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Radiolexikon Chemotherapie

Viele Patienten stehen mit der Krebsdiagnose und dem Behandlungsvorschlag ihres Arztes ganz alleine da. Sie haben noch viele Fragen, wollen wissen, was alles auf sie zukommen wird, beispielsweise wenn der Arzt ihnen eine Chemotherapie empfohlen hat.

Von Renate Rutta |
    "Krebsinformationsdienst, guten Tag, mein Name ist Karin Schumann, um was für einen Tumor geht es? Lymphom, B-Zell-Lymphom, ja, wo ist der Lymphknoten gewesen? Ist ja zunächst nur ein Verdacht, sagten Sie?"

    Hier beim Krebsinformationsdienst können Betroffene, Angehörige und Freunde von Krebskranken anrufen, wenn sie etwas über Behandlungsmöglichkeiten, Früherkennung und Krebsrisiken wissen wollen. Anrufer bekommen dort aktuelle, qualitätsgeprüfte und verständliche Informationen zum Thema Krebs. Träger ist das Deutsche Krebsforschungszentrum Heidelberg. Informationen gibt es im Internet, über einen E-Mail-Service und einen kostenfreien Telefondienst.

    "Haben Sie dann noch Fragen? Gut, dann wünsche ich Ihnen alles Gute. Das freut mich, machen Sie das, sprechen Sie mal mit ihm, ja gerne, wiederhören, danke."

    Viele Anrufer stehen mit der Krebsdiagnose und dem Behandlungsvorschlag ihres Arztes ganz alleine da. Sie haben noch viele Fragen, wollen wissen, was alles auf sie zukommen wird, beispielsweise wenn der Arzt ihnen eine Chemotherapie empfohlen hat. Dr. Regine Hagmann, Leiterin des Krebsinformationsdienstes in Heidelberg.

    "Die häufigsten Fragen bei uns im Dienst sind Fragen zu Brustkrebs. Und gerade Brustkrebspatientinnen sind sehr informationsbedürftig, fragen sehr detailliert. Und eine häufige Frage ist, ob die Chemotherapie, die man ihnen vorgeschlagen hat, auch wirklich die richtige ist, beziehungsweise, ob sie wirklich notwendig ist in der Situation, in der sich die Frau befindet."

    Neben Operation und Bestrahlung ist die Chemotherapie die wichtigste Behandlungsmethode für viele Krebsarten. Chemotherapie bedeutet eigentlich eine Behandlung mit chemischen Substanzen, die Infektionserreger oder Tumorzellen schädigen kann.

    Sie kann alleine eingesetzt werden oder mit anderen Möglichkeiten kombiniert werden.

    Eine Chemotherapie kann zur Tumorverkleinerung vor einer Operation eingesetzt werden, sie kann nach der Operation die Heilungschancen vergrößern oder sie kann den Tumor verkleinern und damit Beschwerden lindern.

    Viele Anruferinnen suchen Orientierung und eine individuelle Beratung während ihrer Chemotherapie.

    "Da schwingen die Befürchtungen, die Angst vor Nebenwirkungen mit. Und die Patienten werden häufig vor die Entscheidung gestellt, ob sie es machen oder nicht. Und da sind zusätzliche Informationen wichtig, gerade zum möglichen Behandlungserfolg. Was weiß man, was bringt's und zu den möglichen negativen Begleiterscheinungen, sprich akuten Nebenwirkungen und auch Spätfolgen, teilweise, ne."

    Wie wirkt nun eigentlich eine Chemotherapie? Wo greift sie an und wie kommt es zu den Nebenwirkungen? In gesundem Gewebe teilen sich – abgesehen von wenigen Ausnahmen – nur wenige Zellen. Krebszellen dagegen teilen sich häufig öfter als gesunde Zellen. Durch dieses Unterscheidungsmerkmal sind Krebszellen angreifbar, wenn eine Chemotherapie begonnen wird.

