Es gibt viele Formen der Reise mit dem Rad - von kleinen Tagestouren bis zur mehrmonatigen Radreise durch die halbe Welt. Es gibt Touren, die zum Entdecken einladen - abseits der bekannten Wege durch die Natur, ganz auf eigene Faust. Und dann gibt es die bekannten Routen. Die Touristisch erschlossen sind. Radreisen mit Komfort.
Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) arbeitet mit Regionen zusammen und zertifiziert auch Radfernwege - zum Beispiel entlang von Flüssen.
Frank Hofmann ist im Bundesvorstand des ADFC für Radtourismus zuständig. Er erklärt im Radfunk, dass Radfernwege eine gewisse Ausstattung und einen bestimmten Komfort bieten, den viele Menschen sich wünschen, wenn sie unterwegs sind. "Das heißt, es geht um eine gute Wegweisung. Es geht um Service Punkte unterwegs. Es geht um Dienstleistungen, die mir helfen. Das ist eben genau das Gegenteil von "Ich fahre durch die Landschaft und suche Abenteuer." Das heißt, ich suche ein wirklich schönes Reise-Erlebnis, indem die Risiken doch zumindest minimiert sind", erklärt Hofmann.
Solche klassischen Radreisen unternehmen in Deutschland mehr als fünfeinhalb Millionen Menschen jedes Jahr. Das bedeutet, dass zehn Prozent des Deutschland-Tourismus auf Radreisen beruht. Dazu gehören im geringeren Maße Rennradfahrten oder Mountainbiketouren. Aber Kern machen nach Aussage des ADFC die Komfort- und Genussradler aus. Etwa 80 bis 90 Prozent der Kunden des Fahrrad-Clubs wollen so reisen, vorwiegend auf den großen Radfernwegen entlang von Flüssen. Laut der aktuellen Reiseanalyse liegt der Elberadweg auf Platz 1, gefolgt vom Weserradweg, vom Ostseeküstenradweg und von weiteren Flussradwegen sowie dem Bodenseeradweg.
Der ADFC betreibt deshalb seit mehr als 15 Jahren eine Zertifizierung im Sinne einer wissenschaftlichen Betrachtung der Radwanderwege. Er begutachtet nach Auskunft von ADFC-Vorstand Frank Hofmann vor allem zehn wesentliche Punkte:
"Das Wesentliche ist die Wegeführung als solches. Dann kommt die Oberfläche dazu. Kann ich sanft und glatt unterwegs sein? Die Wegweisung: kann ich tatsächlich, ohne dass ich alle drei Sekunden auf mein Handy oder eine Karte gucke, den Weg finden? Dann geht es im Weiteren natürlich um die Sicherheit. Also kann ich mit Familie, mit Kindern da mit dem Weg anvertrauen, dass ich jederzeit auch Sicherheit verspüren kann. Wie ist die Führung des Weges entlang von verschiedenen Problemstellen?
Die gibt es natürlich immer wieder auch. Und dann gibt es die wesentlichen Serviceaspekte. Also wenn ich mehrtägiger unterwegs sind Übernachtungsmöglichkeiten, Biergärten, Cafés, ist das alles mit vorhanden? Sind Dienstleistungen entlang der Strecke eben auch so darauf vorbereitet, dass ich als Rad Reisender einen "Full-Komfort"genießen kann?"
Trotz dieser Kriterien legt Hofman Radreisenden ans Herz, dass sie sich von Beginn an darauf einstellen, dass jeder Reise mit dem Rad anders ist. Das Wetter, die Stimmung, Unwägbarkeiten - dies sind nach Meinung von Frank Hofmann Faktoren, die Einfluss nehmen auf die Reise: "Begegnungen mit Menschen, Tieren, der Natur, mit mir selber sind ja etwas, was die Sache spannend macht und das macht das Ganze ja auch so schön, weil es die kleinen Unwägbarkeiten sind, auf die man reagieren kann.
Wer will denn einen Urlaub haben, wo alles hundertprozentig durchgeplant ist? Das macht auch keinen Spaß. Das heißt, Unwägbarkeiten sind da, sie sind aber kontrollierbar und es macht eben auch Spaß, damit umzugehen. Also ich glaube auch die Abwechslung, die Spontanität, die Möglichkeiten, das so zu tun und gleichzeitig eben Natur und Landschaft zu erfahren, machen den Reiz aus und etwas, was viele Menschen eben wünschen."
Das sieht Martin Moschek ganz ähnlich, ist bei seinen Fahrradtouren allerdings schon lange nicht mehr auf vorgeplante Reiserouten angewiesen. Er war Leistungsradsportler zu DDR-Zeiten und das Radfahren gehörte immer zu seinem Leben. Nach der Wende war das Fahrrad das Verkehrsmittel der Wahl, weil reisen so bezahlbar waren. Seine Reisen führten ihn nach Jakarta, in den Himalaya oder ans Nordkap.
