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Radiolexikon Gesundheit: Cholesterinwerte

Was genau sagen eigentlich die Cholesterinwerte aus? Diese Frage werden sich viele schon einmal gestellt haben. Einen Teil dieses Stoffes braucht der Mensch zum Aufbau der Zellmembranen und zur Bildung von Sexualhormonen. Zu viel Cholesterin soll aber schädlich sein. Doch stimmt das in jedem Fall?

Von Mirko Smiljanic |
    Bergisch Gladbach im Fitnesscenter der Turnerschaft 79 e. V. Fahrräder und Laufbänder, Beinstrecker und Hantelbänke – so ähnlich sehen alle Muckibuden aus. Trotzdem unterscheidet sich das "Gesundheits- und Fitnessstudio", so der offizielle Name, von anderen Einrichtungen: Wer hierhin kommt, hat nicht nur sein Äußeres im Blick, sondern auch seinen allgemeinen Gesundheitszustand. Orthopädische Probleme werden hier gezielt angegangen, Bewegungsmangel, Übergewicht und natürlich zu hohe Cholesterinwerte.

    "Ja, ich habe das eigentlich seit Jahren regelmäßig untersuchen lassen, wie man das ja auch tun sollte",

    erzählt dieser 60-Jährige, dessen Cholesterinwerte vor zwei Jahren deutlich zu hoch waren.

    "Dann habe ich Tabletten bekommen, das hat sich dann aber immer noch nicht so ganz normal eingependelt, aber seitdem ich mit dem Fitness-Training begonnen habe vor einem Jahr oder noch was länger her, mit dem regelmäßigen Training, seit der Zeit ist er normal."

    Normal heiß, dass der Gesamtcholesterinwert unter 200 Milligramm pro Deziliter Blut liegt. Wobei diese Zahl kein Dogma ist, die vertretbare Höhe hängt von vielen Faktoren ab, vom Lebensalter etwa und von Begleiterkrankungen. Klettert der Cholesterinwert über 200 Milligramm pro Deziliter Blut, bewerten viele Ärzte dies aber als Risikofaktor.

    "Wenn der Cholesterinspiegel zu hoch ist, dann besteht die Gefahr, dass die Gefäßwände nach innen hin immer weiter zuwachsen und dadurch der Blutdruck immer mehr ansteigt. Wir haben eben das Problem, das sogenannte metabolische Syndrom, dass immer mehr Leute Übergewicht haben, den Cholesterinspiegel zu hoch haben und dann irgendwann mit Diabetes oder hohen Blutdruck zu tun haben. Und da kann man präventiv natürlich schon was gegen tun, indem man sich mehr bewegt und gezielt trainiert."

    Jowa Bacher, Leiter des Gesundheits- und Fitnessstudios der Turnerschaft Bergisch Gladbach e. V. "Hoher Cholesterinspiegel gleich hohes Krankheitsrisiko" beziehungsweise "niedriger Cholesterinspiegel gleich niedriges Krankheitsrisiko" – diese Formeln zählen mittlerweile zum medizinischen Allgemeinwissen. Dabei – sagt Professor Ingo Froböse, Leiter des Zentrums für Gesundheit an der Deutschen Sporthochschule Köln – ist Cholesterin zunächst einmal eine wichtige Substanz für den Stoffwechsel des Menschen.

    "Cholesterin hat ja ein sehr schlechtes Image, dabei ist es völlig verkehrt, dieses schlechte Image wirklich zuzusprechen. Es ist ein ganz normaler natürlicher Baustoff, den wir brauchen, um Zellen zu produzieren. Es gibt eine Matrixstruktur, es gibt in Zellen Festigkeit; es ist für die Gallensäureproduktion ganz wichtig; es ist wichtig für die Vorproduktion eines wichtigen Vitamins, nämlich das Vitamin D; das heißt, es ist ein ganz wichtiger körpereigener Stoff, ohne den wir nicht so existieren würden!"

    Cholesterinmangel birgt große Gefahren: Das Krebsrisiko steigt, die Zellen regenerieren sich nicht mehr richtig, Gehirnschäden können die Folge sein, außerdem leiden Diabetiker mit Cholesterinmangel häufiger an Depressionen und der Alzheimerschen Krankheit. Bei Licht betrachtet, sind die Risiken durch Cholesterinmangel größer als die Risiken durch einen zu hohen Cholesterinspiegel.

    "Also, der Körper bildet es zu fast 100 Prozent selbst. Das meiste Cholesterin wird in der Leber produziert, wird dann in alle Richtungen geschickt, um dementsprechend seine Funktion auszuüben. Die Nahrung, und die wird ja ganz häufig für die Bedeutung des hohen oder des niedrigen Cholesterinspiegels verantwortlich gemacht, die macht wirklich nur einen ganz, ganz minimalen Bruchteil aus. Der Körper produziert etwa 150 mg pro Tag neu für sich und genau die braucht er auch etwa."

    200 Milligramm Cholesterin pro Deziliter Blut gelten als noch vertretbar. Wer sich Ergebnisse von Reihenuntersuchungen anschaut, gerät allerdings ins Grübeln: 70 Prozent der deutschen Bevölkerung über 35 Jahren hat höhere Werte. Sind sie alle krank? Stehen sie gar vor einem Herzinfarkt? Nein, sagt Ingo Froböse, der eine Strategie der Pharmaindustrie hinter den Werten vermutet: Je niedriger der offiziell akzeptierte Cholesterinwert, desto mehr Menschen müssen sich behandeln lassen. Das verspricht gesunde Geschäfte. Unabhängig davon, ob es eine solche Strategie gibt, sagt die Zahl "200 Milligramm pro Deziliter" wenig aus. Es kommt darauf an, wie viel "gutes" Cholesterin im Blut schwimmt und wie viel "Schlechtes".

    "Das Cholesterin selbst ist nicht wasserlöslich, was also bedeutet, es kann in der Blutbahn nicht alleine schwimmen und zu den einzelnen Zellen kommen. Dementsprechend braucht es Transportgefäße, und das Cholesterin wird insbesondere von dem sogenannten schlechten Cholesterin, das ist das LDL-Cholesterin, also mit einer etwas geringeren Dichte, deshalb "low", es ist eine Kombination aus Cholesterin und Eiweiß, und dieses transportiert quasi das Cholesterin an die jeweiligen Organe, dort, wo es dann gebraucht wird. Dann gibt es das sogenannte gute Cholesterin, das HDL, also "high", höhere Dichte, dieses ist dafür da, dass das Cholesterin wieder eingesammelt wird in der Peripherie, irgendwo in der Blutbahn, um es dann in die Leber zurückzutransportieren, wo es wieder abgebaut wird."

    Steigt der Wert des LDL-Cholesterins über 160 Milligramm, besteht statistisch ein erhöhtes Risiko für Herzinfarkte und Schlaganfälle. Was kann, was sollte man dann tun? Therapievariante Nummer eins ist die Einnahme von Medikamenten. In der Regel sind dies Lipidsenker, die die Blutfettwerte regulieren. Dabei wird entweder die Cholsterinsynthese blockiert, so dass weniger LDL-Cholesterin in der Leber produziert wird; oder aber Medikamente verhindern, dass Cholesterin ins Blut gelangt, in dem Gallensäure – sie besteht hauptsächlich aus Cholesterin – schon im Verdauungstrakt gebunden und ausgeschieden wird.

    Therapievariante Nummer zwei besteht darin, seine Ernährung umzustellen. Dazu sollte man allerdings wissen, dass cholesterinarme Nahrung den Gesamtwert gerade mal um drei bis vier Prozent beeinflusst – also kaum! Da überrascht es, wie hartnäckig sich das Gerücht hält, mit der Ernährung zu hohe Cholesterinwerte entscheidend senken zu können. In die Welt gesetzt wurde dieses Gerücht übrigens vor über 100 Jahren.

    "1908 ist eine erste Studie gemacht worden mit Hasen, wo ein russischer Wissenschaftler nämlich festgestellt hat, dass, wenn man Hasen, die sich vegan, also vegetarisch ernähren, wenn man sich die anschaut, dann haben die einen ganz niedrigen Cholesterinwert. Das hat man auf den Menschen übertragen, leider misslungen, weiß man heute."

    Weitaus effizienter ist Bewegung.

    "Aber körperliche Aktivität in einer bestimmten Dimension und einer bestimmten Charakteristik, nämlich insbesondere dadurch, dass sie eine langdauernde niedrigschwellige moderate körperliche Aktivität haben, zum Beispiel 45 Minuten Joggen gehen. Dadurch wird der Fettstoffwechsel angekurbelt, ich verbrenne quasi Fette, die sich dann insgesamt positiv auf den Cholesterinwert auswirken."

    Und natürlich auf viele andere Dinge: Das Gewicht sinkt, die Stimmung hellt sich auf, die Gelenke werden geschont, die Verdauung funktioniert besser, der Kopf wird klarer, und so ganz nebenbei sinkt der Cholesterinwert, den man übrigens nicht ständig überprüfen lassen muss.

    "Wenn jemand keine anderen Risikofaktoren hat, wie Übergewicht beispielsweise, wie Bluthochdruck, dann sollte man sich wirklich relativ wenig um den Cholesterinspiegel scheren, und untersuchen lassen muss man auch nicht!"

    Bergisch Gladbach im Fitnesscenter der Turnerschaft 79 e. V. Mittlerweile hat der 60-Jährige sein Circle-Training fortgesetzt. Nach dem Laufband stemmt er jetzt Hanteln, zum Schluss steigt er noch aufs Rad. Seine Cholesterinwerte liegen mittlerweile im "grünen Bereich". Damit dies so bleibt, sagt Sportwissenschaftler Jowa Bacher, sollte er allerdings kontinuierlich trainieren.

    "Das wichtigste ist, dass man möglichst regelmäßig trainiert und möglichst lange dabei bleibt, im Idealfall lebensbegleitend natürlich. Über die Häufigkeit kann man sich streiten, ideal wäre schon, wenn man drei Mal die Woche was tun würde, beim Krafttraining muss das nicht unbedingt dreimal die Woche sein, beim Ausdauertraining wäre schön, wenn man das hinkriegt. Man muss das aber auch so sehen, dass viele Bewegungsteile, die man zu Hause hat, mit Spaziergängen, dass man die hinzuaddieren kann zu dem Training, was man hier macht, das heißt, auch wenn man nur zwei Mal die Woche trainiert, ist das eine Sache, die sich lohnt."