"Also hier wo ich jetzt taste, gibt jetzt einen kleinen Pieks. Und dann gibt es jetzt die örtliche Betäubung. Ist ok? Gut."
Universitätsklinik Bonn, Klinik für Radiologie. Auf dem OP-Tisch liegt Irene W., eine 53-jährige Patientin. Oberarzt Dr. Carsten Meyer hat ihr soeben eine Betäubungsspritze in die Leiste gesetzt. Er wird Irene W. gleich einen Katheter in die Leiste einführen und den dünnen Schlauch über eine Schlagader dann bis zu ihrer Leber vorschieben. Denn dort befindet sich das eigentliche Ziel der Behandlung: mehrere große Lebermetastasen.
"Noch einmal kurz die Luft anhalten und nicht atmen. Und weiter atmen."
Irene W. hat Brustkrebs. Ihr Brusttumor ist schon längst herausoperiert. Doch er hatte sehr früh, noch bevor sie überhaupt etwas von ihrer Krankheit ahnte, einzelne Zellen durch den Blutstrom auf Wanderschaft geschickt. In der Leber blieben sie hängen und sind dort zu mehreren neuen Tumoren herangewachsen, jeder mittlerweile einige Zentimeter im Durchmesser.
"In der Position können wir den Katheter jetzt liegen lassen und können dort dann das radioaktive Präparat applizieren."
Bis vor wenigen Jahren waren Lebermetastasen kaum behandelbar, eine Heilung praktisch unmöglich. Doch eine besondere Form der Strahlentherapie, die unter anderem an der Uni Bonn etabliert wurde, bedeutet jetzt wieder neue Hoffnung für Patienten. Bei der sogenannten SIRT-Therapie werden über einen Katheter Millionen von kleinen Kügelchen verabreicht; winzige, weit weniger als ein zehntel Millimeter große Partikel. Die Kügelchen wandern mit dem Blutstrom in die Leber. Dort bleiben sie schließlich hängen – und zwar genau dort, wo die Äderchen am feinsten sind. Und das ist mitten in den Metastasen. Das Besondere ist nun: Die Kügelchen sind beladen mit einem radioaktiv strahlenden Material. Das heißt: Die Metastasen werden von innen heraus punktgenau bestrahlt und bekämpft.
"Der Kollege spült jetzt die Partikel in den Katheter, das wird immer in kleinen Portionen gemacht, jetzt werden die Partikel in die Leberarterie gespült."
Was genau im Körper vor sich geht, wenn wie bei Irene W. Metastasen entstehen, das ist Medizinern noch immer weitgehend ein Rätsel. Und erst recht, wie diese Krebszellen ihre abenteuerliche Reise überhaupt schaffen. Zunächst lösen sie sich vom ursprünglichen, sogenannten Primärtumor. Dann überleben sie den für sie eigentlich feindlichen Blutstrom. Und schließlich fassen sie in einer für sie völlig neuen Umgebung Fuß, versorgen sich mit Nährstoffen und wachsen ungehemmt los.
"Was interessant ist, wenn man sich mal die verschieden Primärtumoren anschaut, zum Beispiel Bronchialkarzinom oder Pankreaskarzinom, so sieht man doch immer ganz spezifische Muster, wo sich die Metastasen, also die Tochtergeschwülste, niederlassen. Das ist für jeden Tumor unterschiedlich. Häufig ist es sogar so, dass wir die Metastasen zuerst finden und dann aufgrund dieser Lokalisation zurückschließen, wo wir den Primärtumor suchen müssen."
Dr. Christian Reinhardt ist Arzt und Krebsforscher an der Uniklinik Köln. Vieles ist noch unbekannt: Warum zum Beispiel sind Metastasen je nach Primärtumor immer in den gleichen Organen anzutreffen? Bei Brustkrebs etwa in der Leber oder im Knochen.
"Wir haben jetzt ein beginnendes Verständnis, dass wohl im Milieu des Knochens Bedingungen herrschen, die diese Brustkrebszellen in ihrem Wachstum befördern, sodass sich diese Zellen sozusagen aktiv ein Umfeld aussuchen, in dem es ihnen gut geht, in dem sie Wachstumssignale empfangen und sich dort ansiedeln können."
Die Forschung zeigt aber auch: Der Körper kann Metastasen offenbar in Schach halten, zumindest für eine gewisse Zeit. Denn ein aggressiver Tumor siedelt wahrscheinlich Hunderte oder Tausende Krebszellen ab, aber nur wenige wachsen dann auch tatsächlich zu Metastasen heran. Allerdings: Viele dieser Zellen bleiben gefährlich.
"Was hoch spannend ist und auch ein massives klinisches Problem ist, dass selbst kleinste Tumore schon Tochterzellen absiedeln können, die interessanterweise für Jahre oder Jahrzehnte wie Schläfer im Körper sein können und erst später wieder anfangen zu wachsen."
Was genau aber lässt Krebszellen nach so langer Zeit wieder erwachen? Das ist für Krebsmediziner ein weiteres, noch ungelösten Rätsel. Vielleicht können Entzündungen die Zellen wieder aktivieren. Vielleicht aber auch eine allgemeine Schwächung des Immunsystems. Es ist auf jeden Fall immer eine schlechte Nachricht für Patienten, wenn es heißt: