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Quanteninternet
Das Web Q.0 nimmt Gestalt an

Regierungen und Unternehmen rund um den Globus haben ein erklärtes Ziel: Ein weltumspannendes Quanteninternet für absolut abhörsichere Kommunikation. Bei der Entwicklung dieser Zukunftstechnologien und dem Aufbau der nötigen Infrastruktur hat China aktuell die Nase vorn, doch die Europäer holen auf.

Eine Sendung von Ralf Krauter und Frank Grotelüschen |
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    Ein Quanteninternet soll künftig Quantencomputer wie diese Prototype von IBM vernetzen. Eine weitere wichtige Anwendung: Absolut abhörsichere Kommunikation mittel Quantenkryptographie (IBM Research)
    Anfang Juli gab es in München eine Fachtagung zur Quantentechnologie. Knapp 150 Experten aus Forschung und Industrie diskutierten dort über mutmaßliche Schlüsseltechnologien für das 21. Jahrhundert. Es ging um die Frage, wie und wann Quantencomputer, Quantenkryptographie und Quanteninternet unseren Alltag verändern werden. Neben führenden Vertreter von IBM, Intel und Google hielten auch Max-Planck- und Universitätsforscher Vorträge zum Stand der Entwicklung. Darunter auch der Italiener Prof. Tommaso Calarco, Direktor des Instituts für komplexe Quantensysteme der Universität Ulm.
    "Ich forsche im Bereich der Quantenkontrolle, also wie man Quantentechnologien bauen kann. Ich bin ein Quantenphysiker, ein Theoretiker. Und darüber hinaus koordiniere ich auch die Aktivitäten der wissenschaftlichen Community auf EU-Ebene zum Thema Quantentechnologie, insbesondere im Rahmen des Quanten-Flagschiffs."
    Milliardenschweres EU-Forschungsprojekt
    Das Quanten-Flagschiff-Projekt, das Tommaso Calarco initiiert hat, ist ein milliardenschweres Forschungsprojekt, mit dem die EU-Kommission Europas Forschern und Firmen, den Rücken stärken will. Denn die USA, China und Japan zum Beispiel, fördern die Entwicklung neuer Quantentechnologien schon seit Jahren massiv. Eines der ersten konkreten Ziele, auf das man im ‚Quantentechnologie-Flagschiff‘ hinarbeite, sagt Tommaso Calarco, seien absolut abhörsichere Kommunikationskanäle via Internet oder Satellit, mittels so genannter Quantenkryptographie.
    Die Vision der Forscher
    "Die sichere Kommunikation mittels einzelnen Photonen, die nicht abgehört werden können. Weil das sind ja Quanten. Also ein Quant kann nicht in zwei Teile geteilt werden. Das heißt, wenn das ankommt, können wir verifizieren, die Kommunikation ist angekommen."
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    Prof. Tommaso Calarco koordiniert das EU-Flagschiffprojekt zur Quantentechnologie (Universität Ulm)
    Die Vision der Forscher: Das heutige Internet so umzubauen, dass über seine Glasfaserkabel auch Quanteninformation ausgetauscht werden kann. Und zwar derart, dass absolut niemand eine Chance hat, die übermittelten Daten abzugreifen. Security built by Nature – die bizarren Gesetze der Quantenwelt machen’s möglich.
    Null oder Eins, An oder Aus – das Bit ist die grundlegende Informationseinheit des digitalen Zeitalters. Anders bei der Quanteninformation. Das Quantenbit, das Qubit ist nicht nur Null oder Eins, sondern Null und Eins zugleich. Die Folge: "Ein Qubit kann viele Zustände gleichzeitig annehmen und ein Rechenraum zur Verfügung steht, der viel größer ist als bei einem klassischen Bit", erklärt IBM-Forscherin Heike Riel.

