"Irgendetwas ist mit mir passiert, ich fühle mich ganz mies in den letzten Tagen. Das Erlebnis letzte Woche beim Baden nachts am See sitzt mir noch tief in den Knochen. Ich kann sie nicht verdauen, diese panische Angst, in dieser schwarzen Tiefe des Sees die Kontrolle über mich zu verlieren."
"Das sind Patienten, die über lange Zeit absolut keine Freude mehr haben, an nichts mehr, die verzweifelt sind, hoffnungslos."
Professor Thomas Schläpfer, stellvertretender Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Universitätsklinikum Bonn.
"Die Schlafstörungen haben, die Schmerzsymptome haben können, die keine Initiative haben, irgendetwas anzufangen und häufig auch unter Konzentrationsstörungen leiden."
"Abendelang, tagelang sitze ich stumm grübelnd herum, ich suche immer noch nach einer Begründung für diese Panik, das Gefühl des Ausgeliefertseins, Gelähmtseins. Eine Macht, die mich bestimmt und die ich nicht beeinflussen kann, gegen die ich mich nicht einmal wehren kann."
"Manche Patienten können sagen, ja, da war in der Zeit das und das, ein schweres Lifeevent für mich, das kann aber auch etwas Erfreuliches sein, zum Beispiel nach der Geburt eines Kindes oder nach einer Hochzeit, dass da eine Depression auftaucht. Das Klassische ist, dass es nicht ursächlich, sondern einfach so kommt, leider."
Dr. Sarah Kayser leitet die Ambulanz der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Uniklinikum Bonn. Wer einen Termin mit ihr vereinbart, weiß häufig gar nicht, worunter er oder sie leidet. Und wer nach vielen Gesprächen und Untersuchungen schließlich die Diagnose "Depression" erfährt, ist ratlos. Depression? Wie wird sie behandelt?
"Die könnte aussehen: zuerst Psychotherapie, darf man natürlich nicht vergessen, wobei manche Patienten je nach Schweregrad auch erst psychotherapiefähig gemacht werden müssen. Es gibt viele schwerdepressive Menschen, die dazu erst gar nicht in der Lage sind."
Und genau hier setzen Antidepressiva ein, die den Patienten aus seiner dumpfen Lethargie befreien.
"Antidepressiva sind ganz verschiedene chemische Grundsubstanzen, die aber alle die gleiche Wirkung im Hirn haben, nämlich erhöhen sie die Konzentration von Überträgerstoffen, sogenannten Neurotransmittern, das sind Stoffe, die Informationen zwischen Nervenzellen vermitteln können, und bei der Depression ist es häufig so, dass die Konzentration dieser Stoffe zu klein ist, und alle diese Medikamente erhöhen mit verschiedenen Mechanismen diese Konzentrationen."
Die Forschung nach den Ursachen der Depression steckt noch in den Kinderschuhen. Für bestimmte Formen gibt es eine genetische Disposition, warum aber die Konzentration der Botenstoffe im Hirn sinkt, weiß niemand.
"Ja, das ist natürlich die Gretchenfrage. Das weiß man nicht, und um ganz ehrlich zu sein, man weiß auch nicht, ob bei allen depressiven Patienten diese Konzentration tiefer ist."
Unklar ist also, ob Antidepressiva bei allen Depressionen helfen. Wunder, sagt Sarah Kayser, dürfe man ohnehin nicht erwarten.
"Ich zeige auch immer gerne ein Werbeplakat aus den USA aus den 80er-Jahren, da ist eine Frau drauf, die sehr lächelt und unten darunter steht, wenn Sie Ihr Prozac, das ist Fluctin in Deutschland, jeden Tag nimmt, dann geht es ihr wieder gut. So einfach ist es leider nicht!"
