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Radiolexikon Kernspintomografie

Ob das Knie schmerzt, eine Niere Probleme macht oder gar der Verdacht auf einen Hirntumor besteht – Diagnoseinstrument Nummer eins ist die "Röhre". Der Kernspin-Tomograf oder auch Magnetresonanz-Tomograf kann Muskeln und Gefäße, Knochen und Organe darstellen.

Von Mirko Smiljanic | 27.04.2010
    So hört es sich an, wenn extrem starke Magnetfelder an Spulen und deren Verankerungen zerren. Ein Klack nach dem anderen, manchmal schneller, manchmal langsamer, für den Fachmann immer aber aufschlussreich. Was da so lärmt, ist ein Magnetresonanz-Tomograf in Aktion. Nicht irgendein Gerät, sondern ein Tomograf, mit dem Ärzte am Kölner Max-Planck-Institut für neurologische Forschung Hirne untersuchen: von Studenten und Senioren, von Gesunden und Kranken.

    "Wir sehen einen Drei-Tesla-Tomogrfhen, ein großes graues Gerät, mit einer Öffnung, einer sogenannten Gentry, also der Liege, auf die man einen Patienten oder Probanden drauflegen kann, und den Probanden können wir dann in das Gerät reinfahren, ... "

    ... erklärt Dr. Marc Tittgemeyer, im Max-Planck-Institut zuständig für den Kernspin-Tomografen. 20 Tonnen wiegt das Ungetüm, die Öffnung für den Patienten – die "Röhre" – hat einen Durchmesser von 60 Zentimetern, darum herum wölbt sich eine Ringspule von knapp drei Metern Durchmesser. Diese Spule produziert das Magnetfeld mit einer Stärke von drei Tesla. Klingt harmlos, doch das Gegenteil ist der Fall. Drei Tesla sind das 30.000-fache des Erdmagnetfeldes, ...

    "... das ist ein sehr, sehr starkes Magnetfeld, wenn man da jetzt reingeht und diesen kleinen Stift hier, ich habe einen Kugelschreiber in der Hand, wenn man den loslassen würde, dann würde der wie ein Geschoss angezogen und reingezogen, wie alles, was magnetisch ist, da reingezogen würde. Deswegen haben wir diesen Sicherheitsbereich, deswegen stehen wir außen vor dieser Scheibe und können nicht reingehen, außer wir würden alles ablegen, was metallisch ist, dann könnten wir da reinlaufen."

    Interviews lassen sich unmittelbar am Kernspin-Tomographen auch nicht führen: Das Mikrofon würde als Geschoss durch die Gegend fliegen, das starke Magnetfeld die Tonbänder augenblicklich löschen. Apropos "Kernspin-Tomograf": Der Begriff, sagt Prof. Jörg Barkhausen, Direktor der Klinik für Radiologie und Nuklearmedizin am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein in Lübeck, ist irreführend. Kernenergie und ihre Strahlung spielt dabei keine Rolle.

    "Der bessere Begriff ist eigentlich auch Magnetresonanz-Tomografie, weil dieser Begriff auch sehr genau erklärt, was bei einer MRT-Untersuchung passiert."

    Schauen wir uns also an, wie ein Magnetresonanz-Tomograf funktioniert. Zunächst wird der Patient in das permanent vorhandene Magnetfeld geschoben, also in die "Röhre",...

    "... dann strahlen wir Radiowellen ein, die abgestimmt sind auf die Feldstärke des Magnetfeldes. Hier in Lübeck hören wir bei 101,9 MHz den Deutschlandfunk und bei 63 MHz machen wir Kernspin-Tomografie, also das sind Radiowellen, die eingestrahlt werden und damit überhaupt nicht mit einer Röntgenstrahlenbelastung verbunden. Und aus diesen Signalen, die der Körper dann wieder aussendet, wird in einem aufwendigen mathematischen Verfahren ein Bild berechnet, und das ist das grundlegende Prinzip der Magnetresonanz-Tomografie."

    Drei Dinge braucht der Radiologe: Ein starkes Magnetfeld, den menschlichen Körper und Radiowellen, die den Körper im Magnetfeld bestrahlen.

