Der erste Schrei eines Neugeborenen. Eigentlich - so will es das Klischee - sollte die junge Mutter jetzt überglücklich sein. Doch oft ist das tritt Gegenteil ein:
"Als ob irgend was in einem gestorben ist, so fühlt sich das an; man ist kein Mensch mehr. Also man existiert nicht, man funktioniert nur noch. Ich hatte Riesenangst, dass ich meinem Kind nicht das geben kann, was es braucht."
...beschreibt Katja Merly-Velez die Krise nach der Geburt. Die Heultage, der Babyblues, wuchsen sich bei ihr zu einer Depression mit massiven Ängsten aus. Und ihre Sorge um das Kind war durchaus berechtigt, denn eine derartig schwer erkrankte Mutter kann dem Kind nicht alles Nötige geben.
Obwohl 50 - 80 Prozent der Mütter nach der Geburt starke Stimmungsschwankungen und Trauer erleben, sind die Ursachen ungenügend erforscht, erklärt der leitende Oberarzt für Geburtshilfe der Universitäts-Frauenklinik in Heidelberg, Dr. Holger Maul:
"Es sind sicherlich viele Dinge, die hier zusammen wirken. An vorderster Front wird immer genannt der Hormonentzug, der stattfindet unmittelbar nach der Geburt, also der Abfall insbesondere des Östrogens. Aber, was die genaue Ursache ist, das ist weitestgehend ungeklärt."
Wissenschaftler vermuten, dass - ausgelöst durch die außergewöhnliche Belastung einer Geburt - seelische und körperliche Faktoren zusammenwirken. Dr. Corinna Reck, leitende Psychologin in der Psychiatrischen Klinik:
"Man findet das Phänomen zum Beispiel auch nach schweren Operationen. Es könnte auch sein, dass es was mit der Stressreaktion nach der Geburt zu tun haben kann, mit ner großen Erschöpfung, der Verarbeitung dieses sehr überwältigenden Ereignisses Geburt."
"Die Geburt, ja, die hat einem die letzte Kraft, also man hat ja zehn Monate Schwangerschaft hinter sich - und die hat einem die letzte Kraft, einfach genommen. Und wenn man keine Kraft mehr hat, dann hat man auch keine Kraft mehr um sich zu freuen."
Nicht nur die Geburt ist eine körperliche Höchstleistung, sondern auch die erste Zeit mit einem Neugeborenen kann sehr anstrengen, weil es seinen Rhythmus von Schlafen, Wachen und Trinken finden muss und die Eltern deshalb kaum die nötige Ruhe finden. Denn die Stimme eines Babies lässt niemanden kalt und dringt durch mehrere Türen, wie in Corinna Recks Büro manchmal zu hören ist. Damit könnte die Kleinfamilie überfordert sein.:
"Es scheint Kulturen zu geben, in denen das nicht auftritt. Und zwar in Kulturen, in denen nicht so ne große Umstellung der Lebenssituation mit der Geburt eines Kindes verbunden ist, und in der ein sehr ausgeprägtes Unterstützungssystem vorhanden ist. Also in denen zum Beispiel selbstverständlich die Frauen nicht allein gelassen werden, sondern in den ersten vier Wochen rund um die Uhr betreut werden."
Genau diese Betreuung rund um die Uhr scheint besonders hilfreich, nicht nur, wenn eine Mutter den Babyblues hat - der betrifft die meisten Wöchnerinnen - sondern Depressionen oder Angstzustände bekommt, was jede dritte Mutter treffen kann.
"Der Babyblues, das ist so ne erhöhte Irritierbarkeit, die Frauen weinen sehr viel, die Stimmung ist verschlechtert, starke Stimmungsschwankungen, Ängstlichkeit, die aber so nach in der Regel spätestens fünf Tagen abklingt, maximal bis zehn Tage andauert. Und da kann man nicht sagen, dass es da besondere Risikofaktoren dafür gibt."
Das ist bei den nachgeburtlichen Depressionen und Angststörungen anders. Wenn die Frauen vorher schon psychische Erkrankungen hatten, oder die Schwangerschaft ungewollt, oder sehr belastend ist, dann ist auch das Risiko höher.
"Und das ist so der Punkt, wo man sich dann Sorgen machen sollte. Wichtig ist, dass die Frauen einfach aufgeklärt werden, beruhigt werden, aber das man auch ein Stück ernst nimmt, ohne es zu dramatisieren und sich den Verlauf gut anschaut."
