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Radikale Palästinenser-Organisation
Neuer Hamas-Anführer kam bei Gefangenen-Austausch frei

Der neue Chef der radikalislamischen Hamas im Gaza-Streifen, Jihia al-Sinwar, gilt als Hardliner. Und er wäre wegen schwerwiegender Verbrechen eigentlich bis zum Ende seiner Tage in Haft. Doch beim Gefangenenaustausch gegen den Soldaten Gilad Schalit 2011 kam er frei.

    Hamas-Anführer Jihia al-Sinwar während eines Fests in Khan Younis im südlichen Teil des Gaza-Streifens am 9. Januar 2016.
    Hamas-Anführer Jihia al-Sinwar während eines Fests in Khan Younis im südlichen Teil des Gaza-Streifens am 9. Januar 2016. (imago / ZUMA Press)
    Al-Sinwar ist wegen der Beteiligung an der Entführung und Tötung des Soldaten Nachschon Wachsmann im Jahr 1994 zu viermal lebenslanger Haft verurteilt worden. Beim Gefangenenaustausch gegen den israelischen Soldaten Gilat Schalid kam er allerdings im Jahr 2011 frei. Schalit war fünf Jahre in der Gefangenschaft der Palästinenserorganisation Hamas gewesen, bis er bei dem umstrittenen Austausch gegen mehr als 1.000 palästinensische Gefangene freigelassen wurde. Sinwar, Mitte 50, ist Mitbegründer des militärischen Flügels der Hamas.
    Maximalforderungen bei Gefangenenaustauschen
    Nach der Einschätzung der "Jerusalem Post" ist Al-Sinwar für seine extremen Positionen bekannt und radikaler Ideologe. Den Schalit-Deal habe er abgelehnt, weil die Hamas-Führung seiner Auffassung nach ihre Forderungen noch hätte erhöhen können. Heute ist Al-Sinwar laut der Zeitung damit beauftragt, Verhandlungen über Gefangenenaustausche zu beaufsichtigen, die aber in den vergangenen zweieinhalb Jahren wenig Fortschritte erzielt haben.
    Die Hamas fordert, dass all diejenigen Palästinenser aus israelischer Haft kommen, die nach der Freilassung beim Schalit-Deal im Jahr 2011 erneut gefangen genommen wurden. Al-Sinwars Aufstieg sei Ausdruck dessen, dass der militärische Flügel der Hamas an Gewicht gewinne, sagte Hani Habeeb, politischer Analyst für den Gaza-Streifen, der Nachrichtenagentur AP.
    Befürchtungen, dass die Zahl der Entführungen zunimmt
    Der frühere Mitarbeiter des israelischen Schin-Bet-Inlandsgeheimdienstes, Jaron Blum, sagte im israelischen Rundfunk, Al-Sinwar werde eine härtere Gangart gegenüber Israel einschlagen. Er werde alles für neue Angriffe tun und versuchen, Soldaten und Zivilsten zu entführen, um einen neuen Gefangenen-Austausch zu erzwingen.
    Die Hamas-eigene Nachrichtenseite al-Resala berichtet, bei "Wahlen" seien im Gazastreifen, im Westjordanland, in den Gefängnissen und in der Diaspora neue Hamas-Führer benannt worden. Al-Sinwars Stellvertreter wurde demnach der 2006 gewählte Abgeordnete Khalil al-Hayya, der Medienberichten zufolge mehrere Verwandte in den Gaza-Kriegen von 2007 und 2014 verloren haben soll
    Die Hamas spricht Israel das Existenzrecht ab. Der letzte Krieg zwischen beiden Parteien war im Sommer 2014. Damals wurde 50 Tage lang gekämpft: Etwa 2.200 Palästinenser und 70 Israelis starben.
    (vic/tgs)