Nun müsse in der Armee aufgeräumt werden. Die Verantwortlichen "werden einen sehr hohen Preis für diesen Verrat zahlen", sagte der Präsident. Der versuchte Staatsstreich sei das Werk einer Minderheit im Militär. Sie seien Anhänger des in den USA lebenden Geistlichen muslimischen Geistlichen Fethullah Gülen.
Diesem wirft Erdogan schon seit Langem vor, mit Hilfe von Gefolgsleuten in der türkischen Justiz und dem Militär die Regierung stürzen zu wollen. Es war der erste öffentliche Auftritt des türkischen Präsidenten seit Beginn des Putschversuchs am späten Abend.
Yildirim: Situation "weitgehend unter Kontrolle"
Seit dem späten Abend versuchten Teile des türkischen Militär, die Macht zu übernehmen. Dazu hatten sie strategische Kontrolle in Istanbul und in der Hauptstadt Ankara unter ihre Kontrolle gebracht und das Kriegsrecht sowie eine Ausgangssperre ausgerufen. Allerdings folgten zahlreiche Menschen einem Aufruf Erdogans, sich dem zu widersetzen und auf die Straße zu gehen. Erdogan selbst betonte, er werde bei seinem Volk bleiben und nirgendwohin gehen. Millionen von Menschen hätten in den Straßen gegen den Putschversuch protestiert.
Auch Ministerpräsident Binali Yildirim erklärte, die Situation sei inzwischen "weitgehend unter Kontrolle". Er machte ebenfalls die Gülen-Bewegung für den Putschversuch verantwortlich. Diese distanzierte sich von den Vorwürfen. Man verurteile jede militärische Intervention in die Innenpolitik der Türkei, heißt es in einer Erklärung, die der Nachrichtenagentur AFP vorliegt.
Yildirim sagte weiter, es habe im Zusammenhang mit dem Putschversuch bereits mehr als 120 Festnahmen gegeben. Medienberichten zufolge wurde der Generalstabschef Hulusi Akar von den Putschisten als Geisel genommen. Erdogan sagte, er wisse nicht, wo sich der Armeechef derzeit befinde
Berichte über Gefechte und Explosionen
Auch in den frühen Morgenstunden gab es weiter Berichte über Explosionen und Schüsse. Das Parlamentsgebäude in Ankara soll von Bomben getroffen worden sein. Mehrere Polizisten seien verletzt worden, sagte Parlamentspräsident Ismail Kahraman. Es gebe aber keine Toten. Die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu meldete, ein Kampfhubschrauber der Putschisten sei abgeschossen worden. Auch aus Istanbul werden mehrere Explosionen gemeldet.
Zudem gibt es Berichte über anhaltende Gefechte. Zahlreiche Menschen sollen verletzt worden sein, es gibt auch Meldungen über Tote. Der Sender CNN Türk unterbrach seine Übertragung, weil Soldaten ins Studio eindrangen. Aus dem Studio waren Schüsse und Tumulte zu hören.
Die in Istanbul lebende Journalistin Cigdem Akyol sagte im Deutschlandfunk, es herrsche ein "Riesenchaos". Nach der Meldung über den Putsch habe es erstmal ratlose Gesichter gegeben, dann Hamsterkäufe. Es sei immer noch unklar, was genau passiere, aber: "Die Regierung hat die Situation nicht unter Kontrolle." Es gebe Schüsse und Detonationen. Akyol betonte, die Menschen in der Türkei seien traumatisiert von den Militärputschen der Vergangenheit, deswegen gebe es auch keine Mehrheit dafür.
Der AKP-Politiker Mustafa Yeneroğlu hält sich während des Putschversuchs im Parlament in Ankara auf. "Die Situation ist nach wie vor hochgefährlich", sagte er im Deutschlandfunk. Er meinte: "Der Putschversuch ist nicht endgültig zurückgedrängt worden." Yeneroğlu schilderte mehrere Angriffe auf das Parlamentsgebäude. Er wisse von mindestens fünf Verletzten, drei von ihnen seien schwer verletzt.
Regierungen unterstützen Erdogan
Die Europäische Union, die USA und Deutschland stellten sich an die Seite der Regierung in Ankara. In einer gemeinsamen Erklärung von EU-Ratspräsident Donald Tusk, Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und der Außenbeauftragten Federica Mogherini im Namen aller Mitgliedsstaaten hieß es, die EU fordere eine schnelle Rückkehr zur verfassungsmäßigen Ordnung. In Washington teilte das Weiße Haus mit, US-Präsident Barack Obama unterstütze die gewählte türkische Regierung. Gewalt und Blutvergießen müssten vermieden werden.
Der Sprecher der Bundesregierung, Steffen Seibert, twitterte, die demokratische Ordnung in der Türkei sei zu respektieren. Es müsse alles getan werden, um Menschenleben zu schützen. UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon erklärte, eine militärische Einmischung in die Angelegenheiten eines Staates sei nicht akzeptabel.
Russlands Außenminister Sergei Lawrow betonte, sämtliche Probleme sollten verfassungskonform gelöst werden und blutige Zusammenstöße vermieden werden. Der iranische Außenminister Sarif schrieb auf Twitter, besonders wichtig seien derzeit Besonnenheit sowie die Sicherheit der türkischen Bevölkerung.
(hba/db)