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Racial Profiling
"Differenzierungskriterium Hautfarbe ist verboten"

Wenn die Polizei bei Kontrollen spezifisch an die Hautfarbe anknüpfe, erlege sie bestimmten Bevölkerungsgruppen ein "Sonderopfer" auf, sagte der Rechtswissenschaftler Matthias Bäcker von der Uni Mainz im DLF. Menschen würden verdächtig gemacht wegen Eigenschaften, über die sie nicht verfügen könnten. Kontrollen müssten deshalb an das Verhalten anknüpfen.

Matthias Bäcker im Gespräch mit Sandra Schulz |
    Polizisten umringen am 31.12.2016 vor dem Hauptbahnhof in Köln eine Gruppe südländisch aussehender Männer.
    Eine Tat aufgrund einer statistischen Häufigkeit Menschen mit einer bestimmten Hautfarbe zuzuordnen, gehe nicht, sagte der Rechtswissenschaftler Matthias Bäcker von der Uni Mainz. (dpa)
    Nach den Kontrollen von nordafrikanisch aussehenden Männern in der Silvesternacht ist eine Debatte um das sogenannte Racial Profiling entstanden.
    Die zentrale Frage sei, ob die Polizei einen Kontrollanlass habe, sagte Jurist Matthias Bäcker. Fahnde sie beispielsweise nach einem Bankräuber, der eine dunkle Hautfarbe habe, dann ergebe es keinen Sinn, Menschen mit heller Haut zu kontrollieren, da ein klares Kontrollprofil vorliege.
    Suche man zum Beispiel hingegen nach Personen, die sich unerlaubt in Deutschland aufhielten, sei es nicht rechtens, nur nach dunkelhäutigen oder ausländisch aussehenden zu suchen. "Das Differenzierungskriterium Hautfarbe ist verboten nach deutschem und europäischem Recht", so Bäcker, der Professor für öffentliches Recht an der Universität Mainz ist.
    Verdächtigte können über Hautfarbe nicht verfügen
    Eine Tat aufgrund einer statistischen Häufigkeit Menschen mit einer bestimmten Hautfarbe zuzuordnen, gehe nicht. Nach Hautfarbe und Rasse zu beurteilen sei nicht rechtens, auch wenn dies statistisch Sinn ergebe, sagte Bäcker.
    Bei Kontrollen solle an das Verhalten angeknüpft werden. Das habe die Polizei in Köln auch gemacht. Er warnte zugleich: "Wenn ich spezifisch an die Hautfarbe anknüpfe, erlege ich bestimmten Bevölkerungsgruppen ein Sonderopfer auf." Die Menschen würden verdächtigt "aufgrund von Eigenschaften, über die sie nicht verfügen können. Sie werden dadurch stigmatisiert und ausgegrenzt."
    Es sei sinnvoll, bestimmte Eigenschaften und Verhaltensweisen zu bündeln, die bei einem Volksfest oder der Silvesternacht eine Rolle spielen könnten: Wenn damit zu rechnen sei, dass es zu Übergriffen junger Männer kommt, würden lautes Verhalten und ein alkoholisierter Zustand schon eine Kontrolle rechtfertigen.

    Das Gespräch in voller Länge:
    Sandra Schulz: Lob und Dank für die Kölner Polizei gab es gestern von vielen Seiten. Bundeskanzlerin Angela Merkel bedankte sich ausdrücklich bei allen Polizisten für den Einsatz für die Sicherheit der Bürger, sagt der Regierungssprecher Georg Streiter. Es gab Lob von der SPD, von SPD-Chef Sigmar Gabriel, Bündnis 90/Die Grünen dankten am Nachmittag per Twitter der Kölner Polizei, es sei richtig gewesen, schnell und präventiv zu reagieren, hieß es in dem Tweet, den auch Parteichefin Simone Peter geteilt hat oder retweetet hat.
    Dabei war sie es ja, die vorher mit ihrer Kritik zu einer heftigen Debatte beigetragen hat über den diesjährigen Silvestereinsatz in Köln. Nach den massenhaften Übergriffen auf Frauen, nach dem Kontrollverlust des Staates im letzten Jahr im Kölner Hauptbahnhof hat die Polizei in diesem Jahr für einen relativ friedlichen Jahreswechsel gesorgt, sieht sich oder sah sich aber mit Rassismusvorwürfen konfrontiert.
    Und wir wollen in den kommenden Minuten noch mal auf den Punkt schauen, der jetzt zur Diskussion steht oder stand auf das sogenannte Racial oder Ethnic Profiling. Am Telefon ist Matthias Bäcker, Professor für öffentliches Recht der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz, Datenschutzrechtler und Polizeirechtler. Schönen guten Morgen!
