Ein bisschen Party, ein bisschen Seminar und viel Selbstverständigung - Tobias Herzberg, der das Queer Festival leitet, verspricht ein vielfältiges Programm:
"Es gibt ganz klassische Theaterperformances, wo jemand auf der Bühne steht und man im Publikum sitzt. Wir haben aber auch ganz neue Formate, wie zum Beispiel 'Walking:Holding'. Das ist ein Stadtspaziergang, wo man Hand in Hand mit Fremden durch Berlin-Mitte läuft. Es gibt die Frutas Aphrodisíacas, die das ganze Foyer vom Studio in das Kreuzberger Café Anal aus den Achtzigern verwandeln, wo man sinnlich und feuchtfröhlich bedient und unterhalten wird und die den Anschluss an die Westberliner Tuntenbewegung aus den Achtzigern suchen."
"Perverse und Gefährdete"
Es geht um Queerness, sexuelle Identität und um die Marginalisierung von Minderheiten. Durch das vielfältige Programm soll ein breites Publikum erreicht werden. Nur der Titel irritiert - "Pugs in Love". Tobias Herzberg erklärt:
"Pug bedeutet auf Englisch einfach nur Mops, also die Hunderasse. Und "Pugs in Love" heißt also "verliebte Möpse". Gleichzeitig ist PUG eine Abkürzung für einen Begriff, den tatsächlich niemand kennt, weil ich mir den ausgedacht habe: Perverse und Gefährdete. Das ist ein Szenebegriff für marginalisierte Personen, für all jene, die außerhalb von einer traditionellen Geschlechterordnung leben, also homo oder hetero oder bi oder Mann oder Frau … "Gefährdet" weist darauf hin, dass das immer noch nicht selbstverständlich ist, dass man nicht angegriffen wird, wenn man sich klar und deutlich außerhalb von einer Norm bewegt."
Darf man das Verbotene lieben?
Tobias Herzberg steht im Stück "Feygele" aber auch selbst auf der Bühne. Er berichtet über seine Erfahrungen als jüdischer Homosexueller.
"Mein Körper verlangt nach einem stereotypen Alpha-Male, einem Nazi-Skinhead-Türken mit großem Schwanz und dicken Eiern."
Ein klassischer Konflikt. Darf man das Verbotene lieben? Tobias Herzberg sagt: Ja.
"Die Performance, also 'Feygele', ist ursprünglich entstanden für einen Kongress, der hieß 'Desintegration'. Da ging es um zeitgenössische jüdische Positionen in Deutschland. Also wie kann man Jüdischsein eigentlich definieren - von innen heraus? Genau das ist auch der Ansatz für das ganze Queer-Weekend. Wie können wir Queerness von innen heraus definieren, ohne Zuschreibung von außen?"
"Ich hatte nie das Gefühl, dass ich mich schämen müsste"
Es geht um Selbstbestimmung - auch bei anderen Produktionen, die im Rahmen des Queer Weekends laufen. Daniel Hellmann berichtet im Stück "Traumboy" über seine Arbeit als homosexueller Call Boy.
"Ich hatte nie das Gefühl, dass ich eine Grenze überschritten hatte. Ich hatte auch nie das Gefühl, dass ich mich für irgendwas schämen müsste, was aber nicht heißt, dass es jetzt nicht sonderbar ist, öffentlich darüber zu sprechen. Mehr als die Hälfte meiner Kunden lebt in einer Beziehung mit einer Frau - also offiziell hetero."
Daniel Hellmann inszeniert sich als selbstbewusster Sexarbeiter. Für ihn war es eine freie Entscheidung sich zu prostituieren, eine Art Spiel, für das er sich verschiedene Identitäten zugelegt hat - mal gibt er sich als Italiener aus, mal als Araber. Am Ende seines Monologs spricht er das Publikum direkt an. Wie normal ist Prostitution? Wer befürwortet sie, wer lehnt sie ab? Im Idealfall entsteht ein Meinungsspektrum, das verschiedene Normen und Werte repräsentiert. Was die einen als provokant empfinden, geht für andere nicht weit genug. Tobias Herzberg plädiert für Offenheit.
"Queere Themen bedeutet, infrage zu stellen, Identitätskonstruktionen, Sexualität, sexuelle Identität, Selbstbestimmung spielt eine ganz große Rolle."
Und das soll ab heute vier Tage lang queer gefeiert, debattiert und getanzt werden. Das Theater- und Konzertprogramm ist hervorragend und auch die Diskussionen könnten spannend werden - nicht nur für queere Aktivisten.