Dienstagabend in einer Sporthalle in Essen. Die Damenmannschaft vom TSC Eintracht Dortmund ist zu Gast beim Testspiel gegen den ETUF. Auf dem Spielfeld mittendrin ist Luc Vosseberg, verteilt im Mittelfeld den Ball, geht in die Zweikämpfe.
Luc ist 20 Jahre alt, hat kurze braune Haare und befindet sich in einer Transition, denn Luc wurde als Lea geboren. Für ihn und seine Mannschaft ist das nichts Besonderes. "Es wird auch gar nicht infrage gestellt, ob ich da irgendwie hingehöre, sondern ich bin einfach ein Teil dieser Mannschaft und werde auch genauso behandelt. Ich kann auch immer auf die Unterstützung meiner Mitspielerinnen oder meiner Trainer setzen."
Passstelle entscheidet über Spielberechtigung
Der Deutsche Hockey Bund hat 2021 sein Regelwerk angepasst. Wenn im behördlichen Personenstandseintrag nicht "männlich" oder "weiblich" steht, entscheidet die Passstelle ob die Spielberechtigung für die männliche oder weibliche Altersklasse erteilt wird. Das passiert in Absprache mit den Vereinen und in der Regel wird dem Wunsch des Spielers oder der Spielerin entsprochen. So können weiblich geborene Personen im männlichen Bereich spielen, wenn Sie sich dem zugehörig fühlen und umgekehrt.
Trotzdem gibt es natürlich schonmal Fragen, wenn Luc spielt. "Und dann gibt’s selten noch die Fälle, dass Leute mit Unverständnis reagieren. Von wegen: ja du bist doch ein Mann oder willst doch ein Mann sein, warum spielst du dann nicht bei den Männern. Dann versuche ich es auch immer zu erklären, manchmal funktioniert es und manchmal verstehen es die Leute aber trotzdem noch nicht."
Luc: "Sport sollte ein Ort sein, an dem sich alle willkommen fühlen"
In einer europaweiten Studie der Plattform Outsports wurde 2019 herausgefunden, dass insbesondere Diskriminierungen auf dem Spielfeld oder in der Umkleide dazu führen, dass queere Menschen keinen Zugang zum Sport bekommen. Im Hockey ist der Ton dagegen weniger rau, als zum Beispiel auf dem Fußballplatz, erklärt Luc. Sein Onkel hat ihn als Kind mit zum Hockey gebracht. Die Änderung in der Spielordnung sorgte dafür, dass Luc und andere trans- oder intersexuelle Personen weiter Hockey spielen können. "Ich finde, der Sport sollte ein Ort sein, an dem alle sich willkommen fühlen, alle Menschen sich zugehörig fühlen und jeder einfach Sport ausüben kann, weil das so wichtig ist und einfach niemand ausgeschlossen wird. Auch wenn die Regeln vielleicht nicht für alle Menschen passen und es sich andere vielleicht anders wünschen würden, hat man zumindest das Gefühl, dass man gesehen wird und das es nicht totgeschwiegen wird, dass es trans-Menschen gibt, die auch Sport treiben."
Das ist in anderen Sportarten nicht überall selbstverständlich. Im Fußball hat der DFB eine Anlaufstelle für sexuelle und geschlechtliche Vielfalt eingerichtet und die Regelung aus dem Hockey 2022 fast wortgenau übernommen. Im Breitensport gibt es seitdem vereinzelt auch trans- oder intersexuelle Spielerinnen und Spieler. Vom DFB heißt es, dass man sich im Sinne der Inklusion zum Beispiel auch für ein genderneutrales Stadionerlebnis einsetzen wolle. Andere Sportverbände riefen beim Deutschen Hockey Bund an, um sich auszutauschen. Im Handball und Basketball gibt es dagegen keine Regelungen für inter- oder transgeschlechtliche Menschen.
Ist die Fairness des Sports gefährdet?
Carl Stichweh spielte vor seiner Geschlechtsumwandlung auf hohem Niveau im weiblichen Bereich. Inzwischen ist er in der Herrenmannschaft beim HC Heidelberg aktiv. Er wurde damals vom Deutschen Hockey Bund beauftragt die Öffnung für queere Menschen im Hockey umzusetzen. Ursprünglich vor allem für den Kinder- und Jugendsport.
Eine wichtige Frage war dabei, ob durch die Regeleinführung die Fairness des Sports gefährdet. "Wir haben halt gesagt, ok wir sind eine Teamsportart. Wir haben auf dem Feld elf Leute stehen und man muss ja ehrlich sagen: es geht um eine sehr kleine Anzahl an Menschen, für die diese Regelung aber sehr wichtig ist. Das heißt wir können die Leute da auch großzügig auch die Leute frei entscheiden lassen. Weil das ist kein krasser Eingriff in eine Mannschaft in dem Sinne, als dass sie jetzt plötzlich alles dominiert, nur weil Menschen einen körperlichen Vorteil haben, den ja andere genauso haben."
Die Hockey-Community sei allgemein sehr offen mit dem Thema umgegangen und deshalb umso schockierter gewesen, als der englische Hockey-Verband vor kurzem trans-Frauen das Spielen im Damen-Bereich verboten hat. Weltweit seien solche Verbote vor allem in den Einzelsportarten zu beobachten.
Regel sorgt auch in Deutschland wieder für Diskussionen
Eine Debatte beobachtet Carl Stichweh aber auch im deutschen Hockey. "Da die Regel auch auf Bundesligaebene angewendet wird, wird die gerade wieder ein bisschen diskutiert. Einfach im Hinblick auf Dopingregeln und Co. Aber bei der Umsetzung der Regel gab es keinerlei Probleme, also von denen ich mitbekommen hätte."
Die Diskussionen sind ein möglicher Grund, warum der Vorstand im Deutschen Hockey Bund auf Anfrage kein Statement zum Thema abgeben wollte. Es scheint möglich, dass die Verantwortlichen in nächster Zeit bei den Regelungen für trans- und intergeschlechtlichen Menschen noch einmal genau hinschauen werden.