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Rabbinergattin
Die Rebbetzin - "mehr als alle Perlen ist ihr Wert"

Sie ist die Frau des Rabbiners. Wirklich nur die Frau von …? Eine symbiotische Beziehung sollte es sein, sagt Noemi Berger, die dienstälteste Rebbetzin Deutschlands. Die Frau des Rabbiners soll gebildet sein, gastfreundlich, kommunikativ. Sie soll Ehen stiften und sich sozial engagieren. So sehen die traditionellen Erwartungen aus. Doch junge Frauen fremdeln mit dieser Rolle. Ein spezielles Programm namens "Eschet Chayil" ("wackere Frau") bereitet sie auf das Leben als Rebbetzin vor.

Von Tobias Kühn |
    Rebbetzin Berger - einmal mit Tochter Margalit und Enkelin Emma
    Rebbetzin Berger mit Tochter Margalit und Enkelin Emma (Thomas Hörner)
    "Das Rebbetzin - das ist für mich ein altes Wort einer vergangenen Zeit: die Rabbinerehefrau. Ich stelle mir da einen orthodoxen Rabbiner vor, und der hat eine Frau - meistens gutaussehend, sehr gut gekleidet, mit Hütchen, eine Frau mit Statur, die aus einer anderen Perspektive, von der Frauengalerie aus, die ganze Gemeinde im Blick hat, durchaus resolut sein kann und ihm da von hinten den Rücken stärkt. Das stelle ich mir unter einer Rebbetzin vor. Das ist ein Frauenbild aus einer alten Zeit."
    Elisa Klapheck, liberale Rabbinerin, Frankfurt am Main.
    "Wie sollte eine Rebbetzin sein? Also, ich denke, in allererster Linie eine gebildete Frau. Sie sollte eine freundliche, offenherzige Person sein, zu der man schnell Vertrauen fasst. Es sollte von ihr bekannt sein, dass sie zuhört und gerne zuhört, dass sie sich sozial engagiert von Jung bis Alt und dass sie ihrem Mann den Rücken stärkt und immer da ist, damit er seinen vielfältigen Aufgaben nachkommen kann. Aber vor allem sollte eine Rebbetzin ein Stück vom Rebbe sein. Und der Rebbe, der Rabbiner, ein Stück von der Frau. Es sollte eine Symbiose sein, wo man sagt: Ich kann mir diesen Rabbiner ohne diese Frau nicht vorstellen - und umgekehrt."
    Noemi Berger, Rebbetzin, Stuttgart
    Noemi Berger gilt als dienstälteste Rebbetzin Deutschlands. Seit 45 Jahren ist sie mit ihrem Mann Joël verheiratet, dem früheren Landesrabbiner von Württemberg. Schon vor ihrer Hochzeit wusste Noemi Berger, was als Rebbetzin von ihr erwartet wird.
    "Das wurde mir fast in die Wiege gelegt. Ich musste da nicht irgendwelche Schulungen machen. Ich stamme aus einer berühmten Rabbinerfamilie. Und nicht nur das - ich habe immer in der Nähe von Rabbinern und Rebbetzins gewohnt. Als ich in London studiert habe, war ich bei einer Cousine meines Vaters. Der Mann von ihr war ein sehr berühmter Rabbiner. Von ihr habe ich sehr viel gelernt, was eine Rebbetzin macht, was ihre Aufgaben sind. Und dann habe ich gewohnt bei einer anderen Cousine, deren Mann ein chassidischer Rabbiner war. Sie war so eine Rebbetzin, eine ganz herzliche, warme! Dort habe ich auch sehr viel gelernt."
    Früher war es häufig so, dass die Tochter eines Rabbiners einen Rabbinatsstudenten heiratete. Manchmal war er der Schüler ihres Vaters. Heute jedoch ist vielen jungen Rabbinerfrauen ihre Rolle neu und zum Teil auch fremd. Das orthodoxe Rabbinerseminar zu Berlin hat deshalb vor einigen Jahren ein Programm ins Leben gerufen, das jungen Rebbetzins vermitteln soll, was von ihnen erwartet wird. Sara Rivka Dray leitet das Programm zurzeit. Sie ist 36, wurde in Mexiko geboren und wuchs in Israel und in England auf. Ihr Mann amtiert als Rabbiner in Amberg.
