Berichterstattung ohne Bildmaterial ist heute kaum noch möglich. Vor allem in der Aufmerksamkeitslogik der sozialen Medien findet vor allem das statt, was zu sehen ist. Umso wichtiger ist die Arbeit von Bildjournalistinnen und –journalisten. Die schlagen in Frankreich nun Alarm, weil ein geplantes Sicherheitsgesetz die Berichterstattung von Demonstrationen und anderen öffentlichen Ereignissen erschweren könnte. Das neue Gesetz sieht vor, dass die Veröffentlichung von Fotos von Sicherheitsbeamten im Einsatz, die das Ziel verfolgt, die körperliche oder seelische Unversehrtheit der Polizistinnen oder Polizisten zu verletzen, mit bis zu einem Jahr Gefängnis und einer Geldstrafe von 45.000 Euro geahndet werden kann. Medienverbände werten das als Gefahr für die Pressefreiheit.
Attacken auf Journalisten bei Protesten
Ein vergleichbares Gesetz gibt es in Deutschland zwar nicht, aber auch hier ist die Frage, wie Journalistinnen und Journalisten sicher und ungehindert von Demonstrationen berichten können und welche Rolle die Polizei dabei spielt, hochaktuell. Berichte von gewaltsamen Übergriffen auf Medienteams, unter anderem bei Veranstaltungen der so genannten "Querdenker", haben die seit Jahren geführte Diskussion in den vergangenen Monaten neu entfacht.
Nicht nur verbale und physische Attacken sind ein Problem. Immer wieder bestehen Demonstrierende darauf, dass sie nicht fotografiert werden dürfen und untermauern diese Weigerung mit dem Recht am eigenen Bild, das im Kunsturhebergesetz verankert ist. So einfach ist es aber nicht: Der entsprechende Paragraph besagt zwar, dass Fotos grundsätzlich nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder veröffentlicht werden dürfen. Unter anderem bei Demonstrationen gilt aber eine Ausnahme: Denn Fotos von "Versammlungen, Aufzügen und ähnlichen Vorgängen, an denen die dargestellten Personen teilgenommen haben", dürfen auch ohne Einwilligung der Betroffenen veröffentlicht werden.
Fotografieren bei Demos erlaubt
Dieses Recht gilt allerdings nicht uneingeschränkt. Gegenstand und Zweck des Bildes muss die Darstellung des Geschehens sein, nicht die Darstellung der Personen, die an dem Geschehen teilgenommen haben. Daher dürfen keine Großaufnahmen von einzelnen Personen ohne deren Zustimmung gemacht werden, wenn diese nicht eine besondere Funktion auf der Veranstaltung wahrnehmen oder durch ihr Verhalten besonders herausstechen. Ebenso wenig ist es erlaubt, die Bilder von der Demonstration später in einem ganz anderen Kontext zu verwenden. Wer zu einer Kundgebung geht oder bei einer Demonstration mitläuft, muss aber grundsätzlich damit rechnen, dass Bilder davon in Zeitungen, im Fernsehen und im Netz landen.
Weil das nicht allen klar ist, kommt es auf Demonstrationen immer wieder zu Konflikten. Bei manchen Teilnehmerinnen und Teilnehmern herrsche eine große Unwissenheit: "Es wird für Grundrechte demonstriert, ohne sich mit den Grundrechten nur ansatzweise auszukennen", sagte Paul Eschenhagen, Sprecher des Deutschen Journalistenverbands (DJV), dem Deutschlandfunk. Hinzu komme bei vielen Demonstrierenden ein tiefes Misstrauen gegen die Medien.
Presserat will neue Einigung mit Innenministern
Medienverbände fordern von der Polizei, die Pressefreiheit entschiedener durchzusetzen. Der DJV beobachtet, dass Polizeikräfte Journalistinnen und Journalisten immer wieder daran hindern würden zu berichten, zu fotografieren und zu filmen, oft unter Berufung auf das Recht am eigenen Bild oder das Hausrecht. DJV-Sprecher Paul Eschenhagen kennt außerdem Fälle, in denen die Polizei Kameras und Speichermedien von Journalisten beschlagnahmt hat. Er fordert, dass die Polizei Medienvertreter nicht nur vor Übergriffen schützt, sondern auch die Pressefreiheit sicherstellt, indem sie Demonstrierenden im Zweifelsfall erklärt, dass das Fotografieren bei öffentlichen Veranstaltungen erlaubt ist.
Der Deutsche Presserat hat dazu heute der Innenministerkonferenz einen Entwurf vorgelegt, wie die geltenden Verhaltensgrundsätze für die Zusammenarbeit zwischen Polizei und Medien aktualisiert werden könnten. Auf entsprechende Leitlinien hatte sich die Politik zusammen mit Medienverbänden schon 1993 geeinigt, nachdem die Berichterstattung über das Geiseldrama von Gladbeck für massive Kritik gesorgt hatte.
"Wir wollen mit diesen neuen Verhaltensgrundsätzen deutlicher machen, dass die Polizei eine Aufgabe hat, nämlich Journalisten zu schützen und es sicherzustellen, dass sie ihre Arbeit auch wirklich machen können", sagte Sascha Borowski, Sprecher des Deutschen Presserats, im Deutschlandfunk. Er vermutet, dass es bei der Polizei ein Ausbildungsdefizit gebe.
Polizei soll Berichterstattung ermöglichen
"Die Polizei unterstützt bei allen ihren Einsätzen, auch in besonders herausfordernden Situationen wie bei Geiselnahmen und Demonstrationen, die Medien bei ihrer Informationsgewinnung", heißt es in dem Entwurf, den der Presserat mit öffentlich-rechtlichen und privaten Sendern sowie Gewerkschaften abgestimmt hat. Sicherheitskonzepte sollen demnach den Schutz von Medienschaffenden gewährleisten und gleichzeitig ihre Bewegungsfreiheit garantieren.
Im Gegenzug sollen die Leitlinien aber auch sicherstellen, dass die Polizei ungehindert ihren Aufgaben nachgehen kann. "Es kann immer wieder auch passieren, dass die Berichterstattung dazu führt, dass Polizeieinsätze gefährdet werden, und das ist wiederum die Aufgabe der Journalistinnen und Journalisten, das nicht zu tun", betonte Borowski. Der Entwurf stellt aber klar, dass das auch das Filmen und Fotografieren von Polizeibeamtinnen und –beamten in der Regel zulässig ist: Bildaufnahmen durch Medienvertreter können nicht generell von vornherein untersagt werden, so Borowski.
Entscheidend für Journalistinnen und Journalisten ist, dass diese Grundsätze in der Praxis um- und durchgesetzt werden. Kamerateams, deren Ausrüstung mit Logos gekennzeichnet ist, sind als Pressevertreter deutlich erkennbar. Sie sind aber längst nicht die einzigen, die auf Demonstrationen fotografieren und filmen. Bei vielen Veranstaltungen nutzen die Teilnehmenden inzwischen ihre Smartphones, um das Geschehen ebenfalls zu dokumentieren – manchmal auch, um Journalistinnen und Journalisten einzuschüchtern. DJV-Sprecher Eschenhagen weist außerdem auf das Problem hin, dass Rechtsradikale Gegendemonstranten und Journalisten gezielt fotografieren, um diese Bilder dann online zu verbreiten, mitunter verbunden mit Drohungen.