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Radiolexikon: Leberwerte

Nicht das Gläschen in Ehren - gelegentlich, aber auf Dauer und zu viel genossen, hinterlässt Alkohol doch Spuren im Körper. Und das sind nicht immer gleich gerötete Augen oder ein schwankender Gang, manchmal bringen auch ein paar Buchstaben und Zahlen das Laster ans Licht, die "Leberwerte" auf dem Laborbefund:

Von Andrea Westhoff |
    "Es gibt einen bestimmten Parameter, die sogenannte Gamma-GT, der Laie nennt es auch das Säuferenzym, das ist ein bestimmter Wert, der, vor allem, wenn man exzessiv Alkohol genießt, massiv und isoliert erhöht ist."

    Sagt Professor Bertram Wiedenmann, Direktor der Klinik für Hepatologie und Gastroenterologie der Charité in Berlin, allerdings fügt er gleich hinzu:


    "Es gibt eine Reihe von Giften, die zu Leberwertveränderungen führen, und von daher kann man nicht prinzipiell sagen, dass die erhöhten Leberwerte mit einem exzessiven Alkoholkonsum einhergehen."

    Die Leber ist ein Speicher- und Entgiftungsorgan, über das lebenswichtige Funktionen wie Stoffwechsel, Verdauung und das Immunsystem mit reguliert werden. Entsprechend zahlreich sind die möglichen Störungen, erklärt Professor Rudolf Tauber, Leiter der Labormedizin der Charité:

    "Es gibt eine Vielzahl von Ursachen von Lebererkrankungen. Das beginnt mit Alkohol, das geht über Medikamente, die häufig auch Leber schädigend sind als Nebenwirkung; es gibt eine Vielzahl von Giftstoffen, die wir beispielsweise berufsbedingt aufnehmen, es gibt eine Vielzahl von Infektionen, die sich auf die Leber auswirken, das bekannteste Beispiel ist die Virushepatitis, die dann zu virusbedingten oder entzündungsbedingten Lebererkrankungen führen."

    Deshalb gehört die Kontrolle verschiedener Leberwerte zur Routine bei jedem "Labor" – wie Ärzte kurz die Untersuchung von Körpermaterialien, also Blut, Urin, Stuhl, Gewebeflüssigkeiten oder Abstriche nennen.

    Die Leberwerte sind all jene Laborparameter, die Hinweise auf eine normale beziehungsweise gestörte Funktion des Organs geben. Die wichtigsten heißen GOT und GPT (heute auch ASAT und ALAT), das sind Transaminasen – also Enzyme, die am Zellstoffwechsel beteiligt sind und den Abbau und Umbau von Aminosäuren (den "Eiweißbausteinen") beeinflussen.

    "Bei diesen Schädigungsparametern wird geprüft, ob die Zellmembran, die Leberzellen umhüllt, durchlässiger geworden ist und wenn das der Fall ist, treten Inhaltsstoffe der Leberzellen – diese Transaminasen – ins Blut aus und können dann gemessen werden. Ein Anstieg der GPT-Enzymaktivität im Blut zeigt zuverlässig eine Leberschädigung an. Der zweite Parameter, die GOT, wird auch in Muskelzellen gebildet, und wenn man nur die GOT messen würde, könnte man nicht unterscheiden, ob diese erhöhte Aktivität der GOT aus der Leber oder aus der Muskulatur stammt. Eine GOT-Erhöhung finden sie beispielsweise nicht nur bei einer Virushepatitis, sondern auch bei einer Muskeltraumatisierung, also nach einem schweren Unfall, aber auch nach einem Herzinfarkt."

    Auch die schon erwähnte Gamma-GT (kurz GGT), ist ein Stoffwechselenzym, das sich in vielen Organen und Geweben befindet, gilt aber trotzdem als "Leberwert":

    "Die Gamma-GT zeigt ebenfalls in der Regel eine Leberzellschädigung an, aber reflektiert sehr häufig auch eine Erkrankung der ableitenden Gallenwege beispielsweise in der Folge eines Gallensteins. Alle diese Parameter weisen auf eine Schädigung hin, sagen aber alleine nichts wirklich Zuverlässiges über die Ursache einer Lebererkrankung aus."

