Archiv


Radiolexikon Gicht

Schon früh sah man einen Zusammenhang zwischen dem erhöhten Alkohol- und Fleischgenuss und dem Auftreten der Gicht. Sie galt in früheren Zeiten als die Krankheit der Könige, der Wohlhabenden. In Notzeiten kommt die Gicht dagegen selten vor.

Von Renate Rutta |
    "Etwa zwei bis drei, maximal vier Tage, zu Anfang ist die höchste Intensität. Die geht auch gleich sehr steil hoch, die Schmerzempfindung, dann langsam abklingend, spürbar noch vier Tage später."

    Erst kürzlich hatte Peter Jansen wieder einen schmerzhaften Gichtanfall. Es war nicht sein erster.

    "Das Problem besteht seit 27 Jahren, mit 40 - ich bin jetzt 67 - habe ich diese Erscheinung zum ersten Mal erleben müssen, nachdem mein Bruder, der ein Jahr älter ist als ich, das ein Jahr vorher erlebt hat und auch Vettern von mir in ähnlichem Alter davon betroffen waren."

    Er war also vorbereitet und vermutete schon, dass es sich bei den Schmerzen am großen Zeh um einen Gichtanfall handelt.

    "In den letzten drei Jahren hab ich etwa dreimal damit zu tun gehabt, unter anderem jetzt unlängst in dieser Extremsituation, in der ich mich durch einen Sturz medizinisch befand."

    Er wandte sich an die Rheumatologische Abteilung an der Universitätsklinik Bonn. Dort traf er Oberarzt Dr. Matthias Seidel.

    "Welche Gelenke sind denn betroffen und wie würden Sie die Intensität der Beschwerden beschreiben?

    Bei mir ist immer nur das Gelenk des dicken Zeh betroffen, meistens links, selten rechts, ausgerechnet letzte Woche war es der rechte Zehballen, der punktuell und sehr schmerzhaft diese Entzündungsschmerzen wiedergegeben hat

    Der typische Gichtschmerz ist ein derartig intensiver Schmerz, die betroffenen Patienten beschreiben, dass sie nicht einmal die Bettdecke auf diesem Gelenk ertragen, weil es so schmerzhaft ist, würden Sie das so bestätigen?

    Insbesondere der Anfall der letzten Woche war von dieser Qualität, so dass die an meinem Haus vorbeifahrende Straßenbahn Erschütterungen, die zu Schmerzen führen ausgesendet hat.
    Das ist aber nicht immer der Fall. Es gibt Anfälle, die weniger schmerzhaft verlaufen."

    Gicht ist eine Stoffwechselerkrankung mit erhöhten Harnsäurewerten im Blut, von der vor allem Männer betroffen sind. Meistens tritt diese Form der Gelenkentzündung im Alter zwischen 40 und 60 Jahren auf. Je höher die Konzentration der Harnsäure, desto größer ist auch die Gefahr eines Gichtanfalls.

    "Ein Harnsäurewert zwischen 7 und 7,9 Milligramm pro Deziliter führt nur in 12 Prozent der Fälle zur Gicht, ein Harnsäurewert zwischen 8 und 8,9 Milligramm pro Deziliter dann in 36 Prozent der Fälle und liegt die Harnsäure über 9 Milligramm pro Deziliter haben schon mehr als die Hälfte der Patienten einen Gichtanfall."

    Während eines Gichtanfalls kann man häufig im Blut eine Entzündungsreaktion nachweisen.

    "Die Gicht kommt dadurch zustande, dass Harnsäurekristalle im Gelenk ausfallen, das heißt sie kristallisieren und diese Kristalle, die sehr spitz sind so wie Nadeln, werden von Fresszellen aufgenommen und abgetötet, was dann zu einer Entzündungsreaktion führt, die dann zu dem Schmerz führt."

    Anfallartige Schmerzen im großen Zehen, die nach einer Woche wieder verschwinden, sind Hinweise, dass es sich um eine Gicht handelt. Doch zur genauen Diagnose gehört noch mehr.

    "Die Diagnose einer Gicht stellt man erstens durch Untersuchung der Harnsäurewerte im Blut. Die können aber während des Gichtanfalls normal oder sogar erniedrigt sein. Die müssen also zum Zeitpunkt des Gichtanfalls gar nicht erhöht sein. Diagnostisch beweisend ist das Gichtkristall im Gelenkpunktat."

