Archiv

Radio Bulgarien
Quote mit Ur-Oldies

Das bulgarische Auslandsradio spielt nur Musik aus der Zeit vor 1945. Grund ist ein Urheberrechtsstreit. Den Hörern gefällt es offenbar: Die Quote ist massiv angestiegen.

    Historisches Radio aus den 50er-Jahren in einem Wohnzimmer eines Hauses im Bergischen Freilichtmuseum für Ökologie und bäuerlich-handwerkliche Kultur
    Historisches Radio aus den 50er-Jahren in einem Wohnzimmer eines Hauses im Bergischen Freilichtmuseum für Ökologie und bäuerlich-handwerkliche Kultur (imago / Ralph Peters)
    Mit Beginn des neuen Jahres ging Radio Bulgarien, das auch mit einer deutschsprachigen Seite im Netz verbreitet wird, auf Zeitreise. Freiwillig geschah die Programmänderung nicht. Wie die englischsprachige Nachrichtenagentur "Novinite" mit Sitz in Sofia bekannt machte, darf der staatlich finanzierte Auslandssender etwa 14 Millionen Musikstücke nicht mehr verbreiten. Die Leitung machte aus der Not eine Tugend und spielt seither vor allem Klassik, Jazz aus den 20er-Jahren sowie Aufnahmen aus einem reichhaltigen Archiv bulgarischer Folklore. Aber auch Live-Performances erleben eine Rennaissance:
    Steigender Hörerzuspruch
    Allein im Januar habe man einen Anstieg der Hörerzahlen um rund 20 Prozent gemessen, zitiert das Nachrichtenportal balkaninsight.com Programmchef Alexander Velev. Er beruft sich dabei auf Zahlen des Marktforschungsinstituts Ipsos Bulgaria und liefert seine Interpretation gleich mit: Die aktuelle Nachrichten- und Weltlage könnten mitverantwortlich für die audiophile Sehnsucht nach vergangenen Zeiten sein.
    EU-Recht und nationale Politik
    Hintergrund des Streits sind finanzielle Forderungen der Urheberrechtsgesellschaft "Musicautor", nach eigener Darstellung eine Non-Profit-Vereinigung. Sie hält für Bulgarien Lizenzen an den derzeit gesperrten 14 Millionen Titeln und wollte die jährliche Vergütung von umgerechnet rund 250.000 Euro auf etwa 900.000 Euro mehr als verdreifachen. Da nach geltenden EU-Regeln das Urheberrecht eines Musikers 70 Jahre (früher 50 Jahre) nach Erscheinen des Tonträgers erlischt, kam Radio Bulgaria auf die Idee mit den Ur-Oldies. Inzwischen hat sich "Novinite" zufolge auch die Regierung in Sofia in den Streit eingeschaltet. Das Kulturministerium wolle vermitteln und habe beide Seiten zu Gesprächen eingeladen. Nach eigener Darstellung will es sich dabei neutral verhalten.
    Digitalangebote in Planung
    Programmchef Alexander Velev aber will in jedem Fall Lehren aus dem unerwarteten Erfolgsrezept ziehen. Er kündigte inzwischen mehrere Spartenkanäle an, die lizenzfreie Musik online streamen sollen. Aber auch für das Hauptprogramm werden Schlussfolgerungen gezogen. Künftig will Radio Bulgaria die Musikwünsche seiner Hörerinnen und Hörer mit Marktforschung ermitteln.