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Quantenbits bei Raumtemperatur

Physik. - Quantenbits sind die Informationsträger der Zukunft, denn sie haben zwei entscheidende Vorteile: Sie können nicht nur entweder den Wert Null oder Eins annehmen, sondern beide gleichzeitig. Dadurch lässt sich Informationen hochparallel verarbeiten. Und Quantenbits sind der Schlüssel, um Information absolut abhörsicher zu übertragen, Stichwort Quantenkryptographie. Da überrascht es kaum, dass Forscher weltweit an praxistauglichen Quantenbits tüfteln. Ein Team aus Harvard meldet in "Science" heute einen weiteren Meilenstein.

Von Ralf Krauter |
    Der in Moskau geborene Physiker Mikhail Lukin war gerade mal Anfang 30 als er Professor an der Universität Harvard wurde. Inzwischen ist er 40 und gilt als einer der klügsten Köpfe im Bereich der Quanteninformationsverarbeitung. In seinem geräumigen Büro steht ein orangenes Sofa, an der Wand hängt eine Tafel mit hingekritzelten Zeichen und Formeln.

    "Unsere aktuellen Ergebnisse sind ein Meilenstein. Wenn mich jemand vor 4, 5 Jahren gefragt hätte, ob das möglich wäre, hätte ich vermutlich 'nein' gesagt. Doch viele Gruppen weltweit haben die Forschung voran getrieben. Unsere Arbeit ist eine Kombination verschiedener Erkenntnisse."

    Quantenbits gibt es in vielen Varianten. Tiefgekühlte Atome in Fallen können Quanteninformation ebenso speichern wie supraleitende Leiterschleifen. Doch Mikhail Lukin setzt auf ein Speichermedium, das auch bei Raumtemperatur funktioniert: Auf hochreine Diamanten. Mit einem Versuchsaufbau im Untergeschoss des Gebäudes, ist es seinen Leuten kürzlich gelungen, Quanteninformation in einem Diamantkristall über eine Sekunde lang zu speichern.

    "So schaut das aus, dieses Plättchen hier. Sie sehen das ist ein Diamantplättchen. In dem Fall 20 Mikrometer dick."

    Das hochreine Plättchen Kunstdiamant, das der deutsche Postdoc Alexander Kubanek aus einer Schublade holt, ist groß wie ein Stecknadelkopf und sieht aus, als wäre es aus Glas. Da sein Kristallgitter fast perfekt ist, weist es kaum Fehlstellen auf, die gewöhnliche Diamanten rot und grün schillern lassen. Ein paar Defekte im Kristallgitter gibt es aber doch – und genau die machen sich die Quantendompteure zunutze. Kubanek:

    "In diesem Fall ist das eben ein Stickstoffatom und gleich neben dem Stickstoffatom eine Fehlstelle, wo quasi ein Kohlenstoff fehlt. Und auf diese Fehlstelle kann man eben Information aufprägen, aufschreiben und auch wieder auslesen."

    Das Stickstoffatom samt Fehlstelle fungiert als winzige Magnetnadel. Mit Laserblitzen lässt sich ihre Orientierung auf Knopfdruck ändern. Doch die dabei aufgeprägte Quanteninformation ist fragil. Um sie länger zu speichern, übertragen die Forscher sie auf eine zweite, noch viel kleinere Magnetnadel: Den Atomkern eines Kohlenstoff-13-Isotops, das dem Stickstoff so nahe ist, dass es dessen Einfluss eben noch spürt. Kubanek:

    "Wenn Sie so wollen unterhalten sich diese zwei Atome extrem langsam. Und das macht es dann eben möglich, dass man diese Information auf diesem benachbarten Kohlenstoff-13-Atom speichern kann und da tatsächlich auch für eine Sekunde gespeichert lassen kann. Das ist so ein bisschen der Trick bei der ganzen Sache."

    Der Versuchsaufbau für den Speicherrekord steht im abgedunkelten Nachbarlabor. Grünes Laserlicht flackert über einen Tisch mit Linsen und Spiegeln. In einer kühlschrankgroßen Metallbox, die Magnetfelder abschirmt, steckt der Diamantkristall. An der Wand dahinter: Elektronik-Racks mit Generatoren für Mikro- und Radiowellen. Ihre präzise abgestimmte Pulsfolge trägt maßgeblich dazu bei, die Kohlenstoff-13-Atome im Diamant effizient von störenden Einflüssen abzuschirmen. Die Details sind kompliziert, doch das Ergebnis ist bemerkenswert: Die fragile Quanteninformation überlebt Millionen Mal länger, als Experten noch vor Jahren für möglich gehalten hätten. Für Mikhail Lukin ist das aber nur der Anfang. Seine Vision: Eine Quantenkreditkarte mit aufgeklebtem Diamantchip, mit der sich vertrauliche Informationen verschlüsseln und absolut abhörsicher übertragen ließen. Noch ist das Zukunftsmusik, doch die aktuellen Entwicklungen zeigen: Vermutlich nicht mehr lange.

    "Unser langlebiger Diamantspeicher könnte interessante Anwendungen in der Kryptographie finden. Für eine Quantenkreditkarte müssen wir die Lebensdauer der Quantenbits natürlich weiter verbessern. Doch ich sehe keine prinzipiellen Probleme. Vor 5, 6 Jahren betrug die Speicherdauer Mikrosekunden, jetzt schaffen wir Sekunden. Wir haben viel gelernt und es sieht so aus, als wären bald schon Minuten oder Stunden machbar."