Solche psychischen Erkrankungen müssen behandelt werden, damit das Kind keinen Schaden nimmt, denn es ist noch besonders empfindlich:
"Man weiß, dass grade die ersten drei Monate so ne Art sensitive Phase darstellen, das Gehirn entwickelt sich noch, Synapsen werden gebildet. Ganz wesentlich ist die Anregung durch die Interaktion mit Bezugspersonen, die Mutter, es kann der Vater sein, die Großmutter. Die Kinder sind angewiesen auf die Spiegelung ihrer Affekte, die Ammensprache, ne ausgeprägte Mimik, Vokalisierungen sind wichtig für die Sprachentwicklung.
Wir wissen auch, dass Kinder die in dieser Zeit anfangen den Blick zu vermeiden, also die Kontaktaufnahme zu unterbinden, dass die ein erhöhtes Risiko haben für spätere kognitive Defizite und auch emotionale Risiken."
Kurzum, das Kind braucht Zuwendung, braucht Antworten und beides kann eine psychisch kranke Mutter unter Umständen nicht ausreichend geben. Auch ein engagierter Vater, wie Michael Merly-Velez, kann das nur zum Teil auffangen.
"Ja, irgend wann hab ich das Gefühl gehabt, dass wir uns im freien Fall befinden, meine Frau, oder unsere Familie und das wir jetzt im Moment nicht weiter wissen."
Auch Väter können Wochenbett-Depressionen erleiden. So weit sollte man es nicht erst kommen lassen, doch die Nöte, die eine Geburt auch mit sich bringt, werden ungern angesprochen, erklärt Dr. Holger Maul.
"Es ist ein Tabu-Thema. Es ist ein Thema über das keiner gern redet. Wer wird sich in der Praxis oder auch an einer Klinik dazu durchringen Patienten nach ihren psychischen Problemen ganz gezielt anzusprechen und möglicherweise auch als Frauenarzt die Empfehlung abgeben, sie sollten sich einen Psychiater suchen; oder, wir bieten ihnen eine psychologische Mitbetreuung an. Das ist immer noch Tabu-Thema und immer noch etwas was uns sehr sehr schwer fällt; auch mir persönlich ist das am Anfang sehr schwer gefallen."
Das geht den Eltern ähnlich, die meinen nach der Geburt glücklich sein zu müssen, berichtet Michael Merly-Velez:
"Es ist natürlich ein Tabu-Thema über das man nicht spricht, weil man denkt: Ja, das geht wieder weg. Jetzt im Nachhinein durch die vielen Gespräche mit Freunden und Bekannten, hört man auch, dass sehr viele Leute darunter leiden, und, dass man bestimmt auch Hilfe bekommen hätte, wenn man nicht das Ganze so verschwiegen hätte."
Zumindest beim Babyblues können Freunde und Verwandte helfen, indem sie einfach Arbeiten übernehmen und die Eltern entlasten. Bei einer psychischen Erkrankung sind Profis gefragt. Sie entschärfen die Krise zunächst auch mit Medikamenten, aber dann durch gezielte Therapien. Katja Merly-Velez beschreibt, was ihr gut getan hat:
"Das Hilfreichste waren die Therapien, die Einzelgespräche, der Austausch mit den Müttern und die Bestärkung des Personals ja in seine Fähigkeiten wieder, dass man das Vertrauen wieder zurück bekommt."
Schon die Gespräche mit anderen betroffenen Müttern machten Mut, dass die Krise zu meistern ist. Sie führen auch zu bestehenden Selbsthilfegruppen. So konnte sie - trotz Therapie in der Klinik - schon recht bald wieder für ihr Kind sorgen.
In Heidelbergs Uniklinik erlaubt die räumliche Nähe der Gebäude und das Engagement der Mitarbeiter eine Rundumversorgung der betroffenen Familien, die aber von den Kassen nur zum Teil bezahlt wird und noch lange nicht die Regel ist:
"Noch immer sind wir weit davon entfernt eine auch, was die psychische Situation angeht, optimale Betreuung von Schwangeren und Entbundenen in Deutschland zu haben,..."
...weshalb Katja Merly-Velez auf Grund ihrer eigenen Leidensgeschichte rät:
"Mutig zu sein und jedem zu sagen, der fragt: "Und, Dir geht‘s doch gut?" zu sagen: "Nein, mir geht‘s nicht gut. Ich bin traurig, ja, und ich bin total unsicher"; und da einfach nicht zu lügen."
