Wir sind jetzt hier in der Uniklinik Bonn auf dem sogenannten Venusberg und in der kardiologischen Abteilung, und da wird an mir gerade ein Belastungs-EKG durchgeführt.
"Da werden so Ströme aufgezeichnet, so ganz genau weiß ich da auch nicht Bescheid."
Das menschliche Herz ist weit mehr als eine schlichte Pumpe: Es schlägt etwa 100.000 Mal am Tag und pumpt dabei im Ruhezustand fünf bis sieben Liter Blut pro Minute durch den gesamten Körper. Bei körperlicher Anstrengung klettert der Puls schon mal auf über 200 Schläge pro Minute, wobei der Herzmuskel mehr als 25 Liter Blut transportiert.
Dabei arbeitet das Herz weitgehend autonom: Die Befehle, wie häufig und wie stark sich der Hohlmuskel zusammenziehen soll, stammen vom Herzen selbst: Spezialisierte Zellen im Herzen erzeugen dazu feinste elektrische Ströme und geben damit das Kommando für die Herzaktivität, erläutert Professor Georg Nickenig, Chefarzt der kardiologischen Abteilung am Universitätsklinikum Bonn:
"Es gibt Zellen, sogenannte Schrittmacherzellen, der Sinusknoten im Vorhof, das wäre jetzt sozusagen der Präsident dieser stromproduzierenden Zellen, die quasi den Takt vorgeben, aber auch in jeder einzelnen Muskelzelle wird ein Strom produziert und quasi die Erregung die Aktivität an die nächste Zelle weitergeben zu können."
Weil alle Herzzellen elektrisch gekoppelt sind, breitet sich die elektrische Erregung auf das gesamte Organ aus und gibt damit an die Muskelzellen den Befehl, sich zusammenzuziehen. Diese Steuerung arbeitet völlig unabhängig vom Gehirn. Allerdings kann die hormonelle und nervliche Großwetterlage den Herzschlag durchaus beeinflussen: So lassen Angst oder Stress oder Erregung das Herz schneller schlagen, während es im Ruhezustand langsamer schlägt.
An frisch getöteten Tieren entdeckte der italienische Physiker Carlo Matteucci 1843 erstmals diese elektrische Aktivität der Herzzellen. Allerdings konnte er die geringen Ströme nur am geöffneten Brustkorb der Tiere nachweisen. Erst knapp 40 Jahre später gelang es dem britischen Physiologen Augustus Desiré Waller erstmals, an einem lebenden Hund das erste Elektrokardiogramm – kurz EKG – abzuleiten.
Als eigentlicher Erfinder des EKGs gilt der niederländische Physiologe Willem Einthoven. Er entwickelte Methoden, um Herzströme sichtbar zu machen, und schuf so den ersten Standard für das Elektrokardiogramm. 1924 erhielt er für seine Leistungen den Nobelpreis für Medizin.
So wie dieses EKG piepsen meist nur Überwachsungsmonitore, also Geräte, die das EKG von Patienten auf der Intensivstation oder im OP-Saal aufzeichnen. Heute sind während der meisten Untersuchungen die EKGs stumm: Computer zeichnen die elektrischen Ströme auf, machen sie auf Bildschirmen sichtbar und speichern die Werte zusätzlich ab, damit sie auch nach der Untersuchung für Analysen zur Verfügung stehen. Die Software meldet den Ärzten sogar, welche Krankheit der Patient möglicherweise hat. Doch Mediziner trauen eher ihren eigenen Augen als der standardisierten Analyse, betont die Kardiologin Dr. Katrin Junker von der Universitätsklinik Bonn:
"Die EKG-Auswertung aus dem Computer sollte man möglichst aus seinem Gedächtnis streichen, dass es das überhaupt gibt. Es gibt da schon konfigurierte Programme, die einem schon anzeigen können, was der Patient hat. Da sollte man sich nie drauf verlassen. Deswegen: Wir gucken uns selbst noch die EKG-Zacken an, sei es nun im Computer oder im Ausgedruckten und beurteilen das dann selbst."
Mittlerweile sind die Geräte so empfindlich, dass sie sogar schon das EKG eines Fötus im Mutterleib aufzeichnen. Georg Nickenig von der Universitätsklinik Bonn erklärt, was ein geübter Mediziner anhand der Kurven erkennen kann:
"Auf dem EKG sehen sie eine sogenannte Stromlinienkurve, das ist eine Veränderung der Spannung über diesem Herzen und übertragen auf den Gesamtorganismus.