"Mittlerweile ist das Rad für mich das ideale Transportmittel geworden, mit dem ich in einer angenehmen Geschwindigkeit die Welt entdecken kann. Ich bin langsam genug, um sie zu erleben. Und ich bin schnell genug, um wieder wegzufahren", sagt Moschek.
Die Rad-Weltreisende Heike Pirngruber stimmt zu: "Das Fahrrad ist super. Es ist nicht zu schnell und nicht zu langsam und man kommt auch relativ schnell vorwärts. Man ist manchmal doch überrascht, wie viele Kilometer man am Ende doch schafft und wie weit man kommt. Selbst wenn es nur ein kurzer Urlaub ist."
Pirngruber ist Fotografin und fotografiert auf ihren Radtouren, die sie schon quer über verschiedene Kontinente geführt haben, gern Menschen. Den Kontakt ermöglicht auch das Rad, denn im Gegensatz zum Auto kommt sie bei ihrer Ankunft schnell mit Menschen in Kontakt: "Was klasse ist, ist, dass man ziemlich schnell Kontakt zu den Menschen bekommt, weil man einfach näher dran ist. Ich habe keine Kasten, um mich wie, wenn ich im Auto sitze oder muss mir den Lärm vom Motorrad anhören. Die Leute haben auch nicht wirklich Berührungsängste mit Fahrradfahrern."
"Für mich ist das Genießen auf dem Fahrrad, draußen sein in der Natur und die Menschen genießen, die ich treffe, mit denen ich mich unterhalten möchte, das ist für mich Radreisen. Und nicht irgendwie schneller, größer, weiter. Und ich muss jetzt unbedingt 150 Kilometer schaffen", erklärt Heike Pirngruber im Radfunk.
Sie bucht im Vorhinein kein Hotel, um eine Vorstrukturierung zu vermeiden, die sie zwingt, eine bestimmte Anzahl von Kilometern zu fahren. Lieber spontan baue sie an einem schönen Platz das Zelt auf oder nehme die Einladung zu einem Essen annehmen. "Das Spontane ist es, was eine Radreise ausmacht", erläutert Pirngruber. "Für mich ist es die Freiheit, die ich auf dem Fahrrad spüre. Ich spüre die ganzen Elemente: das Wetter, den Wind, den Regen die Sonne. Ich spüre richtig die Natur."
Dabei sei es auch gar nicht so wichtig, dass man schon vor einer Radreise topfit ist. "Ein bisschen fit sollte man schon sein, aber niemand zwingt einen eine bestimmte Anzahl von Kilometern zu fahren", spricht sich auch Martin Moschek gegen das Kilometerzählen aus. "Da ist in den letzten Jahren etwas schiefgelaufen, wenn wir der Meinung sind, dass eine Radreise sich durch die Länge definiert. Schaut man in Diskussionsgruppen, Foren oder in Sozialen Netzwerken, dann wird oft über das Ergebnis und nicht über das Erlebnis berichtet."
Erlebnisse sind es, die für beide Weltreisende eine Radtour ausmachen. "Ich bin zweimal von Daheim gestartet, weil ich es interessant finde, dass sich die Kulturen so langsam verändern, dass man sich nicht ins Flugzeug setzt und dann auf einmal in einer völlig fremden Welt auftaucht", ergänzt Pirngruber. Wenn man daheim startet, auch aus Umweltschutzgründen, vielleicht entlang eines bekannten Radweges entlangradelt, dann hat man auch das Gefühl, man entfernt sich langsam von der Heimat und tastet sich so an diese Art von Reisen heran."
So kann es Spaß machen sich lange und intensiv in die Planung einer Radtour zu vertiefen. Es kann aber auch eine gute Idee sein sich spontan und ohne viel Vorbereitung auf den Weg zu machen.
Das Gepäck sollte leicht sein, ein bisschen Werkzeug, zum Klima passende Kleidung und ein Ersatzschlauch sollte eingepackt sein und es schadet nicht, wenn man in der Lage ist kleinere Reparaturen selbst zu erledigen. "Das Fahrrad muss passen", meint Heike Pirngruber. "Alles andere lernt man auf der Reise."
Schließlich steht das Fahrrad während der Reise nicht im Vordergrund. "Wie viel Bedeutung möchtest du dem Fahrrad bei der Fahrradtour beimessen?", fragt Martin Moschek. Aus seiner Sicht entsteht das Erlebnis Radreise oder Radtour, weil man auf einen der Hauptakteure, das Fahrrad nicht achten muss: "Das läuft halt und ich kann mich auf alles andere konzentrieren."