    Die Vision: ein Rechner basierend auf Qubits, ein Quantencomputer. Er würde jeden Superrechner in den Schatten stellen, erklärt Peter Zoller von der Universität Innsbruck: "Wenn Sie einen Quantencomputer hätten mit 300 Quantenbits, wäre der gleich mächtig wie ein Computer, der jedes Atom in sichtbaren Universum als eine Speicherzelle verwendet."

    Und: Mit Quantenbits lassen sich Informationen übertragen, absolut abhörsicher. Der Grund ist:"Dass man auf der Basis der Quantenphysik sicher sein kann, dass man jeden Abhörer, der in der Leitung ist, bemerkt", so Gerd Leuchs vom Max-Planck-Institut für die Physik des Lichts in Erlangen.

    Dabei hilft das wohl merkwürdigste aller Quantenphänomene: Die Verschränkung. Einst von Albert Einstein postuliert bedeutet sie, dass zwei Quanten selbst dann noch in Verbindung stehen, wenn sie kilometerweit voneinander entfernt sind. "Dann taucht irgendwie der Zustand des ersten Photons auf dem Photon, das ganz weit weg ist, wieder auf", sagt Wolfgang Tittel. Eine Quantenteleportation. Die Verschränkung und das Quantenbit – zwei Kernbegriffe für die Quanteninformation. Doch Vorsicht: "Wann immer ich ein System anfasse – alleine durch das Anfassen verändert es sich schon", weiß Dieter Meschede von der Universität Bonn.
    Weshalb es verteufelt schwierig ist, das alles in die Technologie der Zukunft zu packen – in Quantenrechner und Kryptographie-Systeme, verbunden durch ein globales Quanteninternet.
    Quantenkommunikation und klassische Kommunikation
    Mit Quantencomputern, die konventionelle Superrechner alt aussehen lassen, rechnen Fachleute zwar in frühestens 10 Jahren. Doch die abhörsichere Kommunikation via Quantenkryptographie könnte schneller Realität werden. Was den Aufbau eines Quanteninternets angeht, das dazu nötig wäre, spielt in Europa das niederländische Städtchen Delft eine wichtige Rolle. Denn am dortigen Forschungszentrum Qutech arbeiten weltweit führende Experimentalphysiker und Quanteninformationstheoretiker daran, die Vision vom "Web Q.0" zu verwirklichen. Federführend mit dabei ist die Informatik-Professorin Stephanie Wehner. Sie hat ihr Geld früher mal als professionelle Hackerin verdient, später in Kalifornien und Singapur geforscht und gilt heute als renommierte Expertin für Quantenkryptographie.
    Prof. Stephanie Wehner (copyright TU Delft)
    Die Informatikerin Professor Stephanie Wehner arbeitet am niederländischen Forschungszentrum QUTECH in Delft am Aufbau eines Quanteninternets (Technische Universität Delft)
    Im Gespräch mit Ralf Krauter erklärt Stephanie Wehner, was sie und ihre Kollegen so sicher macht, dass dem Quanteninternet die Zukunft gehört.
    Neue Anwendungen wie abhörsichere Kommunikation
    Stephanie Wehner: Wir finden ein Quanteninternet spannend, weil man damit Sachen machen kann, die man auf dem normalen Internet nicht machen kann. Ein Quanteninternet hat eine ganze Reihe von neuen Anwendungen, zum Beispiel abhörsichere Kommunikation, die Synchronisierung von Uhren, in verschiedenen Räumen, wo man sagen kann, dass man hat eine viel größere Genauigkeit erreichen kann, mit Quantenkommunikation als mit klassischer Kommunikation. Man kann mit Quantenkommunikation Koordinationsprobleme lösen, in einem Netzwerk - und davon gibt es ganz viele in klassischen Netzwerken. Es gibt sehr viele Anwendungen im Quanteninternet und deswegen möchten wir eins realisieren. Es ist vielleicht wichtig, auch zu sagen, dass wir nicht denken, dass das Quanteninternet das klassische Internet ersetzt, weil das klassische Internet für viele Sachen schneller und praktischer ist, für bestimmte Anwendungen, zum Beispiel das Übertragen von Filmen, die Sie gerne anschauen möchten. Wir gehen davon aus, dass es im Zeitraum von 10, 15 Jahren ein Quanteninternet parallel zum bestehenden Internet geben wird.