Sie können dadurch feststellen, ob das Herz im richtigen Takt schlägt. Also ob Rhythmusstörungen beispielsweise in diesem Moment vorhanden sind. Sie können daran detektieren, ob das Herz vergrößert ist – nicht in 100 Prozent aller Fälle, aber Sie können Hinweise dafür gewinnen. Sie können erkennen, ob ein Sauerstoffmangel besteht. Und Sie können vor allen Dingen – und dafür ist es ganz, ganz wichtig - erkennen, ob ein Patient einen akuten Herzinfarkt hat."
Üblicherweise kleben Ärzte dem Patienten sechs Elektroden auf Brust und Rücken. Je nach Ableitungsmethode dient eine weitere Elektrode an Hand oder Fuß als Vergleichselektrode. Der Monitor zeigt dann für jede Elektrode eine charakteristische Kurve, in der jeder Zacken für eine bestimmte Region des Herzens steht:
"Eine normale EKG-Linie besteht aus einer P-Welle, das ist eine Erregung aus dem sogenannten Vorhof oder den Vorhöfen, die das Blut in die Hauptkammer transportieren. Nach der P-Welle und der kurzen sogenannten isoelektrischen Linie gibt es den sogenannten QRS-Komplex. Das ist eine Zacke, die einmal nach unten, weit nach oben und wieder leicht nach unten geht."
Die markiert sozusagen die Erregung in den großen Hauptkammern. Dann gibt es noch eine T-Welle, die sozusagen den Elektrischen Abgesang aus den Hauptkammern markiert.
Form und Aussehen der Kurve, die Abstände zwischen den Zacken oder sogenannte Extraschläge geben dem Arzt Aufschluss über den Zustand des Herzens. Insgesamt gibt es drei unterschiedliche EKG-Typen: Das normale EKG beim Arzt dauert nur wenige Minuten, während ein Langzeit-EKG die Herzströme über einen Zeitraum von bis zu 72 Stunden aufzeichnen kann. Chronisch Herzkranke können ein solches EKG sogar ständig mit sich führen und bei Bedarf per Telefon oder Handy ihre Daten an ihren Arzt übermitteln.
Beim Belastungs-EKG sitzt der Patient in der Regel auf einem Fahrrad-Ergometer. Die Untersuchung dauert meist etwa zehn Minuten, während die Belastung für den Patienten kontinuierlich steigt. Denn manche Herzprobleme wie Rhythmusstörungen oder plötzliche Aussetzer treten erst bei körperlicher Belastung auf. Ein Computerprogramm errechnet dazu anhand von Alter, Körpergewicht und Körpergröße, welche Leistung der Patient erbringen soll. Während der Untersuchung wird das EKG überwacht und alle zwei Minuten Blutdruck gemessen.
Nach zehn Minuten folgt die Erholungsphase. Der Patient fährt weiter auf dem Ergometer, die Belastung sinkt jedoch wieder auf das Ausgangsniveau. Doch selbst wenn der Patient schon entspannen darf, haben die Ärzte noch keinen Feierabend: Sie beobachten den Patienten auch während der sogenannten Erholungsphase. Warum, erläutert Katrin Junker von der Universitätsklinik Bonn:
"Weil teilweise auch erst nach der Belastung Störungen entstehen können. So konnte man eben einen Extraschlag erkennen, das hat noch überhaupt nichts zu bedeuten, das hat jeder Mensch immer wieder mal, dass mal Extraschläge auftreten, kann aber wenn es in einem bestimmten Maße auftritt auch ein Hinweis auf eine bestehende Erkrankung sein."
Ein Hilfsmittel zur Diagnostik aus der Zeit um 1900 – da stellt sich die Frage, ob das EKG über 100 Jahre später nicht längst veraltet ist. Doch Kardiologen schätzen es nach wie vor. So auch Dr. Katrin Junker von der Uniklinik Bonn:
"Das ist unser tägliches Brot, würde ich sagen. Ist unser Grundiagnostikum für alles. Wenn man wirklich sehr geübt ist, kann man fast alle Erkrankungen des Herzens zumindest erahnen. Es gibt viele versteckte Hinweise darin. Und da kann man sich auch ewig weiterbilden drüber."