    Einer der Auslöser kann Alkohol sein. Alkohol steigert die körpereigene Harnsäurebildung in der Leber und hemmt die Ausscheidung über die Nieren. Vor allem Bier, das unter anderem Purine enthält, sorgt für einen Anstieg der Harnsäurewerte.

    Schon früh sah man einen Zusammenhang zwischen dem erhöhten Alkohol- und Fleischgenuss und dem Auftreten der Gicht. Sie galt in früheren Zeiten als die Krankheit der Könige, der Wohlhabenden. In Notzeiten kommt die Gicht dagegen selten vor. Eine üppige Mahlzeit kann einen Gichtanfall verursachen. Auch Peter Jansen hat das schon zu spüren bekommen.

    "Dieses Schlemmen ist immer auslösend, wenn's besonders gut schmeckt, Essen oder Trinken, und man isst über das Maß hinaus, ist es immer gefährlich, auch bei Werten unter 6, unter 6 schon anfallauslösend schon bei mir gewesen, schon bei 5 1/2."

    Besonders Innereien, Fleisch, Schalentiere, manche Fischsorten und Hülsenfrüchte sind purinreich. Purine baut der Körper zu Harnsäure ab. Deshalb sollten purinreiche Lebensmittel vermieden werden. Dagegen hilft es den Gichtgeplagten, viel Wasser zu trinken, weil sich die Harnsäure so nicht in der Niere ablagern kann.

    Viele Patienten können verhindern, dass sie wieder einen Gichtanfall bekommen, wenn sie ihre Essgewohnheiten umstellen. Sonst müssen dauerhaft Medikamente eingenommen werden, die einerseits anregen, dass die Harnsäure ausgeschieden wird und andrerseits die Produktion neuer Harnsäure unterbinden.

    "Es gibt verschiedene Risikofaktoren für die Gicht, das eine ist die familiäre, sogenannte idiopathische Gicht, dann tritt die Gicht bei Übergewicht auf, bei wenig Bewegung, bei übermäßigem Alkoholgenuss, bei Zuckerkrankheit, bei Fettstoffwechselstörungen und bei Bluthochdruck."

    Erst gegen Ende des 17. Jahrhunderts wurde zwischen Gicht und Rheuma unterschieden. Und noch heute ist es manchmal schwierig, die richtige Diagnose zu erstellen, weil nicht alle Gichtformen sich an der typischen Stelle, dem Großzehengrundgelenk abspielen. Es gibt auch eine Form der Gicht, die viele verschiedene Gelenke befällt und dann auch noch symmetrisch, so Dr. Seidel:

    "Wenn kleine Fingergelenke geschwollen sind, bzw. schmerzhaft entzündlich verändert sind, dann denkt der Arzt meistens nicht an Gicht, sondern an einen klassischen entzündlichen Rheumatismus, wie beispielsweise die rheumatoide Arthritis, die typischerweise die kleinen Fingergelenke betrifft. Aber selten kann es vorkommen, dass auch die Gicht sich so manifestiert.
    Dann ist es besonders schwierig aber auch besonders wichtig, eine genaue Diagnose zu erstellen, weil die chronische Polyarthritis natürlich ganz anders behandelt wird als die Gicht."

    Auch außerhalb des Gelenks kann die Gicht in Erscheinung treten. Wandern die Harnsäurekristalle etwa in die Haut oder den Knorpel der Ohrmuschel, dann können sogenannte Gichtknoten entstehen.

    "Das sind Ablagerungen von Harnsäurekristallen bspw. in den Ohrmuscheln. Es gibt Schleimbeutelentzündungen klassischerweise am Ellenbogen, wo sich dann massiv Gichtkristalle in diesem Schleimbeutel ansammeln, der dann sich entzündlich verändert, anschwillt mit einer hochroten Farbe und dann natürlich sehr schmerzhaft ist. Das findet dann aber außerhalb des Gelenkes statt, nämlich im Schleimbeutel."

    Die Prognose der Gicht hängt vom Krankheitsverlauf ab und den kann man beeinflussen durch eine purinarme Diät und wenig Alkohol. Doch das klappt nicht immer.

    "Schlimm ist für mich immer das Gefühl des Versagens. Bemühen, was nicht immer eingehalten wird. Diese Nahrungsaufnahme zu kontrollieren, das wird dann vernachlässigt und die Strafe folgt auf den Fuß und dieses Falschverhalten und schon kommt die Strafe, das ist deprimierend."