    Quantenkommunikation über lange Abstände erreichen
    Ralf Krauter: Stichwort abhörsichere Kommunikation: Die erste quantenkryptographisch gesicherte Banküberweisung wurde ja schon 2004 demonstriert, von Forschern um Anton Zeilinger in Wien. Seit über 10 Jahren gibt’s auch schon kommerzielle Quantenkryptographiesysteme zu kaufen, etwa vom Schweizer Unternehmen ID-Quantique. Mit diesen Geräten übertragen Banken und Regierungen heute bereits geheime Verschlüsselungscodes abhörsicher zwischen verschiedenen Standorten. Wo springt die existierende Technik zu kurz? Also warum braucht man da noch ein Quanteninternet?
    Wehner: Das Ziel von einem Quanteninternet ist Quantenkommunikation auch über lange Abstände zu erreichen. Die Quantengeräte, die man jetzt kaufen kann, sind limitiert in zwei Richtungen: sie können über kurz Abstände - und kurz heißt hier etwa 80 Kilometer Schlüssel erstellen. Hier bringt das Quanteninternet eben längere Abstände. Und das zweite ist, dass diese Sachen, die man jetzt kaufen kann, nur eine Anwendung unterstützen - nämlich: Schlüsselaustausch für die sichere Datenübertragung.
    Verschränkung als Schlüssel zu allen Anwendungen
    Krauter: Welche Rolle spielt das quantenmechanische Phänomen der Verschränkung – von dem wir eben gehört haben - für ein künftiges Quanteninternet? Ist das der Schlüssel zu allem?
    Wehner: Das Phänomen von Verschränkung ist der Schlüssel zu eigentlich allen Anwendungen von einem Quanteninternet. Das kann man so verstehen, dass Verschränkung zwei Eigenschaften hat und aus diesen Eigenschaften, lassen sich eigentlich alle Anwendungen ableiten. Die erste Eigenschaft ist, dass Verschränkung Koordination ermöglicht. Nehmen wir mal an, man hat zwei Quantum-Bits, eines davon ist hier in Delft und eines ist in Berlin. Dann können wir mit diesen Qubits perfekt koordinieren. Wenn ich hier eine Messung mache auf meinem Qubit und Sie machen die gleiche Messung in Berlin, dann bekommen wir immer das gleiche Messergebnis. Und das gilt für jede Messung. So eine Messung kann man jetzt verstehen als Frage; wir können das Qubit fragen: "Hey Qubit, bist Du rot oder grün?" Und wenn man die gleich Frage in Berlin stellt und ich bekomme "rot", dann ist auch die Antwort in Berlin "rot". Wenn ich "grün" bekomme, dann ist auch die Antwort in Berlin "grün". Man kann das zur Koordination verwenden, wenn wir uns zum Beispiel entscheiden würden, wir wären ein Labyrinth, wir gehen entweder beide nach links oder nach rechts. Dann wäre die Frage: "Hey Qubit, sollen wir nach links oder nach rechts gehen?" Und dann machen beide immer das gleiche. Und diese Kommunikation kann man instantan erreichen, mit Verschränkung. Also schneller als wir miteinander kommunizieren könnten.
    'Spukhafte Fernwirkung' erlaubt abhörsichere Kommunikation
    Krauter: Das ist genau diese spukhafte Fernwirkung, die Albert Einstein so suspekt war.
    Wehner: Ganz genau. Also die erste wichtige Eigenschaft von Verschränkung ist genau diese spukhafte Fernwirkung, die Koordination ermöglicht. Und darum ist das Quanteninternet sehr praktisch für Anwendungen bei denen eben Koordination relevant ist. Man kann nicht schneller als die Lichtgeschwindigkeit kommunizieren, man kann aber schneller als die Lichtgeschwindigkeit koordinieren. Also die erst Eigenschaft ist Koordination, die zweite Eigenschaft ist, dass man Verschränkungen nicht teilen kann. Wenn zwei Qubits miteinander verschränkt sind, dann kann man diese Verschränkungen als eine private Verbindung auffassen.
    Man kann beweisen, dass nichts anderes im Universum Teil an dieser Verschränkung haben kann. Zwei Partien können immer absolut koordiniert und verschränkt sein, aber niemals drei. Und das ist der Grund, warum man abhörsichere Kommunikation erreichen kann, indem man Verschränkung aufbaut. Die misst man, dann kommt immer das gleiche Messergebnis. Aber nichts anderes in diesem Universum kann Teil von dieser Verschränkung sein und nichts anderes in diesem Universum wird lernen, was genau das Messergebnis war - und was als Konsequenz davon der Schlüssel ist, den wir dann verwenden, um abhörsichere Kommunikation zu etablieren.
    China ist Vorreiter beim Aufbau eines Quantennetzwerks
    Krauter: Schauen wir nach China, wo man voran prescht beim Aufbau eines Quanteninternets. Im September 2017 wurde da ein 2.000 Kilometer langes Glasfasernetz mit 32 Relaisstationen in Betrieb genommen, das Dutzende Firmen und Behörden zwischen Peking und Schanghai abhörsicher vernetzt. Wie beeindruckend ist das aus ihrer Sicht, was die Chinesen in Sachen glasfaserbasierter Quantenkryptographie schon auf die Beine gestellt haben?
    Wehner: Ich finde die Sache in China sehr beeindruckend, aber es ist wichtig, festzustellen, dass dieses Netzwerk nicht Qubits von einem Ende zum anderen schickt. Man stellt hier keine Verschränkung her zwischen Peking und Schanghai. Das Netzwerk funktioniert so, dass man diese etwa 2.000 Kilometer aufteilt in kleine Stückchen von etwa 80 bis 100 Kilometern und dann jeweils für jedes Stückchen einen separaten Schlüssel herstellt und damit dann die sichere Kommunikation von Peking nach Schanghai möglich macht. Allerdings nur wenn alle diese Stationen in der Mitte sicher sind, ist dann auch die Verbindung von Peking nach Shanghai sicher. Es ist wichtig zu verstehen, dass das kein echtes Quantennetzwerk ist, was wirklich möglich macht, absolut sicher über diese Distanz zu kommunizieren. Es ist aber natürlich ein wichtiger und interessanter Schritt in diese Richtung.
    Quantenkommunikation via Satellit
    Auf der Quantentechnologie-Tagung Anfang Juli in München waren auch Experten aus China dabei. Und die verkündeten dort, das bereits existierende glasfaserbasierte Quantennetzwerk soll jetzt um 11.000 Kilometer erweitert werden. Und eine eigens gegründete Firma soll das künftig betreiben und ihren Kunden Quantenschlüssel für abhörsichere Verbindungen bereitstellen. Die versammelten Experten staunten nicht schlecht, wie stark China da aufs Tempo drückt. Meinen Eindruck, dass China aktuell Technologietreiber auf dem Gebiet ist, wollte Tommaso Calarco, der Initiator des EU-Quantenflagschiff-Projektes, allerdings nicht bestätigen.
    "Technologietreiber würde ich noch nicht sagen. Denn die ganzen Ideen, die dort umgesetzt werde, sind Ideen, die in den letzten 10-20 Jahren in Europa und den USA entwickelt worden sind. Die benutzen Dinge, Methoden, die wir entwickelt haben, aber mit viel größeren Ressourcen. Insofern haben die schon eine sehr wichtige und führende Rolle, indem die zeigen, dass das wirklich machbar ist und auch sehr strategisch relevant."
    Der Motor der dynamischen Entwicklung in China ist ein Mann namens Jian-Wei Pan. Ein Physiker, der einst in Europa in die Lehre ging, bei dem schon erwähnten Anton Zeilinger. Frank Grotelüschen hat mit Jian-Wei Pan über seine Karriere gesprochen - und über seine Vision für das Quanteninternet.