"Da werden so Ströme aufgezeichnet, so ganz genau weiß ich da auch nicht Bescheid."
Das menschliche Herz ist weit mehr als eine schlichte Pumpe: Es schlägt etwa 100.000 Mal am Tag und pumpt dabei im Ruhezustand fünf bis sieben Liter Blut pro Minute durch den gesamten Körper. Bei körperlicher Anstrengung klettert der Puls schon mal auf über 200 Schläge pro Minute, wobei der Herzmuskel mehr als 25 Liter Blut transportiert.
Dabei arbeitet das Herz weitgehend autonom: Die Befehle, wie häufig und wie stark sich der Hohlmuskel zusammenziehen soll, stammen vom Herzen selbst: Spezialisierte Zellen im Herzen erzeugen dazu feinste elektrische Ströme und geben damit das Kommando für die Herzaktivität, erläutert Professor Georg Nickenig, Chefarzt der kardiologischen Abteilung am Universitätsklinikum Bonn:
"Es gibt Zellen, sogenannte Schrittmacherzellen, der Sinusknoten im Vorhof, das wäre jetzt sozusagen der Präsident dieser stromproduzierenden Zellen, die quasi den Takt vorgeben, aber auch in jeder einzelnen Muskelzelle wird ein Strom produziert und quasi die Erregung die Aktivität an die nächste Zelle weitergeben zu können."
Weil alle Herzzellen elektrisch gekoppelt sind, breitet sich die elektrische Erregung auf das gesamte Organ aus und gibt damit an die Muskelzellen den Befehl, sich zusammenzuziehen. Diese Steuerung arbeitet völlig unabhängig vom Gehirn. Allerdings kann die hormonelle und nervliche Großwetterlage den Herzschlag durchaus beeinflussen: So lassen Angst oder Stress oder Erregung das Herz schneller schlagen, während es im Ruhezustand langsamer schlägt.
An frisch getöteten Tieren entdeckte der italienische Physiker Carlo Matteucci 1843 erstmals diese elektrische Aktivität der Herzzellen. Allerdings konnte er die geringen Ströme nur am geöffneten Brustkorb der Tiere nachweisen. Erst knapp 40 Jahre später gelang es dem britischen Physiologen Augustus Desiré Waller erstmals, an einem lebenden Hund das erste Elektrokardiogramm – kurz EKG – abzuleiten.
Als eigentlicher Erfinder des EKGs gilt der niederländische Physiologe Willem Einthoven. Er entwickelte Methoden, um Herzströme sichtbar zu machen, und schuf so den ersten Standard für das Elektrokardiogramm. 1924 erhielt er für seine Leistungen den Nobelpreis für Medizin.
So wie dieses EKG piepsen meist nur Überwachsungsmonitore, also Geräte, die das EKG von Patienten auf der Intensivstation oder im OP-Saal aufzeichnen. Heute sind während der meisten Untersuchungen die EKGs stumm: Computer zeichnen die elektrischen Ströme auf, machen sie auf Bildschirmen sichtbar und speichern die Werte zusätzlich ab, damit sie auch nach der Untersuchung für Analysen zur Verfügung stehen. Die Software meldet den Ärzten sogar, welche Krankheit der Patient möglicherweise hat. Doch Mediziner trauen eher ihren eigenen Augen als der standardisierten Analyse, betont die Kardiologin Dr. Katrin Junker von der Universitätsklinik Bonn:
"Die EKG-Auswertung aus dem Computer sollte man möglichst aus seinem Gedächtnis streichen, dass es das überhaupt gibt. Es gibt da schon konfigurierte Programme, die einem schon anzeigen können, was der Patient hat. Da sollte man sich nie drauf verlassen. Deswegen: Wir gucken uns selbst noch die EKG-Zacken an, sei es nun im Computer oder im Ausgedruckten und beurteilen das dann selbst."
Mittlerweile sind die Geräte so empfindlich, dass sie sogar schon das EKG eines Fötus im Mutterleib aufzeichnen. Georg Nickenig von der Universitätsklinik Bonn erklärt, was ein geübter Mediziner anhand der Kurven erkennen kann:
"Auf dem EKG sehen sie eine sogenannte Stromlinienkurve, das ist eine Veränderung der Spannung über diesem Herzen und übertragen auf den Gesamtorganismus.
