Archiv


Radiolexikon Gesundheit: Nasenbluten

Nasenbluten ist bei Kindern und Jugendlichen ein normales Phänomen. Doch Ärzte unterscheiden eine harmlose und eine weniger harmlose Variante. Welche vorliegt, hängt davon ab, wo genau es in der Nase blutet.

Von Mirko Smiljanic |
    Universitäts-Kindergarten Köln, 11 Uhr vormittags. 20 Kinder im Alter von drei bis sechs Jahren spielen mit allem, was Schränke und Schubladen hergeben: Mit Autos und Malstiften, mit Bauklötzen und Flugzeugen, mit Puppen und Teddybären. Manche sitzen still am Tisch, andere laufen herum. Hin und wieder raufen sich ein paar Jungs, sie stoßen sich und bekommen blaue Flecken, wenn es schlimm kommt, blutet sogar eine Nase. Alltag. Auch das Nasenbluten. Die Frage, wer schon mal Nasenbluten hatte, beantworten die Kinder eindeutig.

    " Iiiiich! "

    Zum Beispiel der fünfjährige Branko, dessen Nase mitunter sogar ohne erkennbaren Grund blutet.

    " Also ich hatte mitten in der Nacht Nasenbluten und ich wusste überhaupt nicht warum. Ich habe gedacht, da wäre Rotz und dann habe ich gedacht, hä, Rotz ist doch nicht so flüssig."

    Wirklich schockiert hat ihn seine blutende Nase nicht. Es tat nicht weh, außerdem ist Nasenbluten - Fachleute sprechen auch von Epistaxis, was soviel wie "darauftröpfeln" bedeutet - ein normales Phänomen bei Kindern und Jugendlichen. Im Kindergarten der Uni Köln - sagt die Leiterin Rita Löcker - kommt es ständig vor.

    " Fast täglich kann man sagen! Dadurch, dass die Kinder sehr viel toben und sehr eng miteinander umgehen, kann es doch sehr leicht vorkommen,..."

    Beim Nasenbluten unterscheiden Ärzte eine harmlose und eine weniger harmlose Variante. Welche vorliegt, hängt davon ab, wo genau es in der Nase blutet.

    " Man unterscheidet in der Nase mehrere Durchblutungssysteme. Eines ist ganz vorne gelegen, und zwar an der Nasenscheidewand, und da ist es natürlich allen möglichen Einflüssen ausgesetzt. Wenn man heftig in der Nase bohrte und eine Kruste ablöst, dann kann schon mal stark bluten. Hier setzen sich zum Beispiel auch Viren fest, Nasenbluten bei Erkältungen ist sehr häufig, ... "

    ... erläutert Professor Olaf Michel, Leitender Oberarzt am Universitätsklinikum für Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde, Köln. Beim harmlosen Nasenbluten sind die vorderen und unmittelbar unter der Schleimhaut liegenden Gefäße verletzt. Etwa durch einen Schlag auf die Nasen. Oder aber wenn Kinder und Jugendliche einfach zu schnell wachsen.

    " Es gibt auch an so genanntes jugendliches gutartiges Nasenbluten. Wenn Jugendliche einen Wachstumsschub haben, dann kommt das Gefäßwachstum schon mal nicht nach, dann haben Sie vielleicht auch mal eine kleine Blutdruckspitze, dann kommt es eben zur Blutung, das kann ganz harmlos sein, wenn die Blutung innerhalb von wenigen Minuten zum Stillstand kommt."

    Lässt sich die Blutung nicht stillen oder blutet die Nase immer wieder, muss ein Hals-Nasen-Ohrenarzt abklären, ob nicht doch eine der weniger harmlosen Ursache vorliegt. Der Blutdruck spielt dabei in vielen Fällen eine entscheidende Rolle.

    " Häufig wird zum Beispiel ein hoher Blutdruck dadurch erfahrbar, dass man stark aus der Nase blutet. Das heißt, dieser Patient braucht dann natürlich eine Blutdruckbehandlung. Und dann gibt es eine Kombinationstherapie, dass der Arzt zunächst einmal die Blutung stillt und dann muss der Patient zu einem Internisten oder zu seinem Hausarzt, der dann den Blutdruck richtig einstellt, dann hört das auch meistens auf."

    Die Palette der weniger harmlosen Ursachen für Nasenbluten ist breit: Allergien zählen dazu, akute Infektionskrankheiten wie Typhus oder die Virusgrippe, ein chronischer Mangel an Vitamin K kann Nasenbluten auslösen, aber auch Skorbut bis hin zu Tumoren der Nasen- und Nasennebenhöhlen sind Auslöser. Weiterhin kennen Mediziner angeborene Gefäßleiden, ...

    "... ich sag mal salopp, ein so genanntes Feuermal, oder es gibt auch so kleine Blutschwämmchen in der Nase, die plötzlich ganz heftig bluten können, und es gibt auch Gefäßveränderungen, die sich nach Entzündungen ausbilden können, die können auch manchmal ganz heftig bluten, dann muss der HNO-Arzt diese Veränderung verschorfen, dann ist meistens Ruhe. Ganz selten gibt es auch vererbte Durchblutungsstörungen in der Nase, das heißt hier sind die Gefäße nicht richtig ausgebildet, die Blutgerinnung kann nicht richtig wirken, und dann blutet es wiederholt und heftig aus der Nase, das sind Patienten zum Beispielpatienten mit einem Morbus Osler, die kommen dann auch häufiger und sind sehr stark von ihren Blutungen gefährdet."

