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Radiolexikon Gesundheit: Schweigepflicht

Mediziner, die das sogenannte Arztgeheimnis brechen, müssen unter Umständen mit dem Entzug ihrer Approbation rechnen. Bereits das bloße Verraten von Patientennamen verstößt gegen die Schweigepflicht. Auskünfte gegenüber Krankenkassen werden durch sie aber oft nicht gedeckt.

Von Justin Westhoff |
    "Was immer ich sehe und höre bei der Behandlung oder außerhalb der Behandlung im Leben der Menschen, so werde ich von dem, was niemals nach draußen ausgeplaudert werden soll, schweigen, indem ich alles Derartige als solches betrachte, das nicht ausgesprochen werden darf."

    Diesen Teil des über 2000 Jahre alten Hippokratischen Eides schwören Mediziner heute zwar nicht mehr öffentlich und feierlich, das Arztgeheimnis gilt aber fort, nämlich in der Berufsordnung und im Strafgesetzbuch. Ähnlich wie ein Anwalt oder ein Geistlicher muss sich ein Arzt strikt daran halten:

    "Er darf nichts äußern, nicht einmal, dass diese betreffende Person sein Patient ist. Also nicht nur die Diagnose darf er nicht sagen, oder die Therapie darf er nicht sagen, er darf auch alle anderen Dinge, die er in diesem Zusammenhang erfahren hat, nicht ohne Einverständnis des Patienten ausplaudern",

    sagt Dr. Elmar Wille, Stellvertretender Vorsitzender der Ärztekammer Berlin. Die ärztliche Schweigepflicht ist Grundlage der vertrauensvollen Arzt-Patient-Beziehung und gilt gegenüber jedermann, auch gegenüber Angehörigen. Ärzte haben zudem ein Zeugnisverweigerungsrecht, können also nicht gezwungen werden, einen Patienten vor Gericht zu belasten, solange es sich nicht um schwerste Straftaten handelt. Dr. Jörg Gölz hat in Berlin eine große Allgemeinpraxis.

    "Ich erfahre relativ oft einfache Straftaten, zum Beispiel, dass jemand illegal im Land ist oder dass jemand schwarz arbeitet, die sind durch die Schweigepflicht gedeckt. Wenn ich jetzt erfahre, dass jemand einen Raub mit Waffen vorhat oder gar konkret jemanden ermorden möchte, dann ist das durch die Schweigepflicht nicht mehr gedeckt."

    In vielen Fällen muss sich ein Arzt sogar gegenüber den Eltern Minderjähriger an die Schweigepflicht halten:

    "Bei unmündigen Kindern ist der Arzt den Eltern gegenüber auskunftspflichtig. Aber auch da ist es nicht so geregelt, dass man sagt, bis zum 18. Lebensjahr kann der Arzt ungeniert die Eltern informieren. Er muss sich beim Jugendlichen davon überzeugen, ob der die Reife hat, das alleine durchzustehen, oder ob er die Eltern mit heranzieht."

    Nachgerade klassisch hierfür ist das Beispiel des 16-jährigen Mädchens, das vom Frauenarzt ein Verhütungsmittel verlangt. Die Schweigepflicht endet im Übrigen auch nicht mit dem Tod des Patienten. Und sie gilt gleichermaßen für Angehörige anderer medizinischer Berufe sowie für die Angestellten des Arztes. Der muss organisatorisch dafür sorgen, dass seine Praxishelferin zum Beispiel nicht lauthals irgendwelche Diagnosen ausplaudert. Anders sieht das aus gegenüber der gesetzlichen Krankenversicherung, die etwa für die Abrechnung unter anderem Patientenname, Krankheitsart und Behandlungsmaßnahmen wissen muss. Ärztekammervertreter Dr. Elmar Wille:

    "Wenn ein Patient zum Arzt geht, dann hat der Arzt ja eine Offenbarungspflicht gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung und gegenüber der Krankenkasse."

    Dies gilt ausdrücklich nicht gegenüber anderen Versicherungen oder Behörden, die gerne wissen wollen, wie es um den Gesundheitszustand eines Menschen bestellt ist. Der Versuch wird durchaus unternommen – diese Erfahrung macht Dr. Gölz.

    "Das Hauptproblem heute sind die Jobcenter, die zu tief reinwühlen sozusagen in diese ärztliche Schweigepflicht, nur um irgendwelche Festlegungen zu machen, ob der jetzt weiter Hartz IV kriegt oder aber, ob er vermittelt werden kann."