    "Diese Radiowellen, die in den Körper eingestrahlt werden, treten in Wechselwirkung mit den Wasserstoffatomen, die im Körper in großer Zahl vorhanden sind, und diese werden ausgerichtet an dem äußeren Magnetfeld und kehren, nachdem die Hochfrequenzenergie abgeschaltet wird, in den Ausgangszustand zurück und dabei geben sie wieder eine Radiowelle ab, die wir mit Antennen aufnehmen."

    Diese vom Körper ausgestrahlten Radiowellen haben je nach dem woher sie kommen, eine unterschiedliche Charakteristik. Kommen sie aus dem Hirn, sehen sie anders aus, als Radiowellen aus Knochen, die wieder unterscheiden sich von Radiowellen aus der Leber und so weiter. Dadurch entsteht der sogenannte Weichteilkontrast, der erstaunlich präzise Bilder aus dem Inneren des menschlichen Körpers möglich macht. Zum Beispiel aus dem Gehirn. Marc Tittgemeyer vom Max-Planck-Institut für neurologische Forschung schaut sich am Computer die gerade berechneten Bilder einer 45-jährigen Patientin an.

    "Wir sehen ein Kernspin-Tomogramm, ein Bild, von einem Kopf einer Probandin, die Auflösung ist ein Millimeter, das heißt, wir können relativ kleine Strukturen erkennen, wir sehen drei Schnittebenen, eines ist von der Seite, eines ist von vorne, eines ist von oben."

    Drei Einzelbilder des Kopfes liegen neben- und untereinander auf dem Computerbildschirm, mit ein paar Mausklicks lassen sich alle Details anzeigen, ...

    "Wir können jetzt am Computer hier mal durchfahren, wir können zum Beispiel am rechten Ohr beginnen und uns dann langsam durch das Gehirn bis zum linken Ohr vorarbeiten, das heißt, wir können hier in der sogenannten Sagittalen, der seitlichen Schnittebene, durchfahren und schauen, was wir an Strukturen sehen, die Morphologie, also die Gestalt der Gehirnstruktur zuordnen."

    Schicht für Schicht arbeitet sich Marc Tittgemeyer durch das Gehirn, vergleichbar mit einem virtuellen Flug durch die Windungen erst des Stammhirns, dann des Großhirns. Nichts entgeht seinen geschulten Augen. Solche Reisen durch den Körper bieten im Vergleich zur klassischen Röntgenaufnahmen viele Vorteile.

    "Wir schauen dem Herz bei der Arbeit zu, wir schauen wie Blut durch den Körper fließt, um zum Beispiel die großen Gefäße darzustellen oder wir können sogar mit der Kernspin-Tomografie dem Gehirn beim Denken zuschauen."

    Die Qualität der Bilder hängt auch vom Magnetfeld ab. Deutschlands stärkste Tomografen erzeugen Feldstärken von sieben Tesla, also das 70.000-fache des Erdmagnetfeldes. Die Gleichung "hohe Feldstärke gleich bessere Bilder" – sagt Prof. Jörg Barkhausen vom Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Lübeck – ist aber nur teilweise richtig.

    "Wir bekommen je höher die Feldstärke des Magnetfeldes ist, mehr Signale und damit können wir die räumliche Auflösung steigern. Aber ganz problemlos ist die Steigerung der Feldstärke auch nicht, da wir neue Artefakte erhalten, die wir durch aufwendige Verfahren kompensieren müssen, daher ist es von der Fragestellung abhängig, welches System die besten Ergebnisse liefert."

    Für Weichteile werden üblicherweise 1,5 Tesla genutzt, für Knochen drei Tesla, da lohnt die höhere Feldstärke. Nebenwirkungen gibt es übrigens nur jenseits von fünf Tesla. Hin und wieder klagen Patienten über Lichtblitze auf der Netzhaut oder Schwindelgefühle. Unmittelbar nach der Untersuchung verschwinden aber auch diese Symptome.

    Bleibt der infernalische Lärm, den leider noch keine Technik entscheidend mindern konnte. Damit die Patienten nicht hörgeschädigt nach Hause gehen, tragen sie zu ihrem Schutz große Kopfhörer.