    Heute ist er ein Star der Quanten-Szene - der chinesische Physiker Jian-Wei Pan. Doch eigentlich war das Feld für ihn nicht gerade die Liebe auf den ersten Blick, erinnert er sich: "Als Student belegte ich einen Kurs in Quantenmechanik. Zunächst aber wollte mir ihr Grundkonzept so gar nicht einleuchten. Und so musste ich viel Zeit investieren, um Phänomene wie die Überlagerung oder Verschränkung von Quantenzuständen zu verstehen."
    Halbe Sachen sind sein Ding offenbar nicht. Also zog es Pan 1996 zum wohl prominentesten Quantenphysiker der Welt - Anton Zeilinger in Österreich. Schon ein Jahr später, noch während seiner Doktorarbeit, gelang dem Chinesen ein Coup: Er zählte zu jenem Team, dem erstmals die Quantenteleportation glückte: Die Forscher um Anton Zeilinger konnten Photonen, also Lichtteilchen, regelrecht beamen - wenn auch nur von einer Ecke des Labortischs zur anderen. Was Pan damals schon faszinierte: Das war nicht nur ein bahnbrechendes Grundlagenexperiment, sondern eine Pioniertat für künftige Quantentechnologien.
    "In Innsbruck dachten damals ein paar Leute zum ersten Mal ernsthaft darüber nach, ob sich sowas für abhörsichere Kommunikation nutzen ließe. Und ich hatte das Glück, dabei sein zu dürfen – als Mitglied eines wunderbaren Teams." 2003 zog es ihn nach Deutschland, an die Uni Heidelberg. Hier konnte Jan-Wei Pan eine eigene Forschergruppe aufbauen: "Ich liebe Deutschland - das Brot, das Essen, die Kultur. Und ich mag die deutsche Art, Wissenschaft zu betreiben."
    Dennoch: Als ihm die chinesische Universität für Wissenschaft und Technik in Hefei 2008 ein großzügiges Angebot unterbreitete, zog es den Physiker zurück in seine Heimat. "China ist meine Heimat. Und ich denke, es ist eine gute Sache, wenn ich hier etwas zur Entwicklung von Wissenschaft und Technologie beitragen kann. Deshalb habe ich die Einladung sofort angenommen."

    Jian-Wie Pan, der der Uni Heidelberg als Honorarprofessor verbunden bleibt, tüftelt seit langem an einer Vision: der Quantenkommunikation über große Entfernungen. "Quantensignale können sich in einer Glasfaser nur beschränkt ausbreiten. In der Regel werden sie nach wenigen hundert Kilometern absorbiert." Deshalb verfolgt Pan parallel ein anderes Konzept - die Quantenkommunikation via Satellit. Denn im luftleeren Raum, können sich die Lichtsignale, die die Quanteninformation übertragen, ungestört fortpflanzen.
    Um das Ganze zu testen, startete China 2016 den weltweit ersten Quantensatelliten ins All, finanziert mit Milliarden von der Regierung, maßgeblich mitentwickelt von Pan. 2017 dann die Erfolgsmeldung. "Letztes Jahr haben wir es geschafft, mit unserem Quantensatelliten eine sichere Verbindung zwischen Peking und Wien herzustellen, über eine Entfernung von 7600 Kilometern." Der Satellit hatte einen Quantenschlüssel von Fernost nach Österreich übermittelt, zu Pans Doktorvater Anton Zeilinger in Wien - und zwar absolut abhörsicher. Ein Triumph, der China endgültig an die Spitze der Quantentechnologie brachte.
    Vor praktischen Anwendungen gibt es aber noch viel zu tun für Pan und seine Leute. "Wir müssen noch zwei Probleme lösen. Erstens: Unser Satellit funktioniert nur bei Nacht, das Tageslicht stört die Kommunikation. Deshalb arbeiten wir an einer Technologie, die die Quantenkommunikation auch bei Tag ermöglicht. Und zweitens: Unser Satellit umkreist die Erde auf einem niedrigen Orbit und kommt nur zweimal täglich an den Sendestationen vorbei. Das ist natürlich noch zu wenig für eine praktische Anwendung."