    Matthias Bäcker: Guten Morgen!
    Schulz: Darf die Polizei jemanden kontrollieren, weil er dunkle Augen, dunkle Haare und eine dunkle Haut hat?
    Bäcker: Das kann man so allgemein gar nicht sagen. Die entscheidende Differenzierung, die man hier machen muss, ist die Frage: Wie kommt die Polizei dazu, eine solche Person zu kontrollieren? Hat die Polizei einen Kontrollanlass, der sozusagen das Profil der Person schon vorgibt? Dann ist es was anders, als wenn die Polizei sich ein Kriterium für die Kontrolle selbst strickt. Das kann man sich dann gut an zwei Beispielen deutlich machen.
    Beispiel eins: Die Polizei fahndet nach jemandem, der einen Banküberfall begangen hat, und Zeugen sagen aus, der Bankräuber habe dunkle Haut. In einem solchen Fall ist es klar, man sucht nach einer dunkelhäutigen Person. Es gibt jetzt keinen Sinn, auf der Suche nach dem Bankräuber blonde Personen anzuhalten und zu kontrollieren, um irgendwie Diskriminierungsvorwürfen zu entgehen, sondern hier hat man aufgrund des Anlasses ein klares Kontrollprofil.
    Beispiel zwei: Die Polizei sucht nach Personen, die sich illegal in Deutschland als Ausländerinnen oder Ausländer aufhalten, und kontrolliert jetzt gezielt dunkelhäutige Personen. Hier liegt es anders, denn es gibt viele Personen, die sich in Deutschland aufhalten, ohne dass sie das dürften als Ausländer, die aber keine dunkle Haut haben. Es gibt keine Kausalbeziehung zwischen Hautfarbe und dem Status als illegal sich hier aufhaltende Person.
    Schulz: Also, dieses Racial Profiling, nur um es kurz zu verstehen, das ist nicht erlaubt nach deutschem Recht?
    Bäcker: Genau. Also, wenn man Personen, wenn man sich selber ein Differenzierungskriterium bereitlegt und dieses Kriterium ist die Hautfarbe, dann ist es meiner Ansicht nach verboten nach deutschem Recht und auch nach internationalem Recht.
    "Eine Differenzierung von Personen nach ihrer Hautfarbe soll verboten sein"
    Schulz: Ist es aber für die Polizei nicht ein viel zu starres Gerüst? Wir führen jetzt sprechend über Köln die Diskussion ja gerade vor dem Hintergrund der Erfahrung aus dem letzten Jahr, aus der vergangenen Silvesternacht, und da waren es nun in ganz großer Mehrzahl bei den hundertfachen Übergriffen auf Frauen Täter nordafrikanischer Herkunft.
    Was ist da jetzt das Problem, wenn da verstärkt nach Nordafrikanern geschaut wird oder die verstärkt kontrolliert werden?
    Bäcker: Ob das, was jetzt konkret in Köln passiert ist, wirklich ein Problem ist oder nicht, ist ja nicht so ganz klar. Wenn man davon ausgeht, dass es hier schon konkrete Anlässe gegeben hat, dass nämlich eine große Zahl von Personen mit einer bestimmten Hautfarbe gleichzeitig in Zügen unterwegs war nach Köln, dass diese Personen offensichtlich aggressiv waren, dass sie sich möglicherweise verabredet hatten, dass sie dann auch im Bahnhof aggressiv aufgetreten sind, dann sind das alles Anknüpfungspunkte, die eine solche Kontrolle durchaus rechtfertigen können.
    Eine andere Frage ist aber: Kann ich einfach davon ausgehen, Personen mit nordafrikanischem Erscheinungsbild sind generell eine problematische Klientel und die kann ich einfach mal so kontrollieren, wenn ich nach Gewalttätern suche? Das, was man da macht, wenn man so was tut, ist: Man berechnet letztlich ein bestimmtes Delinquenzrisiko, das eigentlich nur im Sinne einer Korrelation, also einer statistischen Häufigkeit mit der Hautfarbe verknüpft ist, rechnet man allen Personen mit dieser Hautfarbe gewissermaßen zu.
    Das geht aber nicht, weil zwischen Hautfarbe und diesem Risiko kein Zusammenhang besteht und weil eben gerade – das hat gute historische und sonstige Gründe –, weil eben gerade eine Differenzierung von Personen nach ihrer Hautfarbe, nach ihrer Rasse verboten sein soll. Selbst wenn sie vielleicht statistisch Sinn ergibt.