    Drei große Gefahren gehen vom Nasenbluten aus: Zunächst einmal besteht die Möglichkeit, dass Blut durch den Rachen bis in die Luftröhre fließt. Vor allem bei Patienten mit Bewusstseinsstörungen kann das schwere Komplikationen auslösen. Zweitens wirkt Blut wie ein sehr starkes Brechmittel. Wer viel Blut verschluckt, läuft Gefahr sich zu übergeben. Und drittens darf der Bluterlust nicht außer Acht gelassen werden: Es besteht die Gefahr eines Volumenschocks und damit die Gefahr einer Bewusstlosigkeit.

    " Der Blutverlust kann insbesondere bei Kindern gefährlich werden, weil, Kinder haben eigentlich ganz wenig Blut, man kann so rechnen Pi mal Daumen zehn Prozent des Körpergewichtes, und das ist bei Kindern ganz schnell verbraucht. Und es ist ja auch so, dass nicht nur der akute Mangel eine Rolle spielt, sondern man verliert ja auch Eisen. Bei Frauen, die befinden sich fast immer an der Grenze zum Eisenmangel, kann das schon eine Rolle spielen. Eine weitere Problemgruppe sind natürlich Patienten, die ein Mittel einnehmen, das die Blutgerinnung beeinflusst. Ganz harmlos wäre zum Beispiel jemand, der Aspirin einnimmt, auch da gibt es schon eine Gerinnungsstörung, anders sind Patienten, die Macumar nehmen, das ist ein Medikament, das ganz drastisch die Blutgerinnung herabsetzt, das sind Patienten, die Herzklappenersatz haben, die müssen immer darauf achten, dass ihre Blutwerte richtig eingestellt sind, sonst kommt es zum Nasenbluten oder, viel schlimmer, es kann noch aus anderen Stellen bluten."

    Mittlerweile haben einige Mädchen im Kölner Uni-Kindergarten Musik aufgelegt. Verkleidet in weiten Tüchern tanzen sie im Zimmer umher. Gefahr geht davon für die Kindernasen nicht aus, auch wenn Rita Löcker aus Erfahrung weiß: Bluten kann es immer. Ist es erst einmal soweit, leisten die Erzieherinnen Erste Hilfe. Psychologisch und medizinisch.

    " Das Kind in den Arm nehmen, ein nasses kaltes Handtuch holen, das Handtuch erst einmal an die Nase drücken, das Kind ein bisschen auf den Schoß nehmen und trösten, das Kind davon abhalten, weiter zu toben, und wenn es geht ein weiteres kaltes Handtuch in den Nacken legen."

    Es gibt eine lange Liste von mehr oder weniger wirksamen Hausmitteln gegen Nasenbluten. Ein paar zur Auswahl: Das nichtblutende Nasenloch zuhalten und durch das blutende Nasenloch atmen. Oder: Eine Zwiebelhälfte unter die Nase halten in der Hoffnung, dass sich durch die ätherischen Öle die Blutgefäße zusammen ziehen. Oder: Wenn das linke Nasenloch blutet, den rechten Arm senkrecht in die Höhe halten und andersrum. Und schließlich: Einen Eisbeutel in den Nacken legen. Diese Methode sei besonders wirkungsvoll, bestätigt Professor Olaf Michel.

    " Dadurch wird die Nasendurchblutung stark gedrosselt, das hat man inzwischen auch wissenschaftlich nachgewiesen, das kann jeder zuhause machen, sei es, dass er Eis aus dem Eisfach nimmt und in eine Plastiktüte tut. Es gibt natürlich auch teure Lösungen: Man kann sich in Apotheken so genannte Eispacks kaufen, die man im Kühlschrank liegen hat und sich bei Bedarf in den Nacken presst."

    Die kostengünstige Variante wirkt so sicher wie die teure! Eine Methode freilich, die früher zum Standardrepertoire gegen blutende Nasen zählte, ist ziemlich in Verruf geraten: Beim Nasenbluten bitte nicht den Kopf in den Nacken legen!

    " Das macht man heute eigentlich nicht mehr, bei ganz leichtem Nasenbluten kann man es noch machen, denn das Blut läuft er dann hinten in den Rachen, das ist dann ja auch nicht so schön. "

    Das Blut fließt durch den Rachen entweder in den Magen oder, schlimmer noch, in die Luftröhre.

    " Ich sage immer Ruhe bewaren, Ruhe bewahren, Ruhe bewahren! Denn das bedeutet immer dass der Blutdruck runter geht, wenn man sich nicht so aufregt und dass es dann schon mal weniger blutet. Unter natürlich zunächst mal die Nase zuhalten und nicht alle zwei Sekunden nach gucken. Ob es schon aufgehört hat, wenn die Blutstillung, die braucht ihre Zeit, und wenn es dann nicht aufhört oder immer wiederkommt, dann die Klinik aufsuchen, rechtzeitig, wir sind Tag und Nacht dafür da!"

    Ruhe bewahren heißt es auch für die Erzieherinnen im Kölner Universitäts-Kindergarten. Wenn 20 Kinder im Alter von drei bis sechs Jahren toben, bleiben blutende Nasen nicht aus. Wirklich schockiert ist aber niemand mehr, Nasenbluten gehört zum Alltag!