    "Das Programm ist für junge und üblicherweise unerfahrene Rebbetzins. Deren Ehemänner sind junge Rabbiner, sie wurden am Rabbinerseminar oder irgendwo anders ausgebildet und haben eine Stelle bekommen. Die Frauen gehen nun mit ihren Ehemännern mit. Anders als in anderen Berufen, wenn der Mann Rechtsanwalt ist oder Arzt, ist die Frau eines Rabbiners Rebbetzin. Selbst wenn sie einen anderen Job hat, ist sie dennoch Rebbetzin. Sie ist automatisch Vorbild, spirituelle Führungsfigur, Vertrauensperson. Die Leute wenden sich an sie, und oft erwarten der Vorstand oder die Mitglieder der Gemeinde von ihr, dass sie Veranstaltungen für Jugendliche organisiert, Seminare hält und andere Aktivitäten auf die Beine stellt wie das Backen der Schabbatbrote vor den Feiertagen."
    Mehr als 20 Frauen im Alter zwischen 23 und 38 Jahren nehmen inzwischen an dem sogenannten Eschet-Chayil-Programm teil. "Eschet Chayil" heißt auf Deutsch so viel wie "wackere, tapfere Frau". Der Begriff steht seit Jahrhunderten als Vorbild für die Rebbetzin. Er geht zurück auf ein Lied aus den biblischen Sprüchen Salomos. Orthodoxe jüdische Ehemänner singen oder sprechen es jeden Freitagabend am festlichen Schabbattisch, bevor die Familie mit dem Abendessen beginnt. Damit würdigt der Mann seine Frau.
    "Eine wackere Frau, wer findet sie?/ Sie ist wertvoller als Perlen./ Auf sie vertraut des Gatten Herz. / (…) Sie tut ihm Liebes und kein Leid,/ all ihres Lebens Tage./ Sie sorgt für Wolle und für Flachs (…),/ von Ferne bringt sie Nahrung./ Aufsteht sie, wenn’s noch Nacht,/ gibt Speise ihrem Haus./ (…) Sie gürtet sich mit Kraft die Lenden/ und festigt ihre Arme./ Sie ist bedacht, dass gut ihr Handel/ und nicht erlischt des Nachts ihr Licht./ (…) Die Hand reicht sie dem Armen hin,/ die Hände streckt sie aus dem Elenden./ Gekannt ist in den Toren ihr Gemahl/ dort mit des Landes Ältesten er sitzt./ Sie fertigt Hemden und verkauft sie/ und Gürtel gibt sie an den Krämer./ Macht ist und Hoheit ihr Gewand/ sie lacht des späten Tages./ Den Mund tut sie mit Weisheit auf, / der Liebe Weisung ist auf ihrer Zunge./ Zu ihrem Haus schaut aus die Karawane;/ das Brot der Trägheit isst sie nicht./ Steh‘n ihre Söhne auf, so preist man sie;/ ihr Gatte, rühmt man sie./ (…) Eine Frau, die den Ewigen fürchtet, wird gerühmt./ Man preise in den Toren ihre Werke."
    In gewisser Weise kannte man Rebbetzinnen schon in der Antike. Im Talmud, einem der bedeutendsten Schriftwerke des Judentums, werden nur wenige Frauen zitiert - größtenteils sind es die Ehefrauen von Rabbinen. Sie waren klug, vertraten mitunter andere Meinungen als ihre Männer - und hielten damit nicht hinterm Berg. Sie entsprachen durchaus dem Bild der Eschet Chayil: Sie waren wackere, tapfere Frauen im biblischen Sinne.
    Die liberale Rabbinerin Elisa Klapheck sieht sich selbst auch als Eschet Chayil. In dem Begriff, sagt Klapheck, stecke viel drin, was Frauen Kraft geben kann.
