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Radiolexikon Gesundheit
Nahrungsmittelallergie

Nahrungsmittel wie Fisch und Erdnüsse oder Hühnerei und Soja können bei manchen Personen allergische Reaktion hervorrufen. Symptome wie Juckreiz, Hautausschlag, Durchfall und Übelkeit können auftreten.

Von Justin Westhoff | 05.03.2019
Äpfel, Birnen, Nüsse, Tabletten und Inhalatoren liegen auf einer weißen Fläche.
Ob eine Unverträglichkeit von Lebensmitteln wie zum Beispiel Nüssen oder Äpfel besteht, können Tests nachweisen (Revierfoto / dpa)
Lara Ramm hat seit Kindesbeinen verschiedenste Nahrungsmittelallergien. Nüsse, Eiweiß, manche Gewürze, Gluten – all das verträgt sie nicht. Es war schwer für Sie, auswärts essen zu gehen. Irgendwann beschloss sie, selbst ein Bistro aufzumachen. Dort fragen die Service-Mitarbeiter jeden Gast erst einmal, ob und welche Allergie er hat. Beim Besuch dort hört man die typischen Geräuschkulisse eines Restaurants.
"Wo wir ziemlich am Anfang noch stehen in Deutschland, in Amerika ist das schon gang und gebe, dass man gefragt wird, hat man eine Allergie oder nicht, und dann haben wir Ersatzprodukte, also wenn jemand zum Beispiel kein Soja verträgt, dann können wir die Spätzle mit einem Alternativprodukt machen, da sind wir völlig flexibel, glutenfrei ist alles und wir haben eine komplett vegane Vitrine, wo dann zum Beispiel keine Milchkontamination sein kann, keine Eier, wir bereiten auch Essen auf Vorbestellung zu, bei Leuten, die auf Spuren reagieren, da wird es dann am Morgen oder am Abend vorher zubereitet."
Viele glauben grundlos, betroffen zu sein
Bis zu einem Viertel der Menschen sagen, sie litten unter einer Nahrungsmittelallergie. Oft genug sollte man da aber skeptisch sein. Seriöse Fachzeitschriften berichten seit Jahren, dass viele Personen grundlos glauben, daran zu leiden und sich durch Verzicht auf bestimmte Lebensmittel selbst kasteien. Außerdem kann das zu Mangelernährung führen. Studien zufolge liegt die Häufigkeit deutlich unter zehn Prozent, wenn auch etwas ansteigend. Professor Margitta Worm, Allergie-Spezialistin, Charité Berlin:
"Grundsätzlich hat die Nahrungsmittelallergie in den letzten 30, 40 Jahren zugenommen, bei den Unverträglichkeiten, da haben wir sicherlich auch den Aspekt der Medien, der Wahrnehmung von Gesundheitsstörungen und auch letztlich, dass auch auf der Seite der Industrie Produkte gezielt beworben werden als Zielgruppe der Unverträglichkeitsbetroffenen."
Unterschied zwischen Unverträglichkeit und Allergie
Klar wird: Man muss zwei Reaktionen auf Inhaltsstoffe des Essens unterscheiden.
Der Hauptunterschied zwischen einer Unverträglichkeit und einer Allergie ist, dass die Unverträglichkeit sehr stark abhängig ist von der Menge, die man zu sich nimmt, zum Beispiel ein Teelöffel von etwas, da hat man keine Symptome, wenn man aber größere Mengen zu sich nimmt, treten die Symptome auf. Bei einer Allergie da können schon kleinste Mengen selbst schwere Reaktionen auslösen.
Mit anderen Worten: Im Prinzip ist eine Unverträglichkeit weniger schlimm als eine echte Allergie, sagt die Kinderärztin Professor Susanne Lau.
"Die Nahrungsmittelunverträglichkeiten, die sich oft zum Beispiel gegen Zucker richten, wenn man eben den Zucker nicht spalten kann, und natürlich die Laktoseintoleranz, und dann gibt es aber auch noch andere immunologische Phänomene, zum Beispiel die Zöliakie, also wenn eine Glutenunverträglichkeit besteht, dann gibt es eben eine Autoimmunentzündung vom Dünndarm, die relativ gefährlich werden kann und wo man dann eben dringend, im Gegensatz zu dieser Zuckerunverträglichkeit, die allenfalls Bauchweh macht, komplett meiden muss."