In den 80er-Jahren des letzten Jahrhundert waren Antidepressiva für viele Menschen Lifestyledrogen. Das hat sich glücklicherweise geändert, wobei heute allerdings Ängste vor Antidepressiva im Mittelpunkt stehen. Machen Antidepressiva abhängig, ist eine häufig gestellte Frage? 80 Prozent der Bevölkerung glaube das, sagt Ulrich Hegerl von der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universität Leipzig, doch das sei ein Irrtum. Schlaf- und Beruhigungsmittel können in der Tat zu Abhängigkeiten führen, Medikamente gegen Depressionen aber nicht. Und mit einem weiteren Vorurteil räumt Hegerl auf: Die Stimmungslage eines Gesunden lässt sich durch Antidepressiva nicht steigern. Antidepressiva produzieren kein Glück, sie vertreiben im besten Fall den Schleier der grauen Stimmung und befreien die Patienten aus ihrer niederdrückenden Trostlosigkeit.
"Antidepressiva sind sinnvoll, häufig auch indiziert gerade bei mittelschweren und schweren Depressionen, machen aber nicht alles. Man kann nicht einfach Medikamente einnehmen und dann ist alles gut, Antidepressiva sind unterstützend, um die Menschen wieder in die Lage zu kriegen, auch mehr Aktivität zu haben und auch andere Dinge wieder tätigen zu können."
Eine Psychotherapie zu beginnen, verborgene Leiden aus der Kindheit aufzuarbeiten, die möglicherweise für den Ausbruch der Depression verantwortlich ist, aber auch schlicht am Leben wieder teilzunehmen: ins Kino zu gehen, sich mit Freunden zu treffen, eine Fahrradtour zu organisieren. Für depressive Menschen ist das Schwerstarbeit! Schwerstarbeit ist aber leider mitunter auch, das richtige Antidepressiva zu finden.
"Man muss immer wieder andere Substanzen probieren, andere Substanzkombinationen, leider gibt es da ganz wenige Informationen, in welche Richtung man diese Therapieversuche macht, aber bei ganz vielen Patienten braucht man eins, zwei, oder vier verschiedene Substanzen, bis wir eine genügende für die Patienten überzeugende Wirkung erzielen."
Wobei – auch das ist ein weitverbreiteter Irrglaube – niemand Angst haben muss, Antidepressiva würden die Persönlichkeit verändern. Eigentlich ist es genau andersherum. Die Depressionen verändert auf Dauer die Persönlichkeit des Menschen. Wer Antidepressiva nimmt, ist im besten Fall nachher "ganz der Alte", sagt Dr. Elisabeth Friess vom Max-Planck-Institut in München. Dies bedeutet nun nicht, dass nach der Einnahme von Antidepressiva die erwünschte Wirkung sofort eintritt – das Gegenteil ist der Fall.
"Die meisten Medikamente haben Nebenwirkungen, Nebenwirkungen treten dann bei fünf bis zehn Prozent aller Patienten auf, das kann Müdigkeit sein, das kann eine Appetitabnahme sein, alles Nebenwirkungen, die nicht so eindrücklich sind, aber die antidepressive Wirkung tritt in der Regel erst nach vier, fünf oder sechs Wochen ein, also sehr stark verzögert."
Thomas Schläpfer sieht in der zeitverzögerten Wirkung aber auch einen Vorteil: Der Patient spürt, dass etwas passiert, dass er aus seiner Lähmung langsam befreit wird. Setzt die Wirkung des Antidepressivums schließlich ein, verschwindet die Depression trotzdem nicht über Nacht.
"Es geht sehr lange, bis die letzten depressiven Symptome verschwunden sind, das kann Monate, viele Monate in seltenen Fällen länger als ein Jahr, das dauert! Auch bis sich eine Depression entwickelt, dauert es lange, bei diesen Prozessen müssen wir Geduld haben und Patienten motivieren, auch Geduld zu haben."
Antidepressiva sind keine Wunderpillen, die pharmazeutisch den Hebel von Grau nach Golden umlegen. Antidepressiva sind für bestimmte Patienten notwendige und auch wirksame Medikamente, die helfen, Depressionen langfristig in den Griff zu bekommen.
"Ich kann den Wind nicht mehr spüren.
Ich rieche auch nicht mehr den Grund der Erde.
Der Regen in meinem Gesicht berührt mich nicht mehr.
Geblieben ist allein das Ticken der Uhr.
Alles verrinnt.
Wirbelnde schwarze Wasser
zu meinen Füßen.