    Doch der chinesische Quantenpapst hat schon eine Idee: Er will weitere Quantensatelliten ins All schießen. Dieses Satellitennetz soll eine ausreichende Abdeckung schaffen und so die Basis bilden für ein weltweites Quantenweb. "Wir glauben, wir können so ein globales Quanteninternet in etwa zehn Jahren zur Verfügung stellen." Und sollte er diese Vision mit der ihm eigenen Zielstrebigkeit verfolgen, ist Jian-Wei Pan das durchaus zuzutrauen.
    Zeitraum von 10 bis 15 Jahren realistisch?
    Der erwähnte chinesische Quantensatellit heißt MICIUS. Und der geheime Schlüssel, der mit seiner Hilfe zwischen Peking und Wien übertragen wurde, diente am 29. September 2017 zur Verschlüsselung des ersten absolut abhörsicheren interkontinentalen Videotelefonats.
    Professor Anton Zeilinger (Universität Wien) beim weltweit ersten quantenkryptographisch gesicherten Videotelefonat (Foto: Österreichische Akademie der Wissenschaften)
    Professor Anton Zeilinger (Universität Wien) beim weltweit ersten quantenkryptographisch gesicherten Videotelefonat (Österreichische Akademie der Wissenschaften)
    Frage an Professor Stephanie Wehner, die Quantenkryptrographie-Expertin beim Qutech-Institut in Delft: Wie sehr hat Sie das damals beeindruckt – das war ja eine Weltpremiere?
    Wehner: Was mich da beeindruckt hat, war eigentlich nicht der Schlüsselaustausch, sondern die Verteilung von Verschränkungen von einem Satelliten innerhalb von China. Es ist nämlich wichtig zu sagen, dass dieser Satellit in der Videoübertragung zwischen Wien und China nämlich auch ein Relais war. Das heißt diese Verbindung ist auch nur abhörsicher, wenn man dem Satelliten vertraut. Diese Videoübertragung war nicht End-to-end sicher. Es gab allerdings noch ein anderes Experiment, was meiner Meinung nach vielleicht noch beeindruckender ist, wo innerhalb von China selbst, über eine Distanz von 1203 Kilometern, Verschränkung kreiert wurde. Also in einem Satelliten, wenn man zwei Photonen - zwei Lichtteilchen, zwei Qubits - präpariert, die schön verschränkt sind und das eine geht eben nach links auf die Erde, das andere nach rechts, dann hat man damit Verschränkung generiert, über einen relativ langen Abstand auf der Erde. Und damit könnte man in der Zukunft eben auch über diesen langen Abstand absolut abhörsichere Kommunikation realisieren.
    Krauter: Jian-Wei Pans Vision ist es, wie wir gehört haben, innerhalb von zehn Jahren ein globales Quanteninternet aufzubauen, durch Verbindung von Satelliten und Glasfasernetzen am Boden. Halten Sie das für realistisch?
    Wehner: Ich denke, dass es möglich ist, das in zehn Jahren zu erreichen, vielleicht ist 15 Jahre etwas realistischer, es ist aber wirklich schwierig, da eine genaue Zahl dranzuhängen. Aber ich würde mal sagen im Zeitraum: 10 bis 15 Jahre.
    Schlüsseltechnologie Quantenrepeater
    Eine Schlüsselkomponente glasfaserbasierter Quantennetzwerke sind so genannte Quantenrepeater. Denn mit deren Hilfe könnte man Quanteninformation am Boden über größere Entfernungen übertragen als die derzeit möglichen 100 bis 200 Kilometer. Quantenrepeater gelten seit Jahren als der Heilige Gral der Quantenkommunikation und es gibt intensive Forschungsaktivitäten. Frank Grotelüschen schildert den aktuellen Stand.