Diagnostik mit Haut-, Blut- und Provokationstest
Angesichts der Fülle möglicher Reaktionen auf Nahrungsmittel könnte man fast meinen, wir könnten gar nichts mehr essen. So ist es selbstverständlich nicht. Und es gibt noch eine weitere Unterscheidung. Auf die macht Professor Torsten Zuberbier aufmerksam, Leiter der europäischen Stiftung für Allergieforschung.
"Es gibt neben den echten Allergien auf Nahrungsmittel auch Pseudoallergien. Hier werden andere Rezeptoren auf den Abwehrzellen, auf den Mastzellen, aktiviert, und die Pseudoallergie hat am Ende genau die gleichen Beschwerden für den Patienten, man kann sie aber nicht mit einem Hauttest oder Bluttest nachweisen, hier bleibt nur der Provokationstest."
Dabei erhält der Betroffene das verdächtige Lebensmittel, unter ärztlicher Aufsicht, denn:
"Man muss wissen, wenn man einen Provokationstest durchführt, dass von einer leichten bis zu einer schweren Reaktion alles auftreten kann, das heißt, wo man den Test durchführt, muss man auch in der Lage sein, mit so einer Reaktion umzugehen."
Warnt Professor Margitta Worm vom Allergie-Zentrum der Charité. Insgesamt läuft die Diagnostik der Nahrungsmittelallergie in drei Schritten ab:
"Die erste Stufe ist die sorgfältige Befragung der Patientin oder des Patienten, dann die allergologischen Untersuchungen, da gibt es zwei Möglichkeiten, entweder einen Hauttest oder einen Bluttest, und die dritte Stufe wäre dann der so genannte Provokationstest, der auch als goldener Standard gilt, wo eben das Nahrungsmittel gegeben wird und geschaut wird, ob eine Reaktion auftritt oder nicht."
Die "Selbstbeobachtung" hingegen liefert sehr oft schlicht falsche Ergebnisse. Fachleute nennen zudem unzuverlässige Verfahren "Geschäftemacherei", so den Selbsttest auf Antkörper IgG. Die kommen bei jedem Menschen vor und haben keinen Krankheitswert.
Die seriöse Diagnostik aber sollte frühestmöglich gemacht werden, um die richtigen Konsequenzen ziehen zu können.
Schulung in Restaurants, Kindergärten und Krankenhäusern wäre sinnvoll
"In der Ernährungsberatung steht ganz weit oben: Ersatz statt Verzicht, also zu überlegen, was kann man vielleicht alternativ in die tägliche Küche bringen, und in dem Kontext ist es sehr wichtig, dass diese Ernährungsberatung eben auch eine allergologisch geschulte Fachkraft macht. "
Die Restaurantinhaberin Lara Ramm gehört inzwischen zu den Fachleuten für Lebensmittelallergien. Sie erzählt beim Besuch in ihrem Bistro:
"Also da habe ich Anfragen von Leuten, die Restaurants betreiben, denen gebe ich dann Schulungen, ich habe auch an der Universität schon Vorlesungen gehalten, da sollte man noch weitergehen, dass man zum Beispiel auch Einkaufsläden oder bei Kindergärten die Leute da schult, weil: ist doch so, dass die Kindergärten oder Krankenhäuser auch, das ist ganz schlimm, nicht Bescheid wissen, was Kontamination zum Beispiel bedeuten kann für manche Leute, aber so weit bin ich noch nicht."
Betroffene müssen selbst kontrollieren
Für Menschen mit nachgewiesener Nahrungsmittelallergie heißt es immer: aufpassen!
"Man sollte sich schon bewusst machen, dass man jedes Lebensmittel jedes Mal, wenn man einkaufen geht, kontrollieren muss, die Inhaltsstoffe auf der Rückseite, weil auch die großen Hersteller die Zutaten häufig ändern, wenn man sich noch nicht gut auskennt, vielleicht in den sozialen Medien Hilfe suchen. Mitdenken ist ganz, ganz wichtig, nicht sich einfach irgendwas sagen lassen."