Der "Spiegel" hat laut dem Bericht geheime Dokumente einsehen können. Demnach verlangt der türkische Geheimdienst Milli Istihbarat Teşkilatı (MIT), der Bundesnachrichtendienst solle auf Entscheidungsträger und Gesetzgeber in Deutschland einwirken, gegen Gülen-Anhänger vorzugehen und diese auszuliefern. Laut "Spiegel" überschreitet die Türkei mit den Schreiben eine Grenze der Diplomatie. "Selten zuvor dürften ausländische Agenten ähnlich unverhohlen versucht haben, deutsche Behörden zu beeinflussen."
Erdogan macht den Prediger Gülen, der in den USA lebt, und seine Anhänger für den Putschversuch von Militärs Mitte Juli verantwortlich. Belege dafür hat er bisher nicht vorgelegt. Die türkische Regierung verlangte dennoch von den USA die Auslieferung Gülens und stellte auch an Deutschland Forderungen, Gülen-Anhänger auszuliefern.
Versuch der Einflussnahme auch auf Landesebene
Laut "Spiegel" schickten die türkischen Behörden seit dem Putschversuch am 15. Juli insgesamt 40 Fahndungs- und drei Auslieferungsersuchen an die Bundesregierung. Der Gesandte der türkischen Botschaft in Berlin, Ufuk Gezer, habe im Auswärtigen Amt mehrmals vor Gülen gewarnt. In elf Bundesländern hätten Diplomaten für ein gemeinsames Vorgehen gegen die Gülen-Bewegung geworben. Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) und Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hatten die versuchte Einflussnahme öffentlich gemacht.
Kretschmann sagte, seine Regierung sei dazu aufgefordert worden, "Vereine, Einrichtungen, Schulen, die nach Meinung der türkischen Regierung von der Gülen-Bewegung, wie sie sagt, betrieben werden, einer Prüfung zu unterziehen und eine neue Bewertung vorzunehmen". In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung sagte Kretschmann: "Genau das werden wir selbstverständlich nicht machen." Ihm lägen "keine Belege" für die Behauptung der türkischen Regierung vor, dass die Gülen-Bewegung für den gescheiterten Militärputsch in der Türkei verantwortlich sei.
Laut "Spiegel" gab es ähnliche Versuche auch in Nordrhein-Westfalen, Hessen und Sachsen. Alle Länder hätten die Forderung, die Gülen-Bewegung vom Verfassungsschutz beobachten zu lassen, jedoch abgelehnt.
Ende Juli bat Außenminister Mevlüt Cavusoglu, einige Richter und Staatsanwälte auszuliefern, die sich derzeit in Deutschland aufhielten. Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte daraufhin, Deutschland sei "an die rechtsstaatlichen Verfahren gebunden".