Sie können dadurch feststellen, ob das Herz im richtigen Takt schlägt. Also ob Rhythmusstörungen beispielsweise in diesem Moment vorhanden sind. Sie können daran detektieren, ob das Herz vergrößert ist – nicht in 100 Prozent aller Fälle, aber Sie können Hinweise dafür gewinnen. Sie können erkennen, ob ein Sauerstoffmangel besteht. Und Sie können vor allen Dingen – und dafür ist es ganz, ganz wichtig - erkennen, ob ein Patient einen akuten Herzinfarkt hat."
Üblicherweise kleben Ärzte dem Patienten sechs Elektroden auf Brust und Rücken. Je nach Ableitungsmethode dient eine weitere Elektrode an Hand oder Fuß als Vergleichselektrode. Der Monitor zeigt dann für jede Elektrode eine charakteristische Kurve, in der jeder Zacken für eine bestimmte Region des Herzens steht:
"Eine normale EKG-Linie besteht aus einer P-Welle, das ist eine Erregung aus dem sogenannten Vorhof oder den Vorhöfen, die das Blut in die Hauptkammer transportieren. Nach der P-Welle und der kurzen sogenannten isoelektrischen Linie gibt es den sogenannten QRS-Komplex. Das ist eine Zacke, die einmal nach unten, weit nach oben und wieder leicht nach unten geht."
Die markiert sozusagen die Erregung in den großen Hauptkammern. Dann gibt es noch eine T-Welle, die sozusagen den Elektrischen Abgesang aus den Hauptkammern markiert.
Form und Aussehen der Kurve, die Abstände zwischen den Zacken oder sogenannte Extraschläge geben dem Arzt Aufschluss über den Zustand des Herzens. Insgesamt gibt es drei unterschiedliche EKG-Typen: Das normale EKG beim Arzt dauert nur wenige Minuten, während ein Langzeit-EKG die Herzströme über einen Zeitraum von bis zu 72 Stunden aufzeichnen kann. Chronisch Herzkranke können ein solches EKG sogar ständig mit sich führen und bei Bedarf per Telefon oder Handy ihre Daten an ihren Arzt übermitteln.
Beim Belastungs-EKG sitzt der Patient in der Regel auf einem Fahrrad-Ergometer. Die Untersuchung dauert meist etwa zehn Minuten, während die Belastung für den Patienten kontinuierlich steigt. Denn manche Herzprobleme wie Rhythmusstörungen oder plötzliche Aussetzer treten erst bei körperlicher Belastung auf. Ein Computerprogramm errechnet dazu anhand von Alter, Körpergewicht und Körpergröße, welche Leistung der Patient erbringen soll. Während der Untersuchung wird das EKG überwacht und alle zwei Minuten Blutdruck gemessen.
Nach zehn Minuten folgt die Erholungsphase. Der Patient fährt weiter auf dem Ergometer, die Belastung sinkt jedoch wieder auf das Ausgangsniveau. Doch selbst wenn der Patient schon entspannen darf, haben die Ärzte noch keinen Feierabend: Sie beobachten den Patienten auch während der sogenannten Erholungsphase. Warum, erläutert Katrin Junker von der Universitätsklinik Bonn:
"Weil teilweise auch erst nach der Belastung Störungen entstehen können. So konnte man eben einen Extraschlag erkennen, das hat noch überhaupt nichts zu bedeuten, das hat jeder Mensch immer wieder mal, dass mal Extraschläge auftreten, kann aber wenn es in einem bestimmten Maße auftritt auch ein Hinweis auf eine bestehende Erkrankung sein."
Ein Hilfsmittel zur Diagnostik aus der Zeit um 1900 – da stellt sich die Frage, ob das EKG über 100 Jahre später nicht längst veraltet ist. Doch Kardiologen schätzen es nach wie vor. So auch Dr. Katrin Junker von der Uniklinik Bonn:
"Das ist unser tägliches Brot, würde ich sagen. Ist unser Grundiagnostikum für alles. Wenn man wirklich sehr geübt ist, kann man fast alle Erkrankungen des Herzens zumindest erahnen. Es gibt viele versteckte Hinweise darin. Und da kann man sich auch ewig weiterbilden drüber."