    Schulz: Ja, aber müsste man da nicht trotzdem stärker abwägen? Eine Passkontrolle, so wie wir es jetzt gesehen haben am Kölner Hauptbahnhof, die ist ja verhältnismäßig wenig schlimm, wenn ich an die Delikte denke, die die Kölner Polizei da verhindern wollte, plus dass es ja viele Leute gibt – das zeigen jetzt die Diskussionen in den sozialen Netzwerken –, die sagen: Was ist überhaupt das Problem, wenn da jemand kontrolliert wird?
    Bäcker: Ich glaube, dass die einzelne Kontrolle für sich genommen natürlich kein großes Problem ist. Da zeigt man seinen Pass vor und kann weitergehen. Wenn man aber Racial Profiling als allgemeine Strategie zulässt, dann kommt es dazu, dass bestimmte Bevölkerungsgruppen eigentlich nie kontrolliert werden, zum Beispiel ich als weißer Mann, der der autochthonen Bevölkerungsmehrheit angehört, und andere Personengruppen ziemlich oft, nämlich Leute, die über das entsprechende Äußere verfügen.
    "Man muss sich eben klarmachen, die Prävention hat Folgekosten"
    Schulz: Ja, aber warum sollte man Sie denn auch kontrollieren?
    Bäcker: Ja gut, also, wenn man zum Beispiel wirklich nach illegal in Deutschland aufhältigen Personen sucht, dann kann man mich durchaus kontrollieren, denn ich könnte ja ein Weißrusse sein, der sich hier illegal aufhält, das ist ja keineswegs abwegig. Es kann also durchaus gute Gründe geben, mich zu kontrollieren, auch wenn man nach jemandem sucht, der möglicherweise anlässlich einer Großveranstaltung ein Sexualdelikt begeht, gibt es eigentlich keinen Grund, warum man mich nicht kontrollieren sollte, weil ich als Mann immer noch trotz meines vorgerückten Alters in ein entsprechendes Profil durchaus passen könnte. Also, es könnte durchaus gute Gründe geben, mich zu kontrollieren.
    Man kann auch Kontrollen ganz anders zuschneiden, und – das, was die Kölner Polizei ja wohl sogar gemacht hat, was auch in Ordnung ist –, und an das Verhalten von Personen anknüpfen: Ist da jemand alkoholisiert, benimmt der sich schon, tritt der schon aggressiv auf, solche Sachen? Wenn ich aber jetzt spezifisch an die Hautfarbe anknüpfe und wenn ich das zum entscheidenden Kriterium mache, führt das dazu, dass ich sozusagen bestimmten Bevölkerungsgruppen ein Sonderopfer auferlege. Die müssen sich das halt gefallen lassen, dass sie ständig kontrolliert werden, und damit sagt man denen letztlich auch, dass sie so ein bisschen verdächtig sind aufgrund von Eigenschaften, über die sie überhaupt nicht verfügen können.
    Die sind letztlich so eine Art Risikoträger, ohne dass sie daran irgendetwas ändern können. Letztlich werden sie damit stigmatisiert und ausgegrenzt und es werden auch Vorurteile in der Bevölkerung geschürt, die ohnehin schon bestehen und die auch historisch eine lange Geschichte haben. Man muss sich eben klarmachen, die Prävention hat Folgekosten. Und diese Folgekosten werden hier ganz bestimmten Gruppen auferlegt.
    Schulz: Jetzt erklären Sie uns noch einen Punkt: Sie haben gesagt: Also, sofern man da an das Verhalten des Täters anknüpft, gibt es da aus rechtlicher Sicht kein Problem. Wo würden Sie denn da die Grenze ziehen? Ist jemand, der grimmig guckt, dann jemand, der aggressiv genug ist, dass Sie sagen würden, ja, da ist die Kontrolle dann okay?
    Bäcker: Ich glaube, grimmig gucken ist sehr unspezifisch und wird man nicht wirklich handhaben können. Letztlich wird es hier in der Regel um ein Bündel von verschiedenen Eigenschaften und Verhaltensweisen gehen. Wenn ich also davon ausgehe, ich habe einen bestimmten Anlass, ein großes Volksfest wie Silvesternacht, und da ist damit zu rechnen, dass es zu Übergriffen kommt durch alkoholisierte junge Männer, dann kann es ein probates Mittel sein zu schauen: Habe ich es hier mit Gruppen junger Männer zu tun, die alkoholisiert sind, die schon laut, raumnehmend, aggressiv auftreten? Und das zusammen würde sicherlich ausreichen, um die Kontrolle zu rechtfertigen.
    Schulz: Der Polizeirechtler Professor Matthias Bäcker heute Morgen hier bei uns im Deutschlandfunk. Danke Ihnen!
    Bäcker: Danke schön!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.