"Es ist leider immer noch die völlig falsche Vorstellung, dass diejenigen, die Fisteln haben, unsauber sind und deswegen so etwas bekommen, verdienterweise und es stimmt überhaupt nicht, aber da ist natürlich die Scham begründet."
Heike Busse arbeitet seit 15 Jahren als Krankenschwester im OP.
Das Phänomen Fistel kennt sie gut, und sie hat erlebt, dass es den meisten Patienten unangenehm ist, darüber zu sprechen.
"Bevor auch ein Mensch zu einem Hausarzt geht und sagt, ich habe da eine Fistel, ähm, da ist das Leid sehr groß. Und das sind dann meistens Fisteln im Intimbereich, die auch sehr unangenehme Gerüche haben, man wird ausgegrenzt oder die Patienten grenzen sich selbst aus, aus Scham. Man kann da kein Pflaster drüber machen, weil es kommt durch und es ist wirklich sehr extrem schwer für die Patienten."
Der Name Fistel kommt vom lateinischen Fistula, die Pfeife, die diesem röhrenartigen Gebilde ähnelt. Sie entsteht, wenn etwas nicht so läuft, wie die Natur das eigentlich vorgesehen hat. Professor August Wilhelm Bödecker vom Schwerpunkt Allgemeinmedizin am Zentrum für Versorgungsforschung der Universität Köln:
"Im Prinzip eine krankhafte Entwicklung, wo zwischen einem, meistens Hohlorgan, das ist so Darm oder Galle oder ähnliches und der Oberfläche der Haut eine Verbindung entsteht durch eine Entzündung, durch eine Verletzung und dann eine Sekretion nach draußen erfolgt, Schmerzen und Entzündungen ausgelöst werden können."
Fisteln können durch Entzündung entstehen, chronisch oder akut oder durch eine Verletzung. Die kann etwa die Folge einer schwierigen Geburt sein. Verletzungen sind aber auch möglich durch medizinische Behandlungen – Beispiel: ein Katheter beschädigt unbeabsichtigt die Wand eines Organs oder eines Gefäßes. Die Fistel bildet sich dann, um wie eine Art Abflussrohr Sekrete wie Eiter an die Oberfläche des Körpers zu transportieren.
Solche Fisteln, die in der Haut münden, nennt man äußere Fisteln. Sie kommen relativ häufig in der Nähe des Afters vor und sind auch leicht zu entdecken. Vielen Patienten ist das Thema allerdings so unangenehm, dass sie unnötig viel Zeit verlieren, bis sie sich zum Arzt trauen. Dabei, so Professor Bödecker, ist schnelles Handeln geboten. Der Patient muss unters Messer:
"Es ist nicht möglich, das mit Medikamenten zu machen, sie können es auch nicht mit Salben machen oder mit irgendwelchen örtlichen Maßnahmen alleine, weil so etwas nie komplett die Fistel beseitigt und damit ist das Thema nicht erledigt. Es geht darum, sie chirurgisch im Prinzip komplett auszuschneiden. Es gibt noch so andere Techniken, dass man da einen Faden durchzieht und den dann etwas enger zieht, um auf diese Weise praktisch den inneren Verschluss, die innere Auskleidung der Fistel zu zerstören, um damit einen neuen Input zu geben, dass der Körper das wieder repariert. Hm. Also die komplette Ausschneidung ist im Prinzip das Beste, was man machen kann."
Dann gibt es noch die inneren Fisteln. Innere Fisteln sind röhrenartige Verbindungen zwischen zwei Organen, die es so nicht geben sollte. Das kann etwa durch Verletzungen bei der eben bereits erwähnten schwierigen Geburt passieren. Möglich sind Kanäle zwischen Scheide und Blase, die zu schwerer Inkontinenz führen können. Ein anderes Beispiel sind Verbindungen von Darmschlinge zu Darmschlinge. Hintergrund ist hier häufig eine Krankheit wie Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa.
In ganz dramatischen Fällen bilden sich mehrere Fisteln, die sich immer weiter verzweigen, sogenannte Fuchsbauten. Das heißt, es wuchert innerlich ein System, das gar nicht so leicht entdeckt werden kann. Professor Bödecker:
"Im Prinzip nur bei Endoskopien oder bei Röntgenuntersuchungen, also das heißt, wenn man den Darm spiegelt, wenn man ein Kontrastmittel hinein gibt und dann röngt, dann kann so etwas eigentlich erst nachgewiesen werden. Ansonsten bleibt das eine relativ vage Verdachtsdiagnose, die bei Schmerzen im Bauch im Zusammenhang mit einer chronischen Entzündung erwogen werden müssen."
