Die Redaktion sitzt in einem Hochsicherheitstrakt: Gewaltig erhebt sich das Gebäude neben einer Ausfallstraße, gesäumt von einem meterhohen Stahlzaun und Kameramasten. Wer hier reinwill, muss durch eine vorgelagerte Sicherheitsschleuse. Es ist ein heikles Geschäft, dem der Sender hier von Prag aus nachgeht: Er will die staatliche Propaganda von außen durchbrechen, schildert Jana Hokuvova von Radio Free Europe:
"Als eines der gefährlichen Länder würde ich Aserbaidschan nennen, da ist es derzeit sehr gefährlich. In Armenien auch. In Georgien und Kirgistan läuft es ganz gut, aber in Turkmenistan, Tadschikistan, Usbekistan - da sind wir komplett unerwünscht. Wir senden dort trotzdem."
Die Redakteure berichten in der jeweiligen Landessprache oft über Dinge, die die Machthaber gern verschweigen würden. Bezahlt wird das Programm vom amerikanischen Kongress; inhaltlich, so betont man in der Sendezentrale in Prag, sei man allerdings komplett unabhängig. Ein Prinzip, das im Kalten Krieg entstanden ist. Jana Hokuvova:
Gegentimme zu Oligarchen-Sendern
"Wir suchen uns die Länder nicht aus, in die wir senden. Sie werden uns von der historischen Entwicklung vorgegeben. Angefangen haben wir in fünf Ländern Mitteleuropas - Tschechoslowakei, Polen, Ungarn, Rumänien, Bulgarien. Dann wurde das Gebiet erweitert um 15 Länder der damaligen Sowjetunion. Als Unruhen in Irak und Iran aufkamen, haben wir auch dorthin angefangen zu senden, später zusätzlich nach Afghanistan. Unser jüngster Zuwachs war im Jahr 2010 Pakistan."
Für jede Sprache gibt es in Prag eine eigenständige Redaktion. Die Sendungen drehen sich fast ausschließlich um das Geschehen im jeweiligen Land, um Weltpolitik geht es weniger. In einem der Büros von Radio Free Europe sitzt Ioana Serafim. Sie leitet die moldawische Redaktion des Senders.
"Die einheimischen Medien können nicht stark sein, weil sie meistens Oligarchen gehören. Die nutzen die Medien in ihrem eigenen wirtschaftlichen oder politischen Interesse, aber nicht im Interesse der Öffentlichkeit. Deshalb ist das erste, was wir in unserer Berichterstattung beherzigen, der Respekt vor jeder Person, mir der wir sprechen."
"Die einheimischen Medien können nicht stark sein, weil sie meistens Oligarchen gehören. Die nutzen die Medien in ihrem eigenen wirtschaftlichen oder politischen Interesse, aber nicht im Interesse der Öffentlichkeit. Deshalb ist das erste, was wir in unserer Berichterstattung beherzigen, der Respekt vor jeder Person, mir der wir sprechen."
"Aus früherer Sowjetunion ist Propaganda nie verschwunden"
Debatten anzustoßen sei deshalb eines der Ziele ihrer moldawischen Redaktion, sagt Ioana Serafim. Bürgermeister treffen sich in den Debatten mit engagierten Bürgern, ganz normale Leute mit ihren Nachbarn. Das sei ein wichtiges Zeichen.
"Aus den Gebieten der früheren Sowjetunion ist Propaganda nie verschwunden. Seit dem Moment, als wir angefangen haben, nach Moldawien zu senden, war es immer auch eine Art Kampf mit der Mentalität, die von der Propaganda geprägt ist. Nach 70 Jahren voller Lügen neigen die Menschen dazu, die Lügen zu glauben. Sie wissen nicht, wie es ist, sich mit einer zweiten Meinung auseinanderzusetzen. Sie bevorzugen es, eine Meinung vorgekaut zu bekommen und nicht mehr selbst denken zu müssen."
"Aus den Gebieten der früheren Sowjetunion ist Propaganda nie verschwunden. Seit dem Moment, als wir angefangen haben, nach Moldawien zu senden, war es immer auch eine Art Kampf mit der Mentalität, die von der Propaganda geprägt ist. Nach 70 Jahren voller Lügen neigen die Menschen dazu, die Lügen zu glauben. Sie wissen nicht, wie es ist, sich mit einer zweiten Meinung auseinanderzusetzen. Sie bevorzugen es, eine Meinung vorgekaut zu bekommen und nicht mehr selbst denken zu müssen."
Manchmal wird dem Programm von Radio Free Europe vorgeworfen, selbst Propaganda zu betreiben - nur eben im Auftrag des US-Kongresses. Ioana Serafim wuchs als Kind im Kommunismus mit dem Sender auf - und sagt, niemand mit dieser Vergangenheit würde dem Sender jemals Propaganda vorwerfen.
Radio Free Europe eine "amerikanische Stimme"?
"Radio Free Europe wurde im Kommunismus nicht als amerikanischer Sender wahrgenommen, sondern als etwas, was die Amerikaner uns geschenkt haben. Euer Radio in eurer Sprache für euch. Es wurde als großzügiges Geschenk empfunden, als unser Ding, und keinesfalls als amerikanische Stimme."
Dass Radio Free Europe heute aus Prag sendet, hat genau mit dieser Wahrnehmung zu tun: Der frühere tschechoslowakische Präsident Vaclav Havel, im Kommunismus einer der führenden Dissidenten, bot dem Programm an, aus seinem Land zu senden - als Zeichen der Dankbarkeit für die Hilfe während der Verfolgung. Nur wegen des Programms von Radio Free Europe, so erinnern sich Dissidenten auch heute noch, sei man nicht der offiziellen Staatspropaganda ausgeliefert gewesen.