    Elisa Klapheck
    Elisa Klapheck (Rafael Herlich)
    "Die Eschet Chayil zeigt, dass im Judentum die starke Frau immer schon gewünscht war und als ein eigener Wert gesehen wird, also dass eben nicht das Mauerblümchen gewünscht ist, das nur tut, was der Ehemann will und sich dem Ehemann unterordnet, sondern wirklich ihre eigene Rolle erkennt. Nun ist es in der Eschet Chayil so, in dem Bild, dass diese Frau berufstätig ist: Die verdient ihr eigenes Geld. Und deswegen sehe ich sie gerade nicht nur als Ehefrau. Das auch, als Partnerin – aber eine, die es schafft, Beruf und Familie unter einen Hut zu kriegen und ihren Mann zu stärken. Also, die Eschet Chayil ist mehr als die Rabbinerehefrau. Aber es ist schön, wenn im orthodoxen Judentum die Rabbinerehefrau in ihrer Eigenständigkeit gesehen wird."
    Viele Rebbetzins heute sind ausgebildete Lehrerinnen oder Sozialarbeiterinnen. Andere haben Psychologie, Jura, Philosophie oder Judaistik studiert. Doch die meisten verzichten auf eine eigene Karriere, um ihren Mann und die Gemeinde zu unterstützen. Sie sind allenfalls stundenweise berufstätig. Rebbetzin zu sein, lässt wenig Platz für andere Dinge. Für Noemi Berger ist es ein Fulltime-Job – und noch viel mehr als das: eine Berufung.
    "Ich denke schon, dass man immer da sein muss für die Gemeinde. Eine Berufung fängt ja nicht um acht Uhr morgens an und endet um 17 oder 18 Uhr - sondern eine Berufung ist eben ein Teil des Menschen, des Charakters, des Wesens."
    Doch nicht alle sind dazu bereit, ihren Beruf an den Nagel zu hängen, nur weil sie einen Rabbiner geheiratet haben. Und mancher Frau gelingt es einfach nicht, sich in die Rolle der Rebbetzin hineinzufinden.
    Die amerikanische Autorin Silvia Tennenbaum war selbst viele Jahre lang mit einem Rabbiner verheiratet. Ihr autobiografisch gefärbter Roman "Rachel, die Frau des Rabbis" wurde Ende der 70er-Jahre in den USA ein Bestseller. Tennenbaum beschreibt in ihrem Roman, wie die Malerin Rachel Sonnshein darunter leidet, Rebbetzin zu sein.
    "Ihr Leben drehte sich nicht um Kunst. Sie war Ehefrau geworden, Rebbetzin und Mutter. Es ließ sich nicht mehr rückgängig machen. Wen kümmerte es, dass sie Talent hatte? Talent hatten viele. Es braucht mehr als Talent, um eine Künstlerin zu sein. Aber eines Tages - wann genau, konnte sie nicht sagen - hatte sie ihre Malerei betrachtet und entschieden, dass sie einen besseren Platz in ihrem Leben verdiente. Vielleicht ließ sich das Leben, das sie gewählt hatte, ja doch noch rückgängig machen. Wenn sie einmal als Achtzigjährige zurückblicken würde, wollte sie nicht nur das Vergängliche einer lebenslangen hingebungsvollen Dienstbarkeit sehen."
    Dass Rachel anfängt, wieder als Künstlerin zu arbeiten, passt nicht ins Bild, das die Gemeinde von einer Rebbetzin hat. Und es führt zunehmend zu Spannungen zwischen ihr und ihrem Mann, der sich alleingelassen fühlt.
    "Ich bedeute dir wohl gar nichts. Was aus meinem Berufsleben, meinem Lebensunterhalt wird, ist dir völlig egal, du willst nur deinem Traum nachjagen."
    "Was soll ich denn noch alles für dich tun?"
    "Alles Mögliche, aber zuallererst könntest du dich um die Leute kümmern (…). Versuch, (…) eine Rebbetzin zu sein, ich meine eine richtige. Lade Leute nach Hause ein, mach, dass sie sich willkommen fühlen."
