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Radiolexikon: Aquafitness

Aquafitness, ein Ganzkörpertraining im Wasser, steigert Kraft und Kondition. Inzwischen gibt es einen regelrechten Boom: Die speziellen Trainings-Effekte werden heute zur allgemeinen Prävention ebenso genutzt wie in der Reha - von Laien und Leistungssportlern gleichermaßen.

Von Andrea Westhoff |
    Sieben Frauen – und ein Mann – sind gerade hüft- bis brusttief in dem angenehm warmen Wasser und bewegen auf Kommando heftig Arme und Beine: Joggen, hüpfen, boxen – und das ist erst das Aufwärmtraining.

    "Anders als normale Wassergymnastik ist Aquafitness sehr konditionsorientiert, kraftorientiert, je nachdem, wie man die Stunden gestaltet, häufig eher mit schnellerer Musik oder eben auch mit schnellerer Ansage der Übung – also ein eher sportlicher Wasserkurs."

    Die Anweisungen, die Trainer Oliver Roestel vom Beckenrand aus gibt, sind zwar kaum zu verstehen durch die Musik und den Wellenschlag. Aber er macht jede einzelne Bewegung genau vor. Außerdem kennen fast alle die Übungen längst, denn viele kommen seit Jahren regelmäßig zum Aquafitness-Kurs:

    "Der Kurs ist ja schon Aquafitness für Fortgeschrittene, also ich hatte auch schon andere Kurse besucht, da geht’s dann ein bisschen langsamer, gemächlicher, für ältere Klientel. Ich hab einfach so vor zwei oder drei Jahren – so in dem Dreh – angefangen mit Aquafitness, so als Ausgleich; man hat einen Ausgleich, gerade wenn man einen sitzenden Beruf hat. Ja, ich hatte immer so Verspannungen im Nacken und dachte, Warmwasser und die Bewegung, die lösen das. Es macht einfach Spaß, im Wasser sich zu bewegen und dabei Musik zu haben."

    "Ist das Wasser für den gesunden Menschen ein vorzügliches Mittel, seine Gesundheit und Kraft zu erhalten, so ist es auch in der Krankheit das erste Heilmittel ..."

    Das wusste schon Sebastian Kneipp. Und weiter:

    "Zu Wasseranwendungen gehört auch die Bewegung; beide greifen ineinander."

    Allerdings kannte man hierzulande bis vor 20 Jahren nur die klassische, eher geruhsame "Wassergymnastik" für ältere oder kranke Menschen in Rehabilitationskliniken – obwohl die modernen, schnelleren Übungen bereits in den 1970er-Jahren von Sporttrainern in den USA entwickelt wurden. Inzwischen gibt es aber einen regelrechten Aquafitness-Boom in Deutschland, und die speziellen Trainings-Effekte im Wasser werden heute zur allgemeinen Prävention ebenso genutzt wie in der Reha, von Laien und Leistungssportlern gleichermaßen.

    Neben Joggen oder Gymnastik im Wasser gibt es mehr als 15 verschiedene Aquafitness-Formen: Aquawalking etwa als Ausdauertraining – hier läuft man tatsächlich mit Stöckern im brusttiefen Wasser herum; oder das Aquaboxing und Aquadancing, mit denen Muskelkraft und Koordinationsfähigkeit trainiert werden.

    Es ist auch ein gutes Geschäft für Sportgerätehersteller, denn für Aquafitness gibt es unzählige Hilfsmittel: Sehr aufwendige wie zum Beispiel am Beckenboden festgeschraubte Fahrräder für das Aquacycling oder ganz einfache wie Hartgummi-Hanteln, Schwimmbretter in verschiedenen Größen und vor allem ein Meter lange runde Schaumstoffstücke, die berühmten "Pool- oder Wasser-Nudeln". Im Wesentlichen nutzt man sogenannte Auftriebskörper:

    "Auftriebskörper tragen ja auch, das heißt, das ist noch mal eine ganz spezielle Art der Belastung. Sagen wir mal: Wenn man sich auf ein Brettchen oder eine Wassernudel draufsetzt und dann Schwimmbewegungen macht, hat man zum einen den Effekt vom ganz normalen Schwimmen, andererseits muss man Gleichgewicht halten, weil also die Nudel oder das Brett natürlich wegrutscht und man gewissermaßen darauf angewiesen ist, da irgendwie drauf zu bleiben - es ist koordinativ anspruchsvoll."

