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Radiolexikon Gesundheit: Heiserkeit

Heiserkeit kann sehr unangenehm sein, vor allem für Menschen, die von Berufs wegen auf die Stimme angewiesen sind. Und das sind immerhin 25 - 30 Prozent aller Berufstätigen. Eine schlechte Raumakustik, Stress und seelische Anspannungen können die Auslöser sein.

Von Andrea Westhoff |
    "Stimme entsteht, indem die beiden Stimmlippen, die horizontal im Hals angeordnet sind, mit Ausatmungsluft angeblasen werden. Dazu werden die Stimmlippen mit Muskelkraft aneinander gelegt, und gegen diese Enge bläst also die Ausatmungsluft an und bringt die Stimmlippen in Schwingung, und mit diesen Stimmlippen gerät auch die Luftsäule oberhalb in Schwingung."

    Etwa 50 Muskeln sind an der Tonproduktion beteiligt, ein komplizierter Vorgang und deshalb recht störanfällig. Und ein untrügliches Zeichen, dass etwas nicht stimmt mit der Stimme, ist "Heiserkeit".

    Zuweilen mag das ganz "erotisch" klingen wie bei der Rocksängerin Bonnie Tyler - In der Regel aber hat man nicht nur eine raue, knarrende Stimme oder gelegentlich einen "Frosch im Hals", oft kommen Halsschmerzen oder Räusperzwang dazu, das Sprechen wird anstrengend, es entstehen Kiekser oder andere Nebengeräusche - kurz: Heiserkeit kann sehr unangenehm sein, vor allem für Menschen, die von Berufs wegen auf die Stimme angewiesen sind wie Dirk Josef Müller.

    "Ja, ich erinnere mich, als ich anfing Nachrichten zu sprechen, gab's einen Tag, an dem es immer schlimmer wurde, ich merkte, dass die Stimme immer dünner und dünner wurde, und tatsächlich passierte es, während einer Nachrichtensendung, die fünf Minuten lang war, ging die Stimme dann nach drei Minuten weg."

    Die Ursachen solcher "Stimmstörungen", zu denen die Heiserkeit gehört, sind vielfältig, sagt Professor Manfred Gross, Direktor der Klinik für Audiologie und Phoniatrie der Charité in Berlin:

    "Das allerhäufigste sind die Infekte der oberen Atemwege, Schnupfen und Halsentzündungen, und da kann es sehr leicht passieren, dass die Entzündung eben bis auf den Kehlkopf übergreift und die Schleimhaut dazu bringt, dass sie anschwillt beispielsweise und deshalb anders schwingt als normal."

    Auch Tabakrauch und Alkohol beschädigen langfristig die Schleimhaut im Hals. Wenn die Heiserkeit - unabhängig von einer Erkältung - länger als drei Wochen anhält, sollte man jedenfalls zum Arzt gehen. Dann könnten organische Veränderungen dahinter stecken. Aber, fügt Manfred Gross gleich hinzu:

    "Es gibt eine ganze Reihe gutartiger Veränderungen wie Polypen und Zysten, das sind also mit Flüssigkeit gefüllte Schleimhautaussackungen oder Papillome, es ist also keineswegs so, dass die bösartigen hier dominieren "

    ...trotzdem warnt der Experte davor, Heiserkeit zu ignorieren, gerade auch, wenn sie keine Beschwerden macht.

    "Wir haben also mit der Heiserkeit ein wunderbares Frühsignal, und wenn man so etwas so früh erkennen kann, dann kann man es auch besonders früh behandeln, und genau das ist der Grund dafür, dass Kehlkopfkrebs eine extrem gute Prognose hat. "

    Viele schrecken allerdings schon die Diagnosemethoden ab:

    "Wir mögen das natürlich sehr, als Untersucher -"

    sagt Manfred Gross mit einem ironischen Lächeln, weiß er doch sehr genau, dass viele Menschen bei Untersuchungen im Hals schnell einen Würgereiz empfinden. Aber, versucht er zu beruhigen:

    "Man kann also mit einem kleinen Spiegel sich den Kehlkopf ansehen, wo man fast berührungsfrei in den Hals hinein schauen kann, und es gibt die Möglichkeit mit flexiblen Endoskopen durch die Nase in den Hals zu schauen, und letzteres wird von sehr vielen Menschen als angenehmster Methode bezeichnet, weil es praktisch nicht mit einem Würgereiz einhergeht. Man betäubt eben die Nase der Schleimhaut vorher sehr schön, und man kann dann quasi von der Höhe des Zäpfchens aus in den Kehlkopf hineinschauen. "

    Sehr häufig ist eine Heiserkeit gar nicht organisch bedingt, sondern funktionell, das heißt, durch falscher Gebrauch oder Überlastung der Stimme. Dann bilden sich kleine Knötchen auf den Stimmlippen "Schrei- oder Sängerknötchen" genannt.

