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Quereinsteiger an der Schule
Ohne Vorbereitung ins kalte Wasser

Wegen des Lehrkräftemangels gibt es immer mehr Menschen, die aus anderen Berufen ins Klassenzimmer wechseln. Zuletzt hagelte es jedoch Kritik an der Art und Weise, wie die Bundesländer diese neuen Lehrkräfte auf den Unterricht vorbereiten.

Von Thomas Samboll |
Männer und Frauen in einem Seminarraum in Berlin. Studiert haben sie alle nicht auf Lehramt, sondern etwas anderes. Über einen Quereinstieg gelangten sie in den Schuldienst und qualifizieren sich nun parallel weiter.
In berufsbegleitenden Kursen sollen die Neu-Lehrenden dauerhaft fit gemacht werden für den Schulalltag (picture alliance/dpa/Wolfgang Kumm)
Götz Zuber-Goos ist Theatermensch mit Leib und Seele. Er war Dramaturg, hat Regie geführt und Workshops veranstaltet. Dann hat er die Bühne gewechselt – und ist Lehrer geworden. In seiner neuen Rolle gibt er nun Theaterunterricht an einem Hamburger Gymnasium.
"Eine achte Klasse ist Stühle werfen manchmal, gerade beim Theaterunterricht halt so. Und du brauchst da Nerven aus Stahl. Und Ruhe. Was natürlich nicht jeder schafft. Und ich auch nicht immer geschafft habe und so leider auch mal laut geworden bin oder richtig laut."
Götz Zuber-Goos hat als Seiteneinsteiger weder Pädagogik studiert noch ein Referendariat absolviert. Die ganzen Tricks und Techniken der Wissensvermittlung, die klassische Lehrkräfte an der Uni und im Vorbereitungsdienst lernen, waren ihm fremd.
Deshalb fiel ihm sein Rollenwechsel auch nicht leicht: "Wie steuert man eine Unterrichtsstunde? Wie ist es mit Ergebnissicherung? Diese Sachen. Das ist quasi autodidaktisch." Also letztlich: viel nachfragen, viel ausprobieren, auch scheitern."
Qualifizierung definiert jedes Land selbst
Und Götz Zuber-Goos ist kein Einzelfall. Quer- und Seiteneinsteiger müssen oft ohne große Vorbereitung ins kalte Wasser springen und eine Klasse unterrichten. In NRW ist es zum Beispiel schon nach wenigen Tagen soweit, in Sachsen immerhin erst nach einigen Monaten. In berufsbegleitenden Kursen sollen die Neu-Lehrenden dann dauerhaft fit gemacht werden für den Schulalltag.
All das ist jedoch nicht genug, meint der Erziehungswissenschaftler Dirk Richter von der Uni Potsdam: "Es ist nicht das, was für eine gute Lehrerausbildung erforderlich ist. Es reicht also nicht aus, wenn jedes Land selbst definiert, wie ihre Quer- und Seiteneinsteiger-Qualifizierung aussehen soll und welcher Mindestvorgaben es hier bedarf."
Und der Bildungsforscher Dirk Zorn von der Bertelsmann-Stiftung ergänzt: "Dass es hier nach wie vor keine verbindlichen Standards gibt, auf die sich alle Bundesländer geeinigt haben, das ist in der Tat ein Skandal!"
"Verrat an den Lernchancen der Kinder"
Ganz speziell regt sich Dirk Zorn über die Situation in Berlin auf: Über Zweidrittel der neuen Grundschullehrer sind dort Quer- und Seiteneinsteiger. Und die werden dann einer aktuellen Studie zufolge vor allem in sogenannten "Problembezirken" eingesetzt.
"Dabei bräuchten natürlich gerade die Kinder an Brennpunktschulen die erfahrensten und besten Lehrkräfte! Das stellt in der Tat einen Verrat an den Lernchancen dieser Kinder da!"
Ob das wirklich so ist, müsste allerdings noch genauer untersucht werden. Beweise dafür, dass die Noten von Schülern in Quer- und Seiteneinsteiger-Klassen schlechter werden, gibt es bislang nicht. Dirk Richter würde gern mehr darüber wissen.
Aber: "In den Ländern ist das Interesse an der Forschung zu diesem Thema sehr begrenzt, da dieses Thema politisch doch sehr brisant ist und entsprechende Erkenntnisse, negative Ergebnisse in diesem Bereich natürlich auch politisch eine Nachwirkung nach sich ziehen."
Qualität der Ausbildung nach bundeseinheitlichen Standards sichern
Inzwischen sei der Lehrkräftebedarf in manchen Regionen allerdings so groß, dass die Anforderungen an die Bewerber immer kleiner werden, kritisiert der Erziehungswissenschaftler der Uni Potsdam.
"Das heißt, auch Personen, die beispielsweise Lebensmittelchemie studiert haben, könnten so in die Schule kommen und ein Unterrichtsfach unterrichten, einfach weil es an Personen fehlt, die das tun. Aus der Praxis wissen wir von Beispielen, dass auch Personen, die nur eine Lehre absolviert haben, in der Schule tätig sind und dort beispielsweise als Aushilfslehrer arbeiten. Das sollte aus meiner Sicht möglichst vermieden werden!"
Stattdessen sollten Quer- und Seiteneinsteiger nach bundeseinheitlichen Standards an den Unis vorbereitet und weiterqualifiziert werden, um die Qualität der Ausbildung zu sichern. Meint Dirk Richter. Denn eines ist sicher: Ohne Pädagogen wie Götz Zuber-Goos und Co. würde an vielen Schulen schon lange nichts mehr laufen.
Weniger Geld, weniger Akzeptanz
Dafür nimmt der 55-Jährige übrigens auch einiges in Kauf: Als Angestellter verdient er weniger als seine Beamten-Kollegen.
Und: "Natürlich gab es Kollegen, ich denke da an einen an einer anderen Schule, der guckt mich, wie man so sagt, nicht mit dem Hintern an. Warum? Ich mache da keine Konfliktforschung. Ich habe genug zu tun. Aber mir hat einmal ein Schüler gesagt: Was wollen Sie überhaupt? Sie sind ja gar kein richtiger Lehrer!"