Manchmal kann die Operation in einer Tagesklinik durchgeführt werden. Meistens, vor allem bei den inneren Fisteln, ist allerdings ein stationärer Aufenthalt nötig. Das gilt nicht für die sehr häufig auftretenden und vergleichsweise harmlosen Zahnfisteln. Svenja aus Hamburg:
"Ich hatte eine Fistel im Unterkiefer vorne, an den vorderen Zähnen oder darunter, das ist aber sehr spät erkannt worden. Die Fistel hatte sich so vergrößert, dass fast der Kiefer durchgebrochen wäre. Und das musste dann operativ entfernt werden. Aber es hat sehr lange gedauert, bis das verheilt ist."
Professor Max Heiland, Oberarzt der Klink und Poliklinik für Zahn-, Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie der Uniklinik Hamburg-Eppendorf beschreibt den Befund, der nicht wie bei Svenja durch eine Verletzung, sondern in der Regel durch eine Entzündung verursacht wird:
"Also wenn man sich sozusagen vor dem Spiegel seine Zähne anguckt, dann müsste man ein bisschen die Lippen anheben, den Wurzelbereich der Zähne, also da würde man dann eine Fistel sehen können. Die tut typischerweise nicht weh und sieht so ein bisschen ausgeworfen so wie ein bisschen wie wildes Fleisch aus und hat vielleicht so einen Durchmesser von 1, 2 Millimetern."
Während Professor Bödecker das Krankhafte an Fisteln betont, sind die Zahnmediziner und Zahnchirurgen den Fisteln manchmal sogar dankbar. Denn die kleinen Röhren weisen auf etwas hin, was möglicherweise nicht so schnell zutage getreten wäre. Professor Max Heiland:
"Dem geht ja meistens eine Wurzelkanalbehandlung eines Zahnes voraus. Und das kann Jahre zurückliegen und dieser wurzelkanalbehandelte Zahn ist gefüllt wie so ein Schacht. Nur mündet aber der Nerv nicht als Schacht sondern so wie ein Flussdelta. Und diese Nebenäste können chronische Entzündungen unterhalten. Und das sieht man auf dem Röntgenbild nicht unbedingt."
Und während etwa Fisteln im Enddarmbereich sofort beseitigt werden sollten, beseitigt sich die Fistel in der Mundhöhle in der Regel von selbst, sie heilt ab, wenn nur die Ursache bekämpft ist. Das heißt im schlimmsten Fall: wenn der Zahn gezogen ist. Professor Max Heiland:
"Und damit hat man auch die Fistel definitiv dann therapiert."
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Heike Busse arbeitet seit 15 Jahren als Krankenschwester im OP.
Das Phänomen Fistel kennt sie gut, und sie hat erlebt, dass es den meisten Patienten unangenehm ist, darüber zu sprechen.
"Bevor auch ein Mensch zu einem Hausarzt geht und sagt, ich habe da eine Fistel, ähm, da ist das Leid sehr groß. Und das sind dann meistens Fisteln im Intimbereich, die auch sehr unangenehme Gerüche haben, man wird ausgegrenzt oder die Patienten grenzen sich selbst aus, aus Scham. Man kann da kein Pflaster drüber machen, weil es kommt durch und es ist wirklich sehr extrem schwer für die Patienten."
Der Name Fistel kommt vom lateinischen Fistula, die Pfeife, die diesem röhrenartigen Gebilde ähnelt. Sie entsteht, wenn etwas nicht so läuft, wie die Natur das eigentlich vorgesehen hat. Professor August Wilhelm Bödecker vom Schwerpunkt Allgemeinmedizin am Zentrum für Versorgungsforschung der Universität Köln:
"Im Prinzip eine krankhafte Entwicklung, wo zwischen einem, meistens Hohlorgan, das ist so Darm oder Galle oder ähnliches und der Oberfläche der Haut eine Verbindung entsteht durch eine Entzündung, durch eine Verletzung und dann eine Sekretion nach draußen erfolgt, Schmerzen und Entzündungen ausgelöst werden können."
Fisteln können durch Entzündung entstehen, chronisch oder akut oder durch eine Verletzung. Die kann etwa die Folge einer schwierigen Geburt sein. Verletzungen sind aber auch möglich durch medizinische Behandlungen – Beispiel: ein Katheter beschädigt unbeabsichtigt die Wand eines Organs oder eines Gefäßes. Die Fistel bildet sich dann, um wie eine Art Abflussrohr Sekrete wie Eiter an die Oberfläche des Körpers zu transportieren.