Bleicher Mond
In meinem Gesicht.
Kalt."
(Aus: Rainer Tölle: "Depressionen – Erkennen und Behandeln", C.H. Beck 2000)
"Das sind Patienten, die über lange Zeit absolut keine Freude mehr haben, an nichts mehr, die verzweifelt sind, hoffnungslos."
Professor Thomas Schläpfer, stellvertretender Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Universitätsklinikum Bonn.
"Die Schlafstörungen haben, die Schmerzsymptome haben können, die keine Initiative haben, irgendetwas anzufangen und häufig auch unter Konzentrationsstörungen leiden."
"Abendelang, tagelang sitze ich stumm grübelnd herum, ich suche immer noch nach einer Begründung für diese Panik, das Gefühl des Ausgeliefertseins, Gelähmtseins. Eine Macht, die mich bestimmt und die ich nicht beeinflussen kann, gegen die ich mich nicht einmal wehren kann."
"Manche Patienten können sagen, ja, da war in der Zeit das und das, ein schweres Lifeevent für mich, das kann aber auch etwas Erfreuliches sein, zum Beispiel nach der Geburt eines Kindes oder nach einer Hochzeit, dass da eine Depression auftaucht. Das Klassische ist, dass es nicht ursächlich, sondern einfach so kommt, leider."
Dr. Sarah Kayser leitet die Ambulanz der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Uniklinikum Bonn. Wer einen Termin mit ihr vereinbart, weiß häufig gar nicht, worunter er oder sie leidet. Und wer nach vielen Gesprächen und Untersuchungen schließlich die Diagnose "Depression" erfährt, ist ratlos. Depression? Wie wird sie behandelt?
"Die könnte aussehen: zuerst Psychotherapie, darf man natürlich nicht vergessen, wobei manche Patienten je nach Schweregrad auch erst psychotherapiefähig gemacht werden müssen. Es gibt viele schwerdepressive Menschen, die dazu erst gar nicht in der Lage sind."
Und genau hier setzen Antidepressiva ein, die den Patienten aus seiner dumpfen Lethargie befreien.
"Antidepressiva sind ganz verschiedene chemische Grundsubstanzen, die aber alle die gleiche Wirkung im Hirn haben, nämlich erhöhen sie die Konzentration von Überträgerstoffen, sogenannten Neurotransmittern, das sind Stoffe, die Informationen zwischen Nervenzellen vermitteln können, und bei der Depression ist es häufig so, dass die Konzentration dieser Stoffe zu klein ist, und alle diese Medikamente erhöhen mit verschiedenen Mechanismen diese Konzentrationen."
Die Forschung nach den Ursachen der Depression steckt noch in den Kinderschuhen. Für bestimmte Formen gibt es eine genetische Disposition, warum aber die Konzentration der Botenstoffe im Hirn sinkt, weiß niemand.
"Ja, das ist natürlich die Gretchenfrage. Das weiß man nicht, und um ganz ehrlich zu sein, man weiß auch nicht, ob bei allen depressiven Patienten diese Konzentration tiefer ist."
Unklar ist also, ob Antidepressiva bei allen Depressionen helfen. Wunder, sagt Sarah Kayser, dürfe man ohnehin nicht erwarten.
"Ich zeige auch immer gerne ein Werbeplakat aus den USA aus den 80er-Jahren, da ist eine Frau drauf, die sehr lächelt und unten darunter steht, wenn Sie Ihr Prozac, das ist Fluctin in Deutschland, jeden Tag nimmt, dann geht es ihr wieder gut. So einfach ist es leider nicht!"
In den 80er-Jahren des letzten Jahrhundert waren Antidepressiva für viele Menschen Lifestyledrogen. Das hat sich glücklicherweise geändert, wobei heute allerdings Ängste vor Antidepressiva im Mittelpunkt stehen. Machen Antidepressiva abhängig, ist eine häufig gestellte Frage? 80 Prozent der Bevölkerung glaube das, sagt Ulrich Hegerl von der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universität Leipzig, doch das sei ein Irrtum. Schlaf- und Beruhigungsmittel können in der Tat zu Abhängigkeiten führen, Medikamente gegen Depressionen aber nicht. Und mit einem weiteren Vorurteil räumt Hegerl auf: Die Stimmungslage eines Gesunden lässt sich durch Antidepressiva nicht steigern. Antidepressiva produzieren kein Glück, sie vertreiben im besten Fall den Schleier der grauen Stimmung und befreien die Patienten aus ihrer niederdrückenden Trostlosigkeit.