"Als ob irgend was in einem gestorben ist, so fühlt sich das an; man ist kein Mensch mehr. Also man existiert nicht, man funktioniert nur noch. Ich hatte Riesenangst, dass ich meinem Kind nicht das geben kann, was es braucht."
...beschreibt Katja Merly-Velez die Krise nach der Geburt. Die Heultage, der Babyblues, wuchsen sich bei ihr zu einer Depression mit massiven Ängsten aus. Und ihre Sorge um das Kind war durchaus berechtigt, denn eine derartig schwer erkrankte Mutter kann dem Kind nicht alles Nötige geben.
Obwohl 50 - 80 Prozent der Mütter nach der Geburt starke Stimmungsschwankungen und Trauer erleben, sind die Ursachen ungenügend erforscht, erklärt der leitende Oberarzt für Geburtshilfe der Universitäts-Frauenklinik in Heidelberg, Dr. Holger Maul:
"Es sind sicherlich viele Dinge, die hier zusammen wirken. An vorderster Front wird immer genannt der Hormonentzug, der stattfindet unmittelbar nach der Geburt, also der Abfall insbesondere des Östrogens. Aber, was die genaue Ursache ist, das ist weitestgehend ungeklärt."
Wissenschaftler vermuten, dass - ausgelöst durch die außergewöhnliche Belastung einer Geburt - seelische und körperliche Faktoren zusammenwirken. Dr. Corinna Reck, leitende Psychologin in der Psychiatrischen Klinik:
"Man findet das Phänomen zum Beispiel auch nach schweren Operationen. Es könnte auch sein, dass es was mit der Stressreaktion nach der Geburt zu tun haben kann, mit ner großen Erschöpfung, der Verarbeitung dieses sehr überwältigenden Ereignisses Geburt."
"Die Geburt, ja, die hat einem die letzte Kraft, also man hat ja zehn Monate Schwangerschaft hinter sich - und die hat einem die letzte Kraft, einfach genommen. Und wenn man keine Kraft mehr hat, dann hat man auch keine Kraft mehr um sich zu freuen."
Nicht nur die Geburt ist eine körperliche Höchstleistung, sondern auch die erste Zeit mit einem Neugeborenen kann sehr anstrengen, weil es seinen Rhythmus von Schlafen, Wachen und Trinken finden muss und die Eltern deshalb kaum die nötige Ruhe finden. Denn die Stimme eines Babies lässt niemanden kalt und dringt durch mehrere Türen, wie in Corinna Recks Büro manchmal zu hören ist. Damit könnte die Kleinfamilie überfordert sein.:
"Es scheint Kulturen zu geben, in denen das nicht auftritt. Und zwar in Kulturen, in denen nicht so ne große Umstellung der Lebenssituation mit der Geburt eines Kindes verbunden ist, und in der ein sehr ausgeprägtes Unterstützungssystem vorhanden ist. Also in denen zum Beispiel selbstverständlich die Frauen nicht allein gelassen werden, sondern in den ersten vier Wochen rund um die Uhr betreut werden."
Genau diese Betreuung rund um die Uhr scheint besonders hilfreich, nicht nur, wenn eine Mutter den Babyblues hat - der betrifft die meisten Wöchnerinnen - sondern Depressionen oder Angstzustände bekommt, was jede dritte Mutter treffen kann.
"Der Babyblues, das ist so ne erhöhte Irritierbarkeit, die Frauen weinen sehr viel, die Stimmung ist verschlechtert, starke Stimmungsschwankungen, Ängstlichkeit, die aber so nach in der Regel spätestens fünf Tagen abklingt, maximal bis zehn Tage andauert. Und da kann man nicht sagen, dass es da besondere Risikofaktoren dafür gibt."
Das ist bei den nachgeburtlichen Depressionen und Angststörungen anders. Wenn die Frauen vorher schon psychische Erkrankungen hatten, oder die Schwangerschaft ungewollt, oder sehr belastend ist, dann ist auch das Risiko höher.
"Und das ist so der Punkt, wo man sich dann Sorgen machen sollte. Wichtig ist, dass die Frauen einfach aufgeklärt werden, beruhigt werden, aber das man auch ein Stück ernst nimmt, ohne es zu dramatisieren und sich den Verlauf gut anschaut."
