Philipp May: Nein, sie habe keinen Parteiausschluss von Hans-Georg Maaßen gefordert, sah sich Annegret Kramp-Karrenbauer genötigt klarzustellen, nachdem sie auf eine entsprechende Frage der Kollegen der Funke-Mediengruppe Folgendes geantwortet hatte: "Es gibt aus gutem Grund hohe Hürden, jemanden aus der Partei auszuschließen, aber ich sehe bei Herrn Maaßen keine Haltung, die ihn mit der CDU noch wirklich verbindet." Dieses eindeutig uneindeutige Zitat hat für viel Wirbel und für viel Kritik gesorgt an Annegret Kramp-Karrenbauer über den Umgang mit Kritik von den Flügeln im Grenzbereich zur AfD. Schließlich sehen gerade in den neuen Bundesländern Hans-Georg Maaßen viele als Wahlkämpfer für die CDU.
Das nächste Fettnäpfchen in der Außendarstellung der CDU-Chefin – darüber rede ich jetzt mit dem Chef der Jungen Union, Tilman Kuban. Er ist jetzt am Telefon. Schönen guten Morgen!
Tilman Kuban: Guten Morgen, Herr May.
May: Sind Sie zufrieden mit Ihrer Parteiführung gerade?
Kuban: Auf jeden Fall hätten die letzten Tage etwas besser laufen können. Sie macht als Verteidigungsministerin einen guten Job, hat gute Debatten angestoßen. Die Frage des Zwei-Prozent-Ziels unterstütze ich sehr. Auch jetzt die Initiative zu sagen, wir wollen, dass die Soldaten in Zukunft kostenfrei Bahn fahren können. Da hat sie gute Akzente gesetzt. Was das Interview angeht und die Diskussion um Herrn Maaßen, hätten wir uns sicherlich für die Wahlkämpfer in Sachsen und auch in Brandenburg mehr Rückendeckung gewünscht.
May: Ich habe jetzt nicht nach der Verteidigungsministerin gefragt, sondern ich habe ganz konkret nach der Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer gefragt. Sind Sie zufrieden mit ihrer Leistung als Parteichefin?
"Das ist nicht meine Ansicht"
Kuban: Wenn wir jetzt über die letzte Woche reden, die Sie ja angesprochen haben, da hätte ich in der Tat mir gewünscht, dass wir in Sachsen und in Brandenburg auf den Plätzen stehen und dort für Erfolge sorgen, und nicht zwingend Eigentore aus Berlin erwartet.
May: Ein Eigentor war es schon? Sie haben das Interview auch so verstanden, als Sie es zum ersten Mal gelesen haben, dass sie zumindest einen Parteiausschluss von Hans-Georg Maaßen nicht ausschließt?
Kuban: Sie hat auf jeden Fall in die Richtung argumentiert zu sagen, dass man unliebsame Meinungen in der Partei vielleicht nicht so gerne sehen würde, und das ist nicht meine Ansicht, wie wir in einer Volkspartei miteinander umgehen sollten. Wir sind eine Volkspartei und wir wollen es auch in Zukunft bleiben, und da gibt es nun mal unterschiedliche Strömungen in der CDU, die Menschen, die sagen, okay, wir sind christlich-sozial, diejenigen, die sagen, wir sind wirtschaftsliberal, und vielleicht diejenigen, die sagen, wir sind konservativ. Und genau diese Bandbreite hat uns immer stark gemacht und die sollten wir auch in Zukunft abdecken.
May: Annegret Kramp-Karrenbauer hat ja noch mehr gesagt als dieses eine Zitat, das ich schon vorgelesen habe. Ich würde das auch noch mal ganz kurz ein bisschen zusammenfassen. Sie hat gesagt, sie sei froh, dass Herr Maaßen keine Verantwortung mehr für den deutschen Verfassungsschutz habe. Die CDU hält es aus, wenn unterschiedliche Meinungen geäußert werden. Das geht ja in Ihre Richtung. "Aber die CDU ist auch eine Partei, die von einer gemeinsamen bürgerlich-konservativen Haltung getragen wird. Eine Politik unter dem Deckmantel der CDU zu machen, die den politischen Gegner vor allem in den eigenen Reihen sieht, wird dieser Haltung nicht gerecht." Das hat sie gesagt in Bezug zu Hans-Georg Maaßen. Finden Sie, dass Annegret Kramp-Karrenbauer damit inhaltlich recht hat?
Kuban: Aus meiner Sicht liegt der Fehler darin, dass wir viele Debatten in den letzten Wochen häufig auch gerne personalisiert haben. Wenn ich zum Beispiel an den Vorstoß von Carsten Linnemann denke, der ja nun eine Debatte angestoßen hat und wo dann auch Leute in der eigenen Partei direkt auf ihn draufgesprungen sind, dann liegt der Fehler in der Frage der Debattenkultur und nicht zwingend darin, ob jetzt jemand einer Strömung angehört. Deswegen: Dieser Vorstoß gegen die Werteunion ist auf beiden Seiten beruhend. Mit Union der Mitte und der Werteunion haben wir uns in den letzten Wochen in Fragen der Debattenkultur nicht mit Ruhm bekleckert.