    Der Heilige Gral der Quantenkommunikation
    Glasfasern bilden das Rückgrat des Internets. Da wäre es schon praktisch, ließen sie sich künftig auch für die abhörsichere Kommunikation mittels Quantentechnologie nutzen, sagt Tracy Northup. Die US-Physikerin arbeitet an der Universität Innsbruck: "Wir stellen uns vor, dass auch das Quanteninternet auf Glasfasern basiert. Denn dann könnten wir einfach auf große Teile der heutigen Infrastruktur zurückgreifen. Die Herausforderung dabei ist, dass wir die Signale, die wie übertragen wollen, in einem bestimmten Zustand halten müssen, einem genau definierten Quantenzustand. Und das ist mit der heutigen, der klassischen Technik nur sehr eingeschränkt möglich."

    Ist ein Quantensignal in einer Glasfaser unterwegs, verliert es allmählich an Stärke, bis es schließlich in der Faser versickert. Die maximale Reichweite: 100 bis maximal 200 Kilometer - viel zu wenig für die Kommunikation zwischen Kontinenten. Das Problem: Gewöhnliche Signalverstärker, wie sie heute etwa alle 100 Kilometer zum Einsatz kommen, funktionieren nicht: Sie zerstören die fragilen Quantensignale. Also braucht es eine neue Art von Verstärker, der mit Quanteninformation klar kommt - den Quantenrepeater. Tracy Northup: "Die ersten theoretischen Konzepte für so einen Quanten-Signalverstärker sind über 20 Jahre alt. Seitdem sind zwar viele Ideen hinzugekommen - aber realisiert wurde davon bislang noch nichts. Wir arbeiten noch dran."

    Ein Quantenrepeater funktioniert ganz anders als ein gewöhnlicher Verstärker. Er basiert auf der Verschränkung - jener von Albert Einstein postulierten spukhaften Fernwirkung, die zwei Quanten miteinander verbindet wie ein unsichtbares Band. In der Praxis könnte das etwa so aussehen: Ein Photon rast lichtschnell durch eine Glasfaser und kommt bei einem Repeater an. Dort trifft es auf einen Quantenspeicher - zum Beispiel ein Atom, eingesperrt in einer Spezialfalle. Auf dieses Atom kann das Photon seine Quanteninformation übertragen. Das Atom wird dadurch zum Quantenspeicher, sagt Prof. Dirk Englund, ein deutscher Physiker, der schon lange in den USA arbeitet, seit einiger Zeit am MIT in Boston.

    "Zum Beispiel kann man ein Photon von der linken Seite in einen Speicher tun und dann ein anderes Photon von der rechten Seite in einen anderen Speicher, und die beiden dann koppeln. Auf diese Weise kann man dann die linke und die rechte Seite von einem Netzwerk verschränken."

    Dieses Spielchen lässt sich ausweiten auf andere, benachbarte Repeater – solange, bis alle Repeater einer Leitung miteinander verschränkt sind. Dadurch lässt sich eine Quanteninformation, wie etwa ein geheimer Sicherheitscode, über tausende von Kilometern regelrecht teleportieren. Und zwar ohne große Verluste und ohne, dass jemand auf der Strecke auch nur die geringste Chance hätte, Informationen abzugreifen. So die Idee, und es gibt auch schon erste Erfolge, so Dirk Englund.
    "Vor kurzem hat eine Gruppe, die von Ronald Hanson aus Delft geleitet wird, die erste Hälfte eines Quantenrepeaters vorgestellt, indem sie zwei Elektronenspins in Diamanten verschränkt haben, über eine Distanz von 1,3 Kilometer in der Nähe von Delft. Das ist der erste große Schritt in die Richtung von einem Quanten-Netzwerk. Die nächste Herausforderung ist: Man muss die Verschränkung schneller verbreiten als der Speicher verfällt. Und da sind wir gerade ganz nah dran."