Solche Fisteln, die in der Haut münden, nennt man äußere Fisteln. Sie kommen relativ häufig in der Nähe des Afters vor und sind auch leicht zu entdecken. Vielen Patienten ist das Thema allerdings so unangenehm, dass sie unnötig viel Zeit verlieren, bis sie sich zum Arzt trauen. Dabei, so Professor Bödecker, ist schnelles Handeln geboten. Der Patient muss unters Messer:
"Es ist nicht möglich, das mit Medikamenten zu machen, sie können es auch nicht mit Salben machen oder mit irgendwelchen örtlichen Maßnahmen alleine, weil so etwas nie komplett die Fistel beseitigt und damit ist das Thema nicht erledigt. Es geht darum, sie chirurgisch im Prinzip komplett auszuschneiden. Es gibt noch so andere Techniken, dass man da einen Faden durchzieht und den dann etwas enger zieht, um auf diese Weise praktisch den inneren Verschluss, die innere Auskleidung der Fistel zu zerstören, um damit einen neuen Input zu geben, dass der Körper das wieder repariert. Hm. Also die komplette Ausschneidung ist im Prinzip das Beste, was man machen kann."
Dann gibt es noch die inneren Fisteln. Innere Fisteln sind röhrenartige Verbindungen zwischen zwei Organen, die es so nicht geben sollte. Das kann etwa durch Verletzungen bei der eben bereits erwähnten schwierigen Geburt passieren. Möglich sind Kanäle zwischen Scheide und Blase, die zu schwerer Inkontinenz führen können. Ein anderes Beispiel sind Verbindungen von Darmschlinge zu Darmschlinge. Hintergrund ist hier häufig eine Krankheit wie Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa.
In ganz dramatischen Fällen bilden sich mehrere Fisteln, die sich immer weiter verzweigen, sogenannte Fuchsbauten. Das heißt, es wuchert innerlich ein System, das gar nicht so leicht entdeckt werden kann. Professor Bödecker:
"Im Prinzip nur bei Endoskopien oder bei Röntgenuntersuchungen, also das heißt, wenn man den Darm spiegelt, wenn man ein Kontrastmittel hinein gibt und dann röngt, dann kann so etwas eigentlich erst nachgewiesen werden. Ansonsten bleibt das eine relativ vage Verdachtsdiagnose, die bei Schmerzen im Bauch im Zusammenhang mit einer chronischen Entzündung erwogen werden müssen."
Manchmal kann die Operation in einer Tagesklinik durchgeführt werden. Meistens, vor allem bei den inneren Fisteln, ist allerdings ein stationärer Aufenthalt nötig. Das gilt nicht für die sehr häufig auftretenden und vergleichsweise harmlosen Zahnfisteln. Svenja aus Hamburg:
"Ich hatte eine Fistel im Unterkiefer vorne, an den vorderen Zähnen oder darunter, das ist aber sehr spät erkannt worden. Die Fistel hatte sich so vergrößert, dass fast der Kiefer durchgebrochen wäre. Und das musste dann operativ entfernt werden. Aber es hat sehr lange gedauert, bis das verheilt ist."
Professor Max Heiland, Oberarzt der Klink und Poliklinik für Zahn-, Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie der Uniklinik Hamburg-Eppendorf beschreibt den Befund, der nicht wie bei Svenja durch eine Verletzung, sondern in der Regel durch eine Entzündung verursacht wird:
"Also wenn man sich sozusagen vor dem Spiegel seine Zähne anguckt, dann müsste man ein bisschen die Lippen anheben, den Wurzelbereich der Zähne, also da würde man dann eine Fistel sehen können. Die tut typischerweise nicht weh und sieht so ein bisschen ausgeworfen so wie ein bisschen wie wildes Fleisch aus und hat vielleicht so einen Durchmesser von 1, 2 Millimetern."
Während Professor Bödecker das Krankhafte an Fisteln betont, sind die Zahnmediziner und Zahnchirurgen den Fisteln manchmal sogar dankbar. Denn die kleinen Röhren weisen auf etwas hin, was möglicherweise nicht so schnell zutage getreten wäre. Professor Max Heiland:
"Dem geht ja meistens eine Wurzelkanalbehandlung eines Zahnes voraus. Und das kann Jahre zurückliegen und dieser wurzelkanalbehandelte Zahn ist gefüllt wie so ein Schacht. Nur mündet aber der Nerv nicht als Schacht sondern so wie ein Flussdelta. Und diese Nebenäste können chronische Entzündungen unterhalten. Und das sieht man auf dem Röntgenbild nicht unbedingt."
Und während etwa Fisteln im Enddarmbereich sofort beseitigt werden sollten, beseitigt sich die Fistel in der Mundhöhle in der Regel von selbst, sie heilt ab, wenn nur die Ursache bekämpft ist. Das heißt im schlimmsten Fall: wenn der Zahn gezogen ist. Professor Max Heiland:
"Und damit hat man auch die Fistel definitiv dann therapiert."
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