Jessica, oder kurz Jess, spricht eins zu eins alles nach, was die Radiomoderatorin Laura Sullivan sagt. Es ist der erste Schritt zum Generieren von Radio-Untertiteln. Jess sitzt in einer kleinen schallisolierten Kabine, einen Kopfhörer auf den Ohren und vor sich ein Mikrofon und einen Tabletcomputer mit mehreren großen Buttons auf dem Bildschirm. Weil das hier keine Live-Sendung ist, sondern nur eine Demo, kann ich sie unterbrechen und fragen, wozu die Buttons dienen.
"Mit "Übertragung beginnen" starten wir eine Sendung. Und diese Kästen hier stehen für die verschiedenen Sprecher. Das können Moderatoren, Gäste, Anrufer oder O-Töne sein. Zwischen denen schalten wir dann hin und her, um zu markieren, wer gerade spricht. Mit den Buttons für Leerzeichen, Gedankenstrich, dem Punkt oder dem Fragezeichen kann ich einen Abschnitt abschicken."
Diktatsoftware erzeugt Text
Jess spricht die komplette Radiosendung nach, während sie mit dem Finger auf dem Tablet die Buttons drückt, um Zusatzinformationen zu generieren. Sie versucht deutlicher zu sprechen als die Sprecher im Radio, überdeutlich. Was für mich fast roboterhaft klingt, macht es für die Diktatsoftware einfacher, für die Jess die Sendung nachspricht. Das Programm generiert aus der Sprache Text. Der erscheint dann auf einem weiteren Bildschirm in einer Art Tabellenansicht, erklärt Marcos Rego, als Produzent in dem Team verantwortlich für die Technik.
"Nachdem der Computer den Text erzeugt hat, geht jemand durch jede Tabellenzelle und prüft alles, korrigiert, was falsch ist und stellt sicher, dass Namen und Orte richtig geschrieben sind. Zeichensetzung, Groß- und Kleinschreibung, all das."
Warum genau und wie der Text in der Tabelle landet, darüber wollen sie mir hier an der Towson University in Maryland nicht allzu viel verraten. Sie seien noch dabei, das Verfahren zu patentieren, sagt Ellyn Sheffield, Professorin und Leiterin des Projekts. Zwei Dinge sind für sie wichtig, die schwer in Einklang zu bringen sind: Die Untertitel sollen mit einer Verzögerung von nur wenigen Sekunden gegenüber dem Radioprogramm verfügbar sein. Denn nicht nur Vorproduktionen, auch Live-Sendungen untertiteln sie hier. Gleichzeitig sollen die Untertitel möglichst fehlerfrei sein.
"Wenn man live arbeitet und alles nur so an einem vorbei rauscht, und die Leute über Städte in Deutschland reden, von denen wir noch nie gehört haben oder Reporter unmögliche Namen haben, so wie Ihr Nachname, dann ist es schwierig, die Qualität hoch zu halten. Da haben wir viel Forschungsarbeit reingesteckt."
Im Idealfall haben sie vorher von der Redaktion eine Liste der Namen und Orte bekommen. Bei Voraufzeichnungen bessern die Redaktionen selbst nach – so etwa bei Latino USA, der ersten amerikanische Radiosendung, die von dem Team in Maryland permanent untertitelt wird. Produziert wird die Sendung von der Futuro Media Group. Deren Chefin Marea Chaveco treffe ich in New York. Sie ist überzeugt von dem Projekt.
"Unser Ziel ist es, unterrepräsentierte Gruppen aus dem ganzen Land und der Welt zu repräsentieren. Deshalb ist es für uns ganz wunderbar, dass unsere gehörlosen Fans jetzt mitlesen können, während ihre Familie die Sendung hört."
Der Schwerpunkt liegt auf der Verbreitung über das Internet
Auf der Website latinousa.org kann man die Sendung auch nachhören und Untertitel dazu einblenden. Zwar hat das Team an der Towson Universität auch eine Studie dazu gemacht, wie die Untertitel auf Radiogeräten dargestellt werden können: beispielsweise auf einem speziellen Display im Auto, das nur für den Beifahrer einsehbar ist und so den Fahrer nicht ablenkt. Doch der Schwerpunkt liegt auf der Verbreitung über das Internet. Sowohl in der Redaktion als auch an der Universität berichten alle von überwältigendem Feedback. Mein Einwand: Längst nicht alles, was ich im Radio höre, lässt sich verschriftlichen – Hintergrundgeräusche, Musik, der Ausdruck in einer Stimme. Daran wollen sie arbeiten, sagt Ellyn Sheffield.