    Deshalb gibt es im Labor eine Drei-Stufen-Diagnostik: Zunächst wird festgestellt, ob überhaupt erhöhte Leberwerte vorliegen. Manchmal zeigt sich hier schon ein erster wichtiger Befund: Sehr hohe GOT- und GPT-Werte findet man zum Beispiel bei Vergiftungen etwa durch Pilze. Dabei kommt es also zu akuten, schweren Leberschädigungen, das gleiche gilt für eine akute Hepatitis. Dann beginnt die Suche nach möglichen Ursachen. Labormediziner Professor Rudolf Tauber:

    "Wenn wir den Verdacht haben, dass eine infektiöse Lebererkrankung vorliegt, dann muss man im Labor weitere Untersuchungen durchführen, beispielsweise eine Virushepatitis ausschließen, indem man Antikörper gegen das Virus oder indem man das Virus nachweist."

    Um eine Lebererkrankung genau zu diagnostizieren, müssen immer mehrere Laborwerte zusammen nach einem bestimmten Muster betrachtet werden. Außerdem gibt es noch weitere speziellere Leberwerte, die der Labormediziner zurate ziehen kann: Zum Beispiel zeigt der Bilirubin-Wert an, ob der Gallenabfluss aus der Leber gestört ist, und auch der Qickwert, bekannt als Anzeiger für die Blutgerinnungszeit, kann ein Leberwert sein. Denn an der Blutgerinnung sind auch Eiweiße (Proteine) beteiligt, die in der Leber hergestellt werden.

    In der dritten Stufe der Labor-Diagnostik wird schließlich der Schweregrad der Leberschädigung festgestellt.

    "Wenn eine schwerwiegende Erkrankung des Patienten aus dem Laborbefund deutlich wird, dann informieren wir vom Labor aus den behandelnden Arzt oder die behandelnde Ärztin direkt."

    Die Labordiagnostik ist bezüglich der Leberwerte besonders wichtig, denn chronische Lebererkrankungen sind tückisch: Das Organ selbst hat kein Schmerzempfinden, und die Beschwerden, die eine Störung begleiten, sind eher unspezifisch, werden oft – auch von Ärzten - eher als "Stress" oder "chronische Erschöpfung" diagnostiziert. Allerdings sind Laborwerte auch nicht alles, warnt der Leberspezialist Bertram Wiedenmann:

    "Das eine ist, dass man bei dem Patienten normale Werte hat, und dabei trotzdem Veränderungen im Lebergewebe beobachten kann, immer mit fehlenden Symptomen, und im anderen Fall ist es so, dass sie erhöhte Leberwerte haben, wiederum keine Beschwerden, und dann aber typische Leberveränderungen. Was heißt das in der Praxis? Dass man eben zum einen immer die Laborwerte kontrolliert und die noch 'mal abgleicht mit dem Ultraschall der Leber, der Ultraschall liefert uns eigentlich eine recht gute Information, ob sich die Leber eben Richtung Narbenorgan sprich zirrhotisches Organ entwickelt oder ob es eben doch noch ein Normalorgan ist."

    Und: Die Leberwerte allein können im Umfeld der Betroffenen zu voreiligen und unangenehmen "Wertungen" führen!

    "Wenn man aus einem sehr gläubigen Kreis – also gerade auch im Islam – auffällt, indem man erhöhte Leberwerte hat, trägt man natürlich ein Brandmal mit sich herum, und hat dann einen Erklärungsbedarf seinen Angehörigen gegenüber, dass man nicht zu einem derer gehört, die sich ihr Organ vergiften."

    Denn es gibt eben – neben Alkohol und "Fettlebe" – viele Gründe für eine Erhöhung der Leberwerte, allerdings fügt Professor Bertram Wiedenmann von der Charité hinzu:

    "Man hat natürlich da schon eine gewisse Vorstellung als erfahrener Untersucher, ob es sich dabei um einen entsprechenden Missbrauch handelt."