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QAnon und "Querdenker"
"Eine Abgrenzung findet überhaupt nicht statt"

Nicht nur in den USA, auch in Deutschland ist die Zahl der QAnon-Anhänger im Pandemie-Sommer stark gewachsen. In der "Querdenken"-Bewegung sei die Verschwörungsideologie sehr präsent, sagte die Politikwissenschaftlerin Katharina Nocun im Dlf - obwohl Facebook QAnon-Seiten inzwischen löscht.

Von Annika Scheider/Isabelle Klein im Gespräch mit Katharina Nocun |
Eine Frau trägt während einer Kundgebung der Initiative «Querdenken 711» im unteren Schlossgarten, die sich gegen die Corona-Maßnahmen richtet, ein Shirt mit der Aufschrift «Freiheit, Wahrheit, Frieden & Liebe» sowie «Q».
Das "Q" steht für QAnon - eine Demonstrantin bei Stuttgarter Protesten der "Querdenker" im August 2020 (picture alliance/dpa/Sebastian Gollnow)
Obwohl es für die Verschwörungsideologie QAnon keine Belege gibt, finden sich weltweit inzwischen Hunderttausende, die an eine obskure Elite glauben, die mit Kindern handelt. Durch die Corona-Pandemie hat sich die Zahl der Anhängerinnen und Anhänger noch einmal massiv vergrößert – und die deutsche Szene spielt dabei eine besondere Rolle. Beides belegt ein aktueller Report, den das Institute for Strategic Dialoge (ISD) – eine unabhängige internationale Denkfabrik – zusammen mit dem Medienbewertungs-Start-up NewsGuard veröffentlicht hat.
Ausgewertet wurden dafür rund 200.000 Facebook-Posts, die zwischen April und September 2020 QAnon-Inhalte verbreiteten. Von den zehn größten Communities, die die Forscherinnen und Forscher identifizierten, waren drei deutschsprachig. Sie hatten im September zusammen rund 37.000 Followerinnen und Follower.
Facebook geht gegen die Ideologie vor
Alle drei Gruppen existieren nicht mehr: Anfang Oktober versuchte Facebook, die Bewegung von seiner Plattform zu verbannen, indem es entsprechende Seiten und Gruppen löschte. Das habe aber nicht funktioniert, beklagen die Forscherinnen und Forscher: Einzelne Influencerinnen und Influencer würden die Ideologie weiter verbreiten.
Eine Person trägt auf dem Ärmel ihres Shirts das Logo von QAnon.
Strategien der QAnon-Bewegung
Die Verschwörungserzählung des QAnon-Mythos greift mit ihrer Widerstandsmentalität auch auf die Popkultur zurück. "Das meiste davon ist Fantasie, das ist Unsinn, das ist Größenwahn", sagte der Philosoph Jan Skudlarek im Dlf.
Der Bann sei zu spät gekommen, sagte auch die Politikwissenschaftlerin Katharina Nocun im Deutschlandfunk: "Die Erzählung ist einfach so weit in der Bevölkerung verbreitet, gerade unter Anhängern von Trump, dass sich das durch ein Deplatforming nicht mehr einfangen lässt." Ein großes Problem seien Einzelpersonen, die hin und wieder mal etwas zu QAnon veröffentlichten. Auch bekannte republikanische Politiker betrachteten sich als offizielle Anhänger der Bewegung und seien weiterhin in sozialen Netzwerken aktiv.
Dass die Szene auch in Deutschland vertreten sei, läge an einigen Prominenten in der Verschwörungsszene, die sehr früh entsprechende Inhalte übernommen hätten, darunter der Musiker Xavier Naidoo, aber auch einzelne YouTube-Stars und die extreme Rechte, sagte Nocun, die für ihr Buch "Fake Facts. Wie Verschwörungstheorien unser Denken bestimmen" selbst in der Verschwörerszene recherchiert hat. Viele Verschwörungsideologen hätten in den vergangenen Wochen und Monaten extrem an Reichweite gewonnen. Selbst wenn Verschwörungsgläubige auf großen Plattformen gesperrt würden, könnten sie weiterhin ihre Telegram-Channel betreiben, wobei sie dann dort allerdings nur "zu den bereits Überzeugten predigen" und nicht so leicht andere Menschen erreichen könnten.
QAnon-Symbole auf "Querdenker"-Demos präsent
Bekannt wurde QAnon zunächst im Rahmen des US-Wahlkampfs, die Corona-Pandemie gab der Bewegung dann weiteren Aufschwung. Dem ISD-Report zufolge stieg die Zahl der Posts im Sommer 2020 massiv an. In der deutschen Anhängerschaft ging es inhaltlich beispielsweise um die Verweigerung von Gesichtsmasken und Kritik an Bundeskanzlerin Angela Merkel.
Teilnehmer sammeln sich in der Friedrichstraße zu einer Demonstration gegen die Corona-Maßnahmen.
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Auf diversen Demos der sogenannten "Querdenker" seien QAnon-Anhänger sehr präsent gewesen, sagt Nocun, dort erkennbar an entsprechenden Plakaten, Auto-Aufklebern und T-Shirts. Es habe auch Fälle gegeben, wo Organisatoren von Demonstrationen den Leitspruch von QAnon auf der Bühne durchgesagt hätten und das Publikum ihn vervollständigt habe. Auch "Querdenken"-Gründer Michael Ballweg habe den QAnon-Leitspruch im August auf einer Demo in ein Mikrofon gesagt: "Eine Abgrenzung findet da überhaupt nicht statt."
Wenn man Verschwörungsmythen im Alltag begegne, zum Beispiel an Weihnachten im Familienkreis, sei es wichtig, zu widersprechen, empfahl die Politikwissenschaftlerin. Am Anfang könne man so bei Menschen noch sehr viel erreichen. "Aber wenn sie sich erst mal so weit radikalisiert haben, dass sie glauben, es gebe eine umfassende Verschwörung, die alles kontrolliert, dann kann man mit rationalen Argumenten eigentlich kaum noch durchdringen."