"Es war einmal eine Stadt im Herzen Amerikas, in der alle Geschöpfe in Harmonie mit ihrer Umwelt zu leben schienen."
Es beginnt wie ein Märchen. Rachel Louise Carson schildert in ihrem Buch "Der stille Frühling" eine intakte Welt.
"Die Gegend war geradezu berühmt wegen ihrer an Zahl und Arten so reichen Vogelwelt."
Aber die Idylle ist bedroht.
Christoph Mauch: "Das ist wie eine Detektivgeschichte. Eine Stadt, eine Kleinstadt, die wunderschön ist. Plötzlich hört die Natur auf, laut zu sein. Es gibt keine Vögel mehr in dieser Natur, und ein Buch, das so anfängt, das fesselt den Leser, und man will einfach weiter lesen."
Die Mischung aus Faktentreue und literarischer Qualität, so der Umwelthistoriker Christoph Mauch vom Rachel Carson Center in München, ließ das 1962 erschienene Buch über die Auswirkungen von DDT und anderen langlebigen Giften zu einem der einflussreichsten Bücher des 20. Jahrhunderts werden.
"Dann tauchte überall in der Gegend eine seltsame schleichende Seuche auf. (...) Über allem lag der Schatten des Todes. (...) Es herrschte eine ungewöhnliche Stille. Wohin waren die Vögel verschwunden?"
Die am 27. Mai 1907 in Springdale, Pennsylvania, geborene Rachel Louise Carson begann früh zu schreiben. Bereits mit elf Jahren veröffentlichte sie erste Geschichten. Nach der Schule studierte sie zunächst englische Literatur, wechselte dann aber zur Biologie.
Carson nahm eine Stelle als wissenschaftliche Autorin bei der US-amerikanischen Fischereibehörde an; sie veröffentlichte Reportagen für Radio und Zeitschriften. Ihr erstes Buch: "Under the Sea-Wind" – "Unter dem Meereswind", das 1941 erschien, bekam gute Kritiken, aber es verkaufte sich zunächst schlecht.
"Die Welt nahm das Ereignis mit ausgezeichneter Gleichgültigkeit auf."
Das sollte sich ändern, als Rachel Carson 1950 „The Sea around us" – veröffentlichte: "Die Geheimnisse des Meeres". Das Buch stand 86 Wochen auf der Bestseller-Liste der New York Times. Carson kündigte ihre Stelle bei der Fischereibehörde.
"Mir scheint, dass das Buch mich die nächsten Jahre ernähren kann. Und wenn es mir nicht gelingt, mich in dieser Zeit als hauptberufliche Schriftstellerin zu etablieren, sollte man mich ohnehin erschießen."
Ihr Erstling wurde neu aufgelegt - diesmal mit Erfolg. Schon in ihrer Zeit bei der Fischereibehörde hatte sich Rachel Carson mit der Wirkung von Insektengiften - vor allem von DDT - auf Fische beschäftigt.
Die US-amerikanische Armee hatte das Dichlordiphenyltrichlorethan im Zweiten Weltkrieg im großen Stil eingesetzt: Zur Bekämpfung von Mücken und Kleiderläusen, um Soldaten vor Malaria und Fleckfieber zu schützen. Im August 1945 wurde das DDT in den USA zur zivilen Nutzung freigegeben. Die Behörden ließen große Gebiete mit DDT besprühen, auch um eingeschleppte Insekten wie die Feuerameise zu bekämpfen. Und die Hersteller warben für DDT und andere Gifte als preisgünstigen, wirksamen Schutz vor Insekten im Haushalt.
Rachel Carson: "Diese Sprays, Pulver und Aerosole werden überall eingesetzt: Auf Farmen, in Gärten, Wäldern und in Haushalten. Diese Chemikalien haben die Kraft, alle Insekten zu töten - die guten und die schlechten. Sie lassen die Vögel verstummen und die Fische in den Flüssen verenden. Und das, obwohl sie eigentlich nur einige Unkräuter oder Insekten treffen sollen."
Von 1958 bis 1962 arbeitete Carson an ihrem Buch "Der stumme Frühling". Immer wieder musste sie wegen gesundheitlicher Probleme die Arbeit unterbrechen.
"Ich beeile mich, so sehr ich kann, getrieben von dem Wissen, dass das Buch dringend nötig ist."
Nach Vorabdrucken von Auszügen in der Zeitschrift "The New Yorker" kam das Buch im September 1962 in die Buchläden. Die chemische Industrie attackierte Rachel Carson.
Robert White-Stevens: "Wenn wir den Lehren von Miss Carson folgen, werden wir ins finstere Mittelalter zurückfallen. Insekten, Krankheiten und Parasiten werden erneut die Erde beherrschen."
Am 14. April 1964 starb Rachel Carson im Alter von 56 Jahren. In den USA wurde der Einsatz von DDT 1972 weitgehend verboten. Andere Länder folgten. Eingesetzt wird DDT heute noch vor allem zur Bekämpfung der Malaria.