"Antidepressiva sind sinnvoll, häufig auch indiziert gerade bei mittelschweren und schweren Depressionen, machen aber nicht alles. Man kann nicht einfach Medikamente einnehmen und dann ist alles gut, Antidepressiva sind unterstützend, um die Menschen wieder in die Lage zu kriegen, auch mehr Aktivität zu haben und auch andere Dinge wieder tätigen zu können."
Eine Psychotherapie zu beginnen, verborgene Leiden aus der Kindheit aufzuarbeiten, die möglicherweise für den Ausbruch der Depression verantwortlich ist, aber auch schlicht am Leben wieder teilzunehmen: ins Kino zu gehen, sich mit Freunden zu treffen, eine Fahrradtour zu organisieren. Für depressive Menschen ist das Schwerstarbeit! Schwerstarbeit ist aber leider mitunter auch, das richtige Antidepressiva zu finden.
"Man muss immer wieder andere Substanzen probieren, andere Substanzkombinationen, leider gibt es da ganz wenige Informationen, in welche Richtung man diese Therapieversuche macht, aber bei ganz vielen Patienten braucht man eins, zwei, oder vier verschiedene Substanzen, bis wir eine genügende für die Patienten überzeugende Wirkung erzielen."
Wobei – auch das ist ein weitverbreiteter Irrglaube – niemand Angst haben muss, Antidepressiva würden die Persönlichkeit verändern. Eigentlich ist es genau andersherum. Die Depressionen verändert auf Dauer die Persönlichkeit des Menschen. Wer Antidepressiva nimmt, ist im besten Fall nachher "ganz der Alte", sagt Dr. Elisabeth Friess vom Max-Planck-Institut in München. Dies bedeutet nun nicht, dass nach der Einnahme von Antidepressiva die erwünschte Wirkung sofort eintritt – das Gegenteil ist der Fall.
"Die meisten Medikamente haben Nebenwirkungen, Nebenwirkungen treten dann bei fünf bis zehn Prozent aller Patienten auf, das kann Müdigkeit sein, das kann eine Appetitabnahme sein, alles Nebenwirkungen, die nicht so eindrücklich sind, aber die antidepressive Wirkung tritt in der Regel erst nach vier, fünf oder sechs Wochen ein, also sehr stark verzögert."
Thomas Schläpfer sieht in der zeitverzögerten Wirkung aber auch einen Vorteil: Der Patient spürt, dass etwas passiert, dass er aus seiner Lähmung langsam befreit wird. Setzt die Wirkung des Antidepressivums schließlich ein, verschwindet die Depression trotzdem nicht über Nacht.
"Es geht sehr lange, bis die letzten depressiven Symptome verschwunden sind, das kann Monate, viele Monate in seltenen Fällen länger als ein Jahr, das dauert! Auch bis sich eine Depression entwickelt, dauert es lange, bei diesen Prozessen müssen wir Geduld haben und Patienten motivieren, auch Geduld zu haben."
Antidepressiva sind keine Wunderpillen, die pharmazeutisch den Hebel von Grau nach Golden umlegen. Antidepressiva sind für bestimmte Patienten notwendige und auch wirksame Medikamente, die helfen, Depressionen langfristig in den Griff zu bekommen.
"Ich kann den Wind nicht mehr spüren.
Ich rieche auch nicht mehr den Grund der Erde.
Der Regen in meinem Gesicht berührt mich nicht mehr.
Geblieben ist allein das Ticken der Uhr.
Alles verrinnt.
Wirbelnde schwarze Wasser
zu meinen Füßen.
Bleicher Mond
In meinem Gesicht.
Kalt."
(Aus: Rainer Tölle: "Depressionen – Erkennen und Behandeln", C.H. Beck 2000)