    Speicher, die eine fragile Quanteninformation lange genug halten können, und die effektiv mit Photonen interagieren – sie sind die große Herausforderung beim Bau des Quantenrepeaters. Genau daran tüfteln die Physiker überall auf der Welt – und versuchen es unter anderem mit eingesperrten Atomen, mit stickstoff-gespickten Diamanten oder mit supraleitenden Chips. Und welches Konzept dürfte das Rennen machen? Das, meint Tracy Northup, ist noch ziemlich ungewiss: "Das ist schwer zu sagen. Aber ich hoffe, dass ich in zehn Jahren wirklich überrascht sein werde, wie weit wir gekommen sind."
    Testlink Ende 2020
    Krauter: Der im Beitrag erwähnte Ronald Hanson, der mit diamantbasierten Quantenbits arbeitet, ist ein Kollege von Stephanie Wehner aus Delft. Das erklärte Ziel des Forschungsverbundes, den sie leitet, lautet: Bis 2020 ein Mini-Quanteninternet aufzubauen, dass mit Quantenrepeatern vier Städte in den Niederlanden verbindet. Aber wie optimistisch ist sie, dass das tatsächlich gelingt?
    Wehner: Also, wir arbeiten natürlich sehr hart dran, wir möchten bis im Frühling nächstes Jahr einen Testlink haben, von Delft nach Den Haag, der dann eben ausgebreitet wird, Ende 2020. Das läuft bisher ganz gut mit diesem Testlink, natürlich weiß ich noch nicht genau , was passiert, bis nächsten Frühling. Ich hoffe, dass alles weiterhin gut läuft. Das Ziel von diesem Testlink ist, manche Sachen schon auszuprobieren. Wir verwenden dafür normale Glasfaser, die man auch für das klassische Internet verwendet, darin man dann die Frequenz konvertieren. Also das Ziel von diesem Testlink ist, so manche Sachen dann schon eben auszuprobieren, als Vorbereitung für das 2020-Demonstrationsnetzwerk.
    Einfacherer Zugang wichtig
    Krauter: Wenn wir von 2020 nochmal 20 Jahre vorausblicken: Was meinen Sie, wird das dann ganz normal sein, dass wir das Quanteninternet und Services wie abhörsichere Kommunikation, die da angeboten werden, so selbstverständlich nutzen, wie heute das klassische Internet?
    Wehner: Ja, ich denke, dass das vielleicht so ist. Natürlich gibt es da sehr wichtige Entwicklungen in diese Richtung. Es ist superwichtig, dass wir da Repeater haben, dass wir auch kompliziertere Processingmodes haben. Es ist dann auch wichtig, dass man es einfacher macht, daran Zugang zu bekommen. Das ist mit dem klassischen Internet ja auch so, bei den Internetprovidern stehen auch komplizierte Geräte, die sehr viel kosten, aber bei uns zuhause steht nicht so ein großes, teures Gerät. Ich denke, dass es wichtig ist, um die Weiterverbreitung sicherzustellen, billigere Endgeräte zu entwickeln.
    Europa beim Quanteninternet gut aufgestellt
    Krauter: Wie ist Europa im internationalen Vergleich aufgestellt, beim Wettlauf um diese Zukunftstechnologie Quanteninternet?
    Wehner: Ich denke, dass Europa da sehr gut aufgestellt ist. ICH denke sogar, dass Europa auf dem Boden sicher vorne liegt. Bei den Satelliten möchte ich jetzt nicht unbedingt sagen, dass wir vorne liegen. Ich denke, da hat China im Moment die Nase vorn.
    Wenn Europa seine Ressourcen nutzt und bündelt, dann könnte es beim Aufbau eines künftigen Web Q.0 also durchaus eine maßgebliche Rolle spielen und damit einer Zukunftstechnologie seinen Stempel aufdrücken. Ob und wie das gelingt und wie schnell das Quanteninternet tatsächlich Gestalt annimmt, darüber werden wir sie hier im Deutschlandfunk natürlich weiter auf dem Laufenden halten. Ich danke fürs Zuhören, am Mikrofon war Ralf Krauter.