"Maaßen ist sicherlich streitbar"
May: Aber sie hat das jetzt ganz konkret auf Hans-Georg Maaßen geäußert, dieses Zitat, das ich gerade vorgelesen habe. Finden Sie, dass Annegret Kramp-Karrenbauer damit recht hat?
Kuban: Ich persönlich sehe bei Herrn Dr. Maaßen nicht, dass er nicht auf den Werten der CDU fußt. Er ist jemand, der sicherlich streitbar ist, der auch manchmal unbequeme Meinungen und Themen auf die Agenda bringt. Aber er ist jemand, der auf den Werten des Grundgesetzes agiert, und er ist jemand, der auch auf den Werten der CDU agiert. Von daher sehe ich das ein bisschen anders.
May: Hans-Georg Maaßen hat sich am Wochenende auch noch mal zu Wort gemeldet mit einem Interview in der "Welt am Sonntag". Da hat er gesagt, dass viele zu ihm kämen, um ihm zu sagen, Maaßen spreche das aus, was sie selbst dächten, sich aber nicht trauen zu sagen. Können Sie das bestätigen in der CDU? Ist das da so?
Kuban: In der CDU kann jeder sagen was er denkt, und das sollten wir auch gerade bei der Frage der Debattenkultur, die ich gerade angesprochen habe, in Zukunft so beibehalten. Ich sehe das nicht so. Ich persönlich habe immer meine Meinung geäußert, werde das auch in Zukunft tun, und unabhängig davon, wie Herr Maaßen agiert.
May: Ich frage Sie das, weil Sie sich ja nach Ihrer Wahl zum JU-Vorsitzenden im Frühjahr ganz ähnlich geäußert haben. Da haben Sie auch in der "Welt" gesagt: "In den letzten Jahren haben sich viele in der CDU nicht mehr wohl gefühlt, weil wir bei unserer Ausrichtung eine Gleichschaltung erlebt haben." Das haben Sie in der "Welt" gesagt. Für das Wort "Gleichschaltung" wurden Sie danach kritisiert, auch in der Partei, haben sich dann aber auch dafür entschuldigt. Aber der Kern der Kritik ist ja im Prinzip der gleiche wie bei Maaßen: Man darf nicht mehr das sagen, was man möchte, wenn man eine andere Ausrichtung haben möchte.
Kuban: Wir haben Situationen erlebt, wo Aussagen gefallen sind wie "Ich kann Dein Gesicht oder Deine Fresse nicht mehr sehen", und da sind natürlich Dinge gelaufen, wo man auch stark personalisiert hat.
May: Das war der ehemalige Generalsekretär Peter Tauber, damals zu Wolfgang Bosbach, glaube ich, Innenexperte der Union. Richtig?
Kuban: Genau. Und da ist natürlich die Frage, wie wir miteinander umgehen. Man muss auch in kritischen Situationen, auch in schwierigen Zeiten eine Debattenkultur wahren, und die wünsche ich mir auch, dass wir um den besten Kurs ringen, und das ist in einer Volkspartei sicherlich schwieriger als in einer Klientelpartei. Aber das sollten wir wieder lernen, dass wir diese Volkspartei auch leben.
May: Was darf beziehungsweise durfte man zum Beispiel nicht mehr sagen? Welche Meinung durfte man nicht mehr vertreten in der CDU?
Kuban: Es ist nicht die Frage, ob man eine Meinung nicht mehr äußern darf. Es ist die Frage, wie mit einem umgegangen wird, wenn man eine Meinung äußert.
May: Gut! Aber das ist ja ähnlich. Wie wurde mit einem umgegangen, wenn man welche Meinung geäußert hat?
Kuban: Dass dann natürlich Leute auf einen eingestürzt sind und erklärt haben, dass jetzt das eine oder andere parteischädigend wäre, wie wir es jetzt auch beispielsweise erleben. Das ist nicht die Art und Weise des Umgangs, wie ich sie mir wünsche, sondern dass ich mir wünsche, dass wir miteinander diskutieren und dass man das auch aushalten kann, wenn jemand andere Meinungen vertritt.
May: Annegret Kramp-Karrenbauer wollte ja die unterschiedlicrhen Flügel miteinander versöhnen. Haben Sie das Gefühl, sie hat das bisher geschafft?
Kuban: Sie hat am Anfang sehr, sehr starke Signale gesendet, beispielsweise auch mit dem Werkstattgespräch zum Thema Migration, und genau daran sollten wir jetzt anknüpfen, dass wir diese Einigkeit in der Partei deutlich stärker jetzt wieder auch vorantreiben. Das ist aber eine Aufgabe, die nicht nur Annegret Kramp-Karrenbauer betrifft, sondern das ist eine Aufgabe, die die gesamte Führung der CDU betrifft, und da schließe ich die Junge Union mit ein.
May: Sagt Tilman Kuban, Chef der Jungen Union, gewählt seit März diesen Jahres. Vielen Dank für das Gespräch. Einen Nachtrag muss ich noch sagen. Das Zitat, das Tilman Kuban gerade eben genannt hat, das war nicht Peter Tauber, sondern das war Ronald Pofalla, der das damals zu Wolfgang Bosbach gesagt hat. Soviel Zeit muss sein, wir wollen ja korrekt bleiben.
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