Die Geschichte von der Debod-Tempelanlage kennt jeder in Madrid. Ägypten schenkte Spanien den Tempel aus dem 2. Jahrhundert vor Christus. Und zwar im Jahr 1972. Zum Dank dafür, dass Spanien beim Bau des Assuan-Staudamms geholfen hat, ägyptische Altertümer zu retten. Seither kann man im Park des Tempels einen der schönsten Sonnenuntergänge Madrids erleben. Was hier vorher stand und was hier vor 80 Jahren passiert ist, wissen hingegen nur noch wenige:
"Wir haben hier ein Foto von einem Plan der Kaserne. Die Putschisten dachten, sie könnten von hier eine Verbindungslinie bis nach Cuatro Vientos außerhalb der Stadt schaffen. Sie wollten dann gemeinsam den damaligen Präsidentenpalast, heute der Königspalast, einnehmen. Der Plan funktionierte aber nicht, weil die Gewerkschaften und Parteien vorbereitet waren und sich bewaffnet hatten. Es war ja schon lange von einem Staatsstreich die Rede."
Esther García erklärt, wie an dieser Stelle am 19. Juli 1939 (Anmerkung der Redaktion: richtig ist 1936) auch in Madrid der spanische Bürgerkrieg begann, einen Tag nach dem offiziellen Putsch. Die Beamtin ist Mitglied im Verein "Studien der Front von Madrid", eine private Initiative, die thematische Stadtführungen zum spanischen Bürgerkrieg anbietet. In Madrid scheiterte der Putschversuch, die Madrider Bevölkerung erstürmte die Kaserne schließlich. Doch:
"Nichts erinnert daran. Das war eine Heldentat. Das Volk von Madrid hat die Stadt gegen die Putschisten verteidigt. Auch an der Brücke über den Manzanares-Fluss gibt es nirgends eine Gedenktafel, die daran erinnert, wie die Menschen dorthin geströmt sind, um die Stadt zu verteidigen. Jetzt hat die Stadtverwaltung eine Kommission zum historischen Gedächtnis eingerichtet, in der Leute sitzen, die nichts von dem Thema wissen. Immer wird nur der Konsens gesucht, als hätte man Angst, das Thema anzufassen, als hätten wir Angst vor unserer Geschichte."
Komplizierte Geschichte des Widerstands
Eine komplizierte Geschichte, denn auch bei der Erstürmung der Madrider Kaserne gab es Opfer und Täter auf beiden Seiten. Esther García zeigt auf alte Fotos, von denen sie Kopien mitgebracht hat, berichtet von den drei Kanonen, mit denen die Anhänger der Republik die Kaserne beschossen. Dann zieht die Führung weiter zum Opernhaus. In einer Seitenstraße bleibt Esther García stehen:
"Diese Wandtafel erinnert an José García Vara. Die Stadtverwaltung hat sie vor Kurzem entfernt und nach Protesten wieder angebracht. García Vara war 1935 Anführer der faschistischen Falange und ist hier von sozialistischen Milizen ermordet worden. Das ist nur ein Beispiel, wie hier der Faschismus weiter verehrt werden darf. Völlig unabhängig davon, ob der Republik gedacht wird oder nicht - eine Hommage an den Faschismus sollte hier nicht möglich sein."
So dachte auch die linke Stadtverwaltung von Madrid. So wie diese Tafel nahm sie auch eine zur Erinnerung an mehrere Karmelitermönche am Friedhof ab und entfernte einen kleinen Gedenkstein für Gefreite der Franco-Truppen. Das Vorgehen wurde öffentlich zum Skandal, die Volkspartei protestierte, am Ende machte die Verwaltung die Entscheidungen rückgängig. Eine französische Touristin hakt nach.
"Wollt Ihr jetzt, dass auch der Toten der Republik gedacht wird, nur noch dieser Toten oder wollt ihr gar keine Gedenktafeln?"
"Diese Tafeln sollen dort nicht hängen. Wir haben jetzt genug Zeit gehabt, um aus der Vergangenheit zu lernen."
"Diese Tafel dort stört mich nicht", meint José Antonio Zarza vom selben Verein – doch Esther widerspricht: "Das Symbol der Falange-Partei auf der Tafel stört mich sehr."
Uneinigkeit über den Umgang mit Denkmälern
Denkmale für die Verteidiger der damals immerhin rechtmäßigen und demokratischen Republik fehlen im Stadtbild hingegen völlig. Ein Gesetz von 2007 verpflichtet zwar zur Anerkennung der Opfer auf beiden Seiten. Straßennamen, die das Franco-Regime verherrlichen, sollen geändert werden. Doch jede Gruppe hat ihre Vision von der Geschichte, eine gemeinsame Interpretation scheint auch 80 Jahre nach Ausbruch des Bürgerkriegs den Spaniern unmöglich zu sein. José Antonio Zarza:
"Ein Konsens wird schwer. Wir könnten aber beim kleinsten gemeinsamen Nenner beginnen. Die Änderung der Straßennamen zum Beispiel. Niemand kann verstehen, wenn wir eine Straße nach dem General benannt haben, der hier den Putsch begonnen hat. Ein solcher Minimalkonsens ist möglich. Seit 80 Jahren haben wir dieses Geschwür, das werden wir nicht von heute auf morgen los."