Solche psychischen Erkrankungen müssen behandelt werden, damit das Kind keinen Schaden nimmt, denn es ist noch besonders empfindlich:
"Man weiß, dass grade die ersten drei Monate so ne Art sensitive Phase darstellen, das Gehirn entwickelt sich noch, Synapsen werden gebildet. Ganz wesentlich ist die Anregung durch die Interaktion mit Bezugspersonen, die Mutter, es kann der Vater sein, die Großmutter. Die Kinder sind angewiesen auf die Spiegelung ihrer Affekte, die Ammensprache, ne ausgeprägte Mimik, Vokalisierungen sind wichtig für die Sprachentwicklung.
Wir wissen auch, dass Kinder die in dieser Zeit anfangen den Blick zu vermeiden, also die Kontaktaufnahme zu unterbinden, dass die ein erhöhtes Risiko haben für spätere kognitive Defizite und auch emotionale Risiken."
Kurzum, das Kind braucht Zuwendung, braucht Antworten und beides kann eine psychisch kranke Mutter unter Umständen nicht ausreichend geben. Auch ein engagierter Vater, wie Michael Merly-Velez, kann das nur zum Teil auffangen.
"Ja, irgend wann hab ich das Gefühl gehabt, dass wir uns im freien Fall befinden, meine Frau, oder unsere Familie und das wir jetzt im Moment nicht weiter wissen."
Auch Väter können Wochenbett-Depressionen erleiden. So weit sollte man es nicht erst kommen lassen, doch die Nöte, die eine Geburt auch mit sich bringt, werden ungern angesprochen, erklärt Dr. Holger Maul.
"Es ist ein Tabu-Thema. Es ist ein Thema über das keiner gern redet. Wer wird sich in der Praxis oder auch an einer Klinik dazu durchringen Patienten nach ihren psychischen Problemen ganz gezielt anzusprechen und möglicherweise auch als Frauenarzt die Empfehlung abgeben, sie sollten sich einen Psychiater suchen; oder, wir bieten ihnen eine psychologische Mitbetreuung an. Das ist immer noch Tabu-Thema und immer noch etwas was uns sehr sehr schwer fällt; auch mir persönlich ist das am Anfang sehr schwer gefallen."
Das geht den Eltern ähnlich, die meinen nach der Geburt glücklich sein zu müssen, berichtet Michael Merly-Velez:
"Es ist natürlich ein Tabu-Thema über das man nicht spricht, weil man denkt: Ja, das geht wieder weg. Jetzt im Nachhinein durch die vielen Gespräche mit Freunden und Bekannten, hört man auch, dass sehr viele Leute darunter leiden, und, dass man bestimmt auch Hilfe bekommen hätte, wenn man nicht das Ganze so verschwiegen hätte."
Zumindest beim Babyblues können Freunde und Verwandte helfen, indem sie einfach Arbeiten übernehmen und die Eltern entlasten. Bei einer psychischen Erkrankung sind Profis gefragt. Sie entschärfen die Krise zunächst auch mit Medikamenten, aber dann durch gezielte Therapien. Katja Merly-Velez beschreibt, was ihr gut getan hat:
"Das Hilfreichste waren die Therapien, die Einzelgespräche, der Austausch mit den Müttern und die Bestärkung des Personals ja in seine Fähigkeiten wieder, dass man das Vertrauen wieder zurück bekommt."
Schon die Gespräche mit anderen betroffenen Müttern machten Mut, dass die Krise zu meistern ist. Sie führen auch zu bestehenden Selbsthilfegruppen. So konnte sie - trotz Therapie in der Klinik - schon recht bald wieder für ihr Kind sorgen.
In Heidelbergs Uniklinik erlaubt die räumliche Nähe der Gebäude und das Engagement der Mitarbeiter eine Rundumversorgung der betroffenen Familien, die aber von den Kassen nur zum Teil bezahlt wird und noch lange nicht die Regel ist:
"Noch immer sind wir weit davon entfernt eine auch, was die psychische Situation angeht, optimale Betreuung von Schwangeren und Entbundenen in Deutschland zu haben,..."
...weshalb Katja Merly-Velez auf Grund ihrer eigenen Leidensgeschichte rät:
"Mutig zu sein und jedem zu sagen, der fragt: "Und, Dir geht‘s doch gut?" zu sagen: "Nein, mir geht‘s nicht gut. Ich bin traurig, ja, und ich bin total unsicher"; und da einfach nicht zu lügen."