    Gäste zu bewirten, zählt zu den wichtigsten Aufgaben der Rebbetzin. Gastfreundschaft gilt im Judentum generell als großer Wert: Jeder sollte Gäste empfangen - vor allem am Schabbat. Fremde oder Einsame einzuladen und zu bewirten, ist nicht nur Aufgabe des Rabbiners und der Rebbetzin. Aber vor allem von ihnen wird erwartet, dass sie ein offenes Haus führen - ein Haus, in dem Fremde jederzeit willkommen sind.
    "Willst dich gerade niederlegen, es läutet an der Tür, steht jemand da, der gerade ein Problem hat, oder wie auch immer. Es ist Mittagessenszeit oder Abendessenszeit, dann isst man zusammen. Die Rebbetzin muss immer damit rechnen, dass ihr Mann Gäste mitbringt. Also, es sollte immer für zwei oder drei noch mit gedeckt sein. Wir haben dadurch sehr, sehr viele Leute kennenlernen dürfen. Das macht besondere Freude."
    Noemi Berger ist in ihrer Gemeinde und darüber hinaus als gute Köchin bekannt. Sie hat sogar ein Kochbuch geschrieben. Es heißt "Das koschere Kochbuch. Rebbetzin Noemi Berger bittet zu Tisch".
    Nicht jede Rebbetzin ist von Natur aus eine gute Gastgeberin. Vor allem jüngere Frauen sind in den ersten Jahren ihrer Ehe oft aufgeregt und haben Zweifel: Werde ich meiner Rolle als Gastgeberin gerecht? Sara Rivka Dray erzählt: Vor kurzem im Trainingsprogramm für junge Rabbinerfrauen habe eine erfahrene Rebbetzin den jungen Kolleginnen Tipps gegeben.
    "Sie sagte zu uns: Nicht jeder kocht gern ein Gourmet-Mahl oder kann es überhaupt. Aber wenn ihr bestimmte Rezepte habt und sie ausprobiert, die kommen gut an. Die Leute warten auf solche Gerichte. Sie sollten immer schön aussehen, man sollte sie vorzeigen können. Wie gesagt, es müssen keine Feinschmeckergerichte sein, aber es sollte eine angenehme Atmosphäre herrschen."
    An der Tafel des Rabbiners zu sitzen, ist für viele eine Ehre. Manchmal, vor allem bei größeren Gesellschaften, stehen der Rabbi und die Rebbetzin vor der delikaten Frage: Wen laden wir ein? Wer passt zu wem? Wie stellt man eine ausgewogene Tischgesellschaft zusammen, ohne dass sich jemand aus der Gemeinde ausgeschlossen fühlt?
    Es gibt Gemeindemitglieder, die die Einladung nutzen, um die besondere Aufmerksamkeit des Rabbiners zu erheischen. Manchen Frauen erscheint es deshalb ratsam, sich in der Nähe der Rebbetzin zu platzieren. Elisa Klapheck, die liberale Rabbinerin aus Frankfurt, erinnert sich, dass sie in ihrer Jugend genau so vorgegangen ist.
    "Die Male, die ich eingeladen war, habe ich versucht, wenn das ging, neben der Rebbetzin zu sitzen. Das war vielleicht das nächste, wie man an den Rabbiner kommen konnte. Erst heute im Nachhinein stelle ich fest, dass ich das gemacht habe. Vielleicht habe ich das auch ein bisschen so berechnet, weil der Rabbiner ja dann öfter mal an dem Abend zu ihr hinübergucken könnte, also, was jetzt dran ist: erster Gang, zweiter Gang, dritter Gang des Essens, was so los ist. Und dann würde er ja mich neben ihr sehen - würde also sehen: Ich bin eine aufmerksame Schülerin oder ein aufmerksamer Gast am Tisch, mich interessiert das sehr, ich möchte da nahe dran sein. Das konnte ich auf diese Art und Weise zu verstehen geben. Ist auch verstanden worden."