    Für 25 - 30 Prozent aller Berufstätigen hierzulande ist ihre Stimme das wesentliche "Arbeitsgerät": Für Schauspieler, Sprecher, Sänger, aber auch für Angestellte in Call-Centern - und Lehrerinnen und Lehrer.

    Sie leiden besonders häufig unter funktionellen Stimmstörungen, denn Untersuchungen haben gezeigt, dass in vielen Schulen heute eine extrem schlechte Raumakustik herrscht und der Geräuschpegel zum Teil bei 70 und mehr Dezibel liegt...

    "Das heißt, sie müssen ihre Stimme besonders beanspruchen, indem sie besonders laut sprechen müssen, und wir können auch da sogar noch Abstufungen vornehmen, wir sehen sehr häufig, dass Lehrerinnen und Lehrer, die Sportunterricht geben, besonders hoch strapaziert sind, wenn sie also in einer großen Turnhalle oder im Schwimmbad Kommandos geben müssen, dann müssen sie das mit einer sehr hohen Lautstärke tun, und wenn sie das über viele Stunden tun, dann leidet eben die Stimme."

    ...und zusätzlich können sich noch Stress und seelische Anspannung negativ auf die Stimme auswirken.

    Glücklicherweise lässt sich Heiserkeit heute recht gut behandeln. Tipps vom "Profi" Dirk Josef Müller:

    "Da ich vornehmlich von meiner Stimme lebe, habe ich präventiv stets Tabletten dabei, wenn ich ein kleines Kribbeln im Hals spüre oder ähnliches, dann greife ich eben darauf zurück, und wenn's ein bisschen schlimmer wird, dann bevorzuge ich Omas Hausmittelchen, als da wäre beispielsweise die viergeteilte Zwiebel, die mit Zucker bestreut eine Nacht steht und am nächsten Morgen dann wässert, und das trinke ich dann zum Leidwesen der Familie und der Kollegen."

    Im Frühstadium helfen ebenso warme Halsumschläge, heiße Getränke, Dampfinhalationen, Gurgeln oder Bonbons - allerdings nichts Scharfes wie Menthol, eher Salbei. Bei schweren bakteriellen Entzündungen müssen es unter Umständen auch Antibiotika sein. Ansonsten gilt:

    "Bei Heiserkeit ist die Klappe zu halten ganz einfach, und nur zu reden, wenn's denn sein muss."

    ...und vor allem: nicht flüstern! Dadurch werden die Stimmbänder nur noch mehr angestrengt. Bei anhaltender Heiserkeit müssen die Knötchen, Ödeme oder Polypen operativ entfernt werden, was oft sogar ambulant möglich ist mittels Mikrochirurgie oder Laserskalpell.

    Auch präventiv lässt sich einiges gegen Heiserkeit tun. Grundsätzlich und immer gut: Täglich zwei bis drei Liter trinken und nicht rauchen!

    Dann: Was für Schauspieler und professionelle Sprecher selbstverständlich ist, gilt auch für sonstige sprechende Berufe: regelmäßige Atem- und Stimmübungen, um die Stimme belastbarer zu machen.

    Leichter gesagt als getan? Man kann es lernen, in Kursen oder alleine mit Büchern und CDs. Inzwischen werden ein paar Grundregeln sogar im Internet vorgeführt, zum Beispiel bei focus-online, von der Stimmtrainerin Maria Drux:

    "Nehmen Sie eine bequeme Position und legen Sie eine Hand auf die Schädeldecke, eine aufs Brustbein. Denken Sie an einen Genuss, zum Beispiel ein Lieblingsessen oder einen Lieblingsduft und lassen Sie ein M kommen: mmmmmmmm, mmmmmm."

    So soll man seine optimale eigene Stimmlage finden und dann - ohne Heiserkeit - länger und notfalls lauter sprechen. Eine Erfahrung, die der Schauspieler und Sprecher Dirk Josef Müller bestätigt:

    "Um den Zuschauer in der letzten Reihe zu erreichen, ist es eigentlich nicht so, dass man laut spricht, sondern dass man intensiv spricht, das heißt die Stimme aus der Tiefe des Körpers holt."

    "und je mehr die Luft unter der Schädeldecke, unter dem Brustbein, in den Hohlräumen zirkulieren kann, umso klangvoller wird ihre Stimme!"