    Idealerweise sollte man zwei- bis dreimal wöchentlich 30 bis 45 Minuten Aquafitness betreiben. Die Kurse sind kostenpflichtig, aber man kann jährlich einen Zuschuss von der Krankenkasse bekommen. Denn die Wirkungen sind sportwissenschaftlich belegt – und für die Kursteilnehmerinnen auch direkt spürbar:

    "Also, dass es fit hält, ohne auf die Gelenke zu gehen, mit den Knien zum Beispiel hab ich auch ein bisschen was, und es ist richtig anstrengend, ja, also man kann an seine Grenzen gehen. Das ist halt richtiger Powersport und entlastet auch den ganzen Körper. Ja und die Schmerzen gerade so im Nacken-Schulterbereich, die sind besser geworden."

    "Es wird natürlich auch der ganze Körper beansprucht dadurch, dass man ständig gegen den Wasserwiderstand ankämpft, andererseits hat das Wasser natürlich bestimmte Spezifika, es erleichtert natürlich auch vieles. Hauptsächlich die Auftriebskraft des Wassers, die halt entlastend wirkt auf die Körper, auf jeden Fall."

    Durch den Auftrieb des Wassers wird der Körper in eine Art "Schwerelosigkeit" versetzt, denn das Gewicht reduziert sich um fast 90 Prozent. Deshalb ist Aquafitness besonders gut für Menschen mit orthopädischen Problemen oder für Rheumatiker. Durch den Wasserdruck andererseits fällt das Ein- und Ausatmen schwerer, sodass die Lungentätigkeit trainiert wird. Und auch die Temperatur des Wassers hat besondere therapeutische Effekte:

    "Wir haben ja hier sehr warme Temperaturen im Therapiebecken, das ist natürlich fürs Herz-Kreislaufsystem noch mal anstrengend, im kälteren Wasser wird andererseits der Stoffwechsel auch wieder stark angeregt, also man kann auch über die Wassertemperatur die Intensität steuern letztendlich."

    Aquafitness ist deshalb besonders gut für Übergewichtige, und man kann damit auch gezielt das Immunsystem stärken. Nicht geeignet dagegen ist Aquafitness bei Rheuma im akuten Entzündungsstadium, ebenso wenig bei Hauterkrankungen – wegen des Chlorwassers – und bei Herzproblemen. Dazu Trainer Oliver Roestel, der Sportwissenschaften mit Schwerpunkt "Gesundheitssport" studiert hat:

    "Also schulmäßig wird immer bei Herzpatienten davon abgeraten, ich hab aber eigentlich sehr viele Herzpatienten in der Wassergymnastik oder im Aquafitness dabei, die sich einfach wohlfühlen, die keine Schwierigkeiten haben mit der Wärme, und die das Gefühl haben, dass die Bewegung ihnen einfach gut tut. Und das liegt dann natürlich in der eigenen Verantwortung beziehungsweise wenn der Arzt das befürwortet, dann können das natürlich auch Herzpatienten machen."

    Aquafitness ist im Grunde die ideale Sportart für alle, die wissen, dass sie sich eigentlich mehr bewegen müssten. Und wer es einmal probiert hat, bleibt meistens dabei:

    "Und gerade Leute, die gesundheitliche Probleme haben, nicht richtig mit ihrem Körper eins sind, sich nicht wohlfühlen mit ihrem Körper, fühlen sich viele im Wasser viel geborgener, viel aufgehobener, und können sich auch eher dazu überwinden, Sport zu machen. Weil: Man merkt zum Beispiel auch nicht, dass man schwitzt, ja. Das sind alles solche Sachen, viele Leute, die sonst keinen Sport machen würden, machen eher Wassergymnastik als irgendeinen anderen Sport."

    Und neben dem oft sehr anstrengenden Training gehört – jedenfalls für Oliver Roestel – zur modernen Wassergymnastik immer auch diese letzte Übung: Mit einer aufblasbaren Halskrause, Arme und Beine lässig über die "Nudeln" gehängt, lässt man sich ein paar Minuten auf dem Wasser dahintreiben. Sanfte Musik, Entspannungsformeln des Trainers, dazu das beruhigende Plätschern, die Wärme auf der Haut – das alles ist noch eine weitere, durchaus effektvolle Aquafitness-Variante – Aquarelaxing gewissermaßen.