    Vor allem für Frauen führt der Weg zum Rabbiner oft über die Rebbetzin. Sie ist eine Art Botin. Manchmal kommen Gemeindemitglieder zur Rebbetzin, weil sie sich nicht trauen, den Rabbiner, die Respektsperson, direkt anzusprechen. Sie versuchen es lieber über seine Frau. Häufig haben sie eine spezielle Frage zur Halacha, dem Religionsgesetz. Sara Rivka Dray hält diese Vorgehensweise durchaus für nützlich.
    "Erst vergangene Woche kam in meiner Gemeinde eine Frau auf mich zu, weil sie eine bestimmte Frage hatte. Es ging ums Beerdigen. Offenbar fühlte sie sich nicht wohl bei dem Gedanken, meinen Mann zu fragen. Also sagte ich zu ihr: 'Ich werde meinen Mann fragen und sage Ihnen dann Bescheid.' Es war dann so, dass er auf sie zuging und ihr alles erklärte, was sie wissen wollte. Und sie war sehr glücklich darüber. Aber es war einfacher, dass der erste Kontakt über mich lief."
    Zu ihrer Rolle als Vermittlerin gehört für manche Rebbetzin auch das Arrangieren von Ehen. Das ist durchaus keine leichte Aufgabe. Sie erfordert Fingerspitzengefühl und Menschenkenntnis. Das Eschet-Chayil-Netzwerk bereitet zurzeit ein Programm vor, um Rebbetzinnen darin auszubilden. Es stecke noch in den Kinderschuhen, sagt Sara Rivka Dray. Doch schon jetzt gelinge es dem Netzwerk, junge Menschen aus verschiedenen Gemeinden zusammenzubringen.
    "Das Netzwerk, das wir haben, hilft wirklich. Wir stehen in Kontakt mit anderen Frauen, und da fragt man einander: 'Ich habe da ein Mädchen in diesem oder jenem Alter. Sie sucht einen Mann in ihrem Alter. Sie hat den und den Beruf oder sie hat studiert, ihr Charakter ist … und so weiter" – das Netzwerk hilft dabei. Und dann treffen sich die beiden. Und sie entscheiden. Das liegt dann nicht mehr in unserer Hand. Wir tun das, um ihnen zu helfen, dorthin zu gelangen."
    Eine Heirat zu vermitteln, ist allerdings nicht jedermanns Sache. Manche, wie Noemi Berger, lassen lieber die Finger davon. Zu heikel das Ganze. Von der Wichtigkeit dieser Aufgabe ist aber auch Noemi Berger überzeugt.
    "Das ist im Judentum ein Gebot, junge Leute zusammenzubringen. Es ist nicht die Aufgabe unbedingt der Rebbetzin, es ist Aufgabe jedes Juden, jeder Jüdin, Leute zusammenzubringen. Aber meistens macht es der Rabbiner oder die Rebbetzin - in unserem Falle mein Mann, der ist ein großer Schadchen. Nicht, dass es unbedingt gut geht, aber er gibt sich Mühe. Aber das ist für ihn so wichtig, diese jungen Leute zusammenzubringen! Ich bin da schon eher ein sehr vorsichtiger Mensch, und ich denk mir: Wenn das schief geht, ich möchte nicht schuld daran sein. Also lieber fass ich das nicht an. Es gibt heute so viele, die sich damit beschäftigen, das muss also nicht die Rebbetzin sein."
    Manchmal gelingt das Ehestiften aber auch von ganz allein. Nämlich dann, wenn der Rabbiner und die Rebbetzin der Gemeinde eine gute Ehe vorleben. Elisa Klapheck, die nicht mit einer Rebbetzin, sondern mit einem Rebbetzer verheiratet ist, meint: Es habe einen sehr entscheidenden Einfluss, was das Rabbinerpaar für eine Figur abgibt.