    Bei der Chemotherapie werden so genannte Zytostatika oder "Zellgifte" eingesetzt. Diese Substanzen stoppen weitere unkontrollierte Teilungen der Krebszellen. Die meisten Zytostatika greifen jedoch nicht nur in Zellteilungsvorgänge von Tumorzellen ein. Auch Gewebe, das sich ähnlich häufig teilt wie Krebszellen, ist betroffen, etwa Schleimhautzellen im Mund und im Verdauungstrakt sowie Zellen der Blutbildung im Knochenmark oder solche, die die Haare bilden. Daher rührt ein Teil der Nebenwirkungen von Chemotherapien wie Haarausfall, Schleimhautprobleme, Durchfall, Übelkeit, Müdigkeit, Blutveränderungen.

    Viele Patienten leiden besonders darunter, wenn sie ganz oder teilweise ihre Haare verlieren. Viele verwenden in dieser Zeit eine Perücke. Vielleicht ein Trost: Wenn die Chemotherapie beendet ist, wachsen die Haare auf jeden Fall wieder nach.

    "Wenn Patienten anrufen, die eine Chemotherapie bekommen und dann unter den Nebenwirkungen leiden, dann wird häufig gefragt, was kann man dagegen tun, was kann der Arzt dagegen tun, was kann ich selber tun, damit die Nebenwirkungen gelindert werden, dass ich's besser vertrage. Und dann häufig die Frage, ja es ist so schlimm, was ist denn, wenn ich jetzt die Therapie abbreche, was passiert dann?
    Das sind sehr schwierige Fragen teilweise."

    Oft haben Anrufer auch Dinge über die Chemotherapie gehört, die sie nicht einordnen können und wünschen sich weitere Informationen dazu.

    "Wichtige Themen sind auch häufig, über Maßnahmen zu informieren, von denen sich ein Anrufer viel verspricht. Zum Beispeil diese Vorstellung, wenn ich Chemotherapie bekomme, dann brauch ich Entgiftung. Da muss ich was machen, dass dieses Zeug aus dem Körper kommt. Allein zu informieren und zu sagen, das ist nach zwei, drei, vier Stunden abgebaut im Körper. Das wird ausgeschieden, irgendwelche Entgiftungsmaßnahmen sind nicht notwendig, das ist schon ne große Erleichterung häufig."

    Die Zytostatika, die seit vielen Jahren in der Chemotherapie eingesetzt werden, könnte man auch als "Zellstopper" bezeichnen – sie hindern Zellen an der Teilung und bringen sie zum Absterben. Professor Dirk Jäger, Direktor der Medizinischen Onkologie im Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen in Heidelberg.

    "Grundsätzlich wirken Chemotherapien so, dass sie sich teilende Zellen stören und abtöten sollen. Wir machen gezielt Fehler bei der Vervielfältigung der Erbinformation. Wenn Zellen sich teilen, muss die Erbinformation verdoppelt werden und auf die Tochterzellen verteilt werden. Wenn hier entscheidende Fehler eingebaut werden durch Chemotherapie, sind Tochterzellen nicht mehr lebensfähig. Und das ist ein Hauptwirkmechanismus der Chemotherapie."

    Die Medikamente dafür können auf unterschiedliche Weise verabreicht werden.

    Einige Zytostatika können eingenommen werden als Tablette. Andere werden über eine Injektion verabreicht, bei der die Medikamente innerhalb weniger Minuten ins Blut gelangen. Doch die meisten Krebspatienten erhalten ihre Chemotherapie tröpfchenweise über eine Infusion in die Vene. Das kann einige Minuten, aber auch mehrere Stunden dauern. Die Zytostatika wirken dann im ganzen Körper und können auch verstreute Krebszellen erreichen.

    Manchmal sind zu Beginn der Behandlung kurzfristige Krankenhausaufenthalte notwendig. Oft wird die Behandlung dann in einer Tagesklinik ambulant durchgeführt.

    "Wir haben große Erfahrungswerte, welche Medikamente sind für welche Erkrankungen besonders günstig. Diese Erfahrungswerte haben wir aus klinischen Studien, die in der Vergangenheit durchgeführt werden, wo gemessen wurde, wie effektiv ist eine bestimmte Medikamentenkombination. Und hier versuchen wir aus diesen Erfahrungen die optimale Medikamentenkombination für eine entsprechende klinische Situation eines individuellen Patienten zu wählen."

