Und unsere Aufgabe ist es, als Vertreter der Gesellschaft unseren nationalen Anführer zu unterstützen."

    Der Meinung ist auch Oleg Kaschtanow. Er koordiniert die Allrussische Volksfront in Mordowien in Zentralrussland. Im Hauptberuf ist er Chefredakteur der dortigen Zeitung.

    "Die Allrussische Volksfront hat heute einzigartige Möglichkeiten. Ihre Vertreter können ihre Ideen direkt dem Präsidenten vortragen. Und der Präsident unterstützt sie. Ende März fand zum Beispiel die erste Konferenz der Volksfront in Rostow am Don statt. Dort wurde vorgeschlagen, den Titel Held der Arbeit wieder einzuführen. Der Präsident hat noch am selben Tag die entsprechende Anordnung unterschrieben, und bereits am 1. Mai wurden fünf Helden der Arbeit ausgezeichnet."

    Kaschtanow hofft, dass Putin auch andere Dinge anordnet: Unterstützung für den Mittelstand in Mordowien zum Beispiel. Nach dem Motto: Die Vertreter der Volksfront melden, was nicht läuft, und Putin regelt es. Liberale wie der ehemalige Finanzminister Aleksej Kudrin kritisieren diese Art des Regierens: Sie meinen, es führe in eine Sackgasse. Besser sollten funktionierende Institute aufgebaut werden. Kaschtanow von der Volksfront verteidigt den Präsidenten.

    "Wenn der Präsident sagt, dass ein Problem gelöst werden muss, dann ist das ein Signal an die Beamten, etwas zu tun. Das ist in jedem Fall besser, als wenn gar nichts passiert."

    Die russische Bevölkerung indes kann mit der Volksfront auch zwei Jahre nach deren Entstehen kaum etwas anfangen. Ein kremlnahes Umfrageinstitut teilte dieser Tage mit, der Hälfte der Befragten sei die Bewegung schlichtweg egal. Die andere Hälfte wünsche sich, dass die Organisation eine Mittlerrolle zwischen Bevölkerung und Präsident wahrnehme. Dmitrij Badowskij vom Allrussischen Zentrum für Meinungsforschung:

    "Die Menschen erwarten nicht, dass aus der Volksfront eine weitere Partei wird, in der die Mitglieder um Ämter kämpfen. Sie erwarten ein starkes Institut unabhängiger gesellschaftlicher Kontrolle über das, was im Land passiert, in der Politik, in der Wirtschaft, bei den sozialen Reformen."

    Mit der Unabhängigkeit ist es allerdings so eine Sache.
    Bisher gibt es große personelle Überschneidungen mit der Kremlpartei "Einiges Russland". Auch Aleksandr Kim-Kimen aus Jakutien war bis vor kurzem dort Mitglied. Er hält es für möglich, dass die Volksfront die Kremlpartei "Einiges Russland" eines Tages ersetzen könnte.

    "Der Partei Einiges Russland hängt das Attribut "Partei der Gauner und Diebe" an. Wenn sich das weiter im Bewusstsein der Bevölkerung festsetzt, ist das gefährlich. Und dann stehen wir als saubere Kraft bereit."