    "Ich glaube, wenn ein Rabbinerpaar attraktiv ist, ist das ehestiftend – gerade heute, wenn‘s moderne Paare sind, die Spaß machen anzusehen, gerade weil Religion auch eine schwierige Sache geworden ist. Wenn man sieht, aha, der Rabbiner hat eine attraktive Ehefrau, die Rabbinerin hat einen attraktiven Ehemann, und zwischen denen funkt‘s, da sind interessante religiöse Gespräche, die meinen das ernst. Das ist, glaub ich, vielleicht nicht ehestiftend, aber partnerstiftend."
    Immer im Zentrum der Gemeinde stehen und Vorbild sein müssen – das ist mitunter anstrengend, auch für die Kinder des Rabbinerpaares. Sie sind das Aushängeschild der Rabbinerfamilie. Wie sie sich benehmen und wie sie erzogen werden, wird von der Gemeinde genau beobachtet. Schließlich gilt die Rebbetzin auch als Erziehungsexpertin. An sie wenden sich die Gemeindemitglieder, wenn sie Probleme mit den eigenen Kindern haben. Noemi Berger erinnert sich daran. Ihr Sohn und ihre Tochter hatten es manchmal nicht leicht als Kinder.
    "Bei uns war das auch so, dass natürlich der Fokus der Gemeindemitglieder auf den Kindern lag: Immer sich gut benehmen, sag immer schön Guten Tag und Danke und Auf Wiedersehen. Ich denke, dass das für die Kinder nicht immer ganz leicht ist. Und ich denke, dass das auch manchmal auf die Kinder nachwirken kann. Aber ich hoffe, es ist uns gelungen, dass unsere Kinder trotzdem gut aufgewachsen sind und das Leben meistern. Aber es ist tatsächlich so, dass von den Kindern des Rabbiners erwartet wird, dass Sie immer höflich sind und dass sie immer geduldig sind, und dass sie immer alles mitmachen."
    Immer alles mitmachen? Ganz ohne Bezahlung? Das fragt sich insgeheim so manche Rebbetzin. In der Gemeinde kochen und backen, mit den Kindern basteln, mit Älteren Ausflüge machen, die rituelle Totenwäsche organisieren, Kranke besuchen, den Frauen in der Mikwe zur Hand gehen und, und, und – alles umsonst? Und im Schatten des Mannes?
    "Ich bedaure für jede Rebbetzin, dass sie nicht wirklich auf eigenen Füßen steht, dass sie nicht der Name ist. Sie ist die Ehefrau. Ich wünsche mir, dass irgendwann Stellen ausgeschrieben werden - wenn man das will, so ein Paar, so ein Rabbinerpaar – für den Mann und die Frau, also dass sie gleichwertig ihre Rolle anerkannt bekommt."
    In manchen Kreisen wird gelegentlich die Frage aufgeworfen, nicht nur den Rabbiner, sondern auch die Rebbetzin auf die Gehaltsliste der Gemeinde zu setzen. Noemi Berger hat in den vielen Jahren, in denen sie rund um die Uhr für die Gemeinde da war, auch manchmal über diese Frage nachgedacht.
    "Vielleicht hab ich‘s mir gewünscht, könnte sein, aber ich wollte es bewusst nie, weil ich mir meine Unabhängigkeit bewahren wollte. Ob das klug war, ist eine andere Sache, in Bezug auf meine heutige Rente. Ich wollte aber bewusst nie Gehaltsempfänger sein oder abhängig sein von der Gemeinde, denn so konnte ich mir meine Freiheit bewahren. Ich konnte das machen, was ich wollte. Und wenn's jemandem nicht gepasst hat - schön und gut, aber ich musste nie jemandem gehorchen, oder: Das und das sind deine Aufgaben, die machst du jetzt, und wenn nicht, dann … Nein, ich wollte bewusst immer frei sein."
    Noemi Berger hat sich jahrelang für die Gemeinden ihres Mannes aufgeopfert. Als Rebbetzin setzte sie sich auch für die Gründung einer jüdischen Frauenorganisation in Deutschland ein und kümmerte sich um die Verständigung zwischen Christen und Juden. Dafür erhielt sie 1996 das Bundesverdienstkreuz - 20 Jahre vor ihrem Mann.