    Wie wird eine Chemotherapie durchgeführt? Es gibt mehrere Dutzend verschiedene Zytostatika, die zur Chemotherapie verwendet werden. Selten wird eine Behandlung fortlaufend durchgeführt. Die meisten Chemotherapien laufen in sogenannten Zyklen ab, danach folgt ein behandlungsfreier Zeitraum. Wie lange ein solcher Zyklus dauert, hängt von den jeweiligen Medikamenten ab.

    "Wenn wir eine Tumorerkrankung haben, die wahrscheinlich heilbar ist mit einer Chemotherapie, beispielsweise ein metastasierter sogenannter Keimzelltumor, ein Hodentumor, dann wissen wir, aller Voraussicht nach kann der Patient mit vier Zyklen, also vier Verabreichungszyklen einer bestimmten Chemotherapiekombination, geheilt werden.

    Dann ist das das Therapieziel, diese vier Runden Chemotherapie, das dauert vier Monate, durchzuführen. Wir messen bereits nach zwei Mal Chemotherapie, wie gut ist das Ansprechen auf die Behandlung, messen am Ende nach dem vierten Zyklus, ist die Erkrankung wirklich weg? Wenn das der Fall ist, wird der Patient in ein Nachsorgeprogramm überführt werden, wo in regelmäßigen Abständen kontrolliert wird."

    Anders ist die Situation, wenn die Krebserkrankung voraussichtlich nicht heilbar ist. Dann wird man bei der Chemotherapie anders vorgehen.

    "Beispielsweise ein weit fortgeschrittener Lungentumor oder ein metastasierter Dickdarmtumor, der nicht operiert werden kann. Dann kann man nicht voraussagen, wie viel Chemotherapiezyklen kommen auf den Patienten zu. Hier gilt es, ein wirksames aber auch gut verträgliches Regime zu finden. Und wir würden dann im Prinzip alle zwei bis drei Monate Kontrolluntersuchungen machen und dann die weitere Chemotherapie davon abhängig machen, wie gut spricht der Patient auf die Therapie an, wie verträglich ist es, ist seine Lebensqualität gut?

    Und wenn man das weiß, kann man mit dem Patienten in Schritten weiterplanen, kann man die Chemotherapie fortsetzen, wenn sie wirksam ist, was ist unser Therapieziel? Wenn es nur gelingt, die Erkrankung stabil zu halten, wird man eine Pause einbauen müssen, also es hängt sehr viel vom Therapieerfolg ab."

    Alle zwei bis drei Monate wird bei fortgeschrittenen Tumorerkrankungen die Wirksamkeit der Chemotherapie überprüft.

    "Das machen wir meist durch bildgebende Verfahren, Computertomographie, Kernspin, Ultraschall. Da werden einfach messbare Tumorläsionen, Absiedlungen in der Größe ausgemessen und dann im Zeitverlauf gegenübergestellt. Da kann man sehr genau messen, wird die Tumorerkrankung kleiner unter der Chemotherapie, dann ist sie wirksam, bleibt sie gleich, werden die Läsionen zumindest nicht größer, dann hat man eine stabile Erkrankung erreicht. Wenn messbare Läsionen größer werden, dann sollte man eine solche Chemotherapie sicher nicht weiterführen."

    Früher hat man bei der Krebsbehandlung zu Ruhe und Schonung geraten. Heute weiß man, das ist die falsche Strategie – Ärzte ermuntern ihre Patienten eher zu Spaziergängen und Gartenarbeit.

    "Wir wissen heute auch, dass es wichtig ist, dass Patienten sich bewegen, also moderat Ausdauersport betreiben. Wir wissen, dass darunter die Nebenwirkungen weniger stark auftreten, Patienten sich besser fühlen. Wir wissen heute auch, dass ein moderates Ausdauertraining sogar einen Antitumoreffekt hat.

    Der Mechanismus ist nicht genau verstanden. Wir vermuten, dass moderate körperliche Bewegung, ein Ausdauertraining über einen Mechanismus Immunstimulation möglicherweise einen Antitumoreffekt ausübt."