    Auskünfte darf der Arzt – rechtlich gesehen – in solchen Fällen nur geben, wenn der Patient ihn ausdrücklich von der Schweigepflicht befreit. Doch faktisch dürfte der Druck einiger Versicherer und Behörden auf den Patienten groß sein, dies doch zu tun. Theoretisch dürfen Ärzte auch untereinander Informationen nur dann austauschen, wenn der betroffene Patient das ausdrücklich erlaubt.

    "Prinzipiell ist es so, dass jedes Mal eine Einverständniserklärung des Patienten vorliegen müsste, das würde aber die gesamte Kommunikation zwischen Ärzten über ihre Patienten völlig lahmlegen; Man geht davon aus, dass der Patient automatisch dazu seine Zustimmung geben würde, weil es ihm ja nutzt, wenn der Kardiologe dem Allgemeinmediziner etwas über Nebenwirkungen an dem Herzen des Patienten sagt oder sonst irgendwelche Daten ausgetauscht werden."

    In anderen Fällen muss zwischen zwei Rechtsgütern abgewogen werden – der ärztlichen Schweigepflicht auf der einen und der Schutz der Allgemeinheit auf der anderen Seite. Diese Abwägung ist schwierig und muss auf den Einzelfall abgestimmt werden. Dr. Wille von der Ärztekammer Berlin, der auch niedergelassener Augenarzt ist, erläutert das an einem Beispiel:

    "Sagen wir mal, ein Patient wenn der sehr wenig sieht, aber trotzdem mit dem Kfz in die Praxis kommt, offenbare ich das oder tue ich nicht. Da muss ich abwägen: Wie weit gefährdet der unschuldige Mitbürger und ist der nicht mehr genügend einsichtsfähig – gut, da ist man gehalten natürlich, dem ernst zuzusprechen und zu sagen, 'das geht nicht', aber ich sag mal aus der Lebenspraxis, man sieht dann diese Patienten nicht wieder, das ist der Punkt, ja."

    Andererseits würde sich ein Arzt strafbar machen, wenn er bestimmte Krankheiten für sich behält, vor allem, wenn diese meldepflichtig sind. Dr. Jörg Gölz hat eine Schwerpunktpraxis mit vielen drogenabhängigen Patienten, bei denen bestimmte Infektionen gehäuft vorkommen, etwa Hepatitis.

    "Da muss der Patient dem zuständigen Gesundheitsamt gemeldet werden, weil es Übertragungswege gibt bei diesen Erkrankungen, die im Familienrahmen oder im Rahmen der Wohngemeinschaft möglich sind, und das Gesundheitsamt eine Möglichkeit haben muss, einzuschätzen, ob dort Vorsorge getragen ist."

    Anders, als manch Einer denkt, ist hingegen eine HIV-Infektion nur anonym meldepflichtig. Hier jedoch kann der Arzt, wenn auch selten, vor einem anderen Problem stehen, wenn er nämlich den Eindruck hat, dass der Patient nicht gewillt ist, seinen oder seine Partner über die Ansteckungsgefahr zu informieren.

    "Also eine HIV-Infektion weiterzugeben, wäre eine Verletzung eines so hohen Rechtsguts, dass in der Regel das höherwertige Rechtsgut dann, nur dann vor die ärztliche Schweigepflicht geht."

    Bei einem anderen Konflikt hat der Gesetzgeber für mehr Klarheit gesorgt, wenn nämlich ein Arzt den Verdacht auf Kindesmisshandlung hat: Es gibt für ihn zwar keine Meldepflicht, aber die Befugnis, das Jugendamt notfalls zu informieren. Ansonsten kann ein Verstoß gegen die ärztliche Schweigepflicht mit berufsrechtlichen Sanktionen sowie Geld- oder Freiheitsstrafe geahndet werden. Doch das kommt relativ selten vor, sagt Dr. Elmar Wille.

    "Um das mal am Beispiel der Ärztekammer Berlin festzumachen: Es gibt im Jahr bis zu 50 Beschwerden. Die aber nicht immer berechtigt sind. Und wenn man denkt, wie viele Millionen Patienten-Arzt-Kontakte es gibt jedes Jahr, sind 50 natürlich wenig, und sanktioniert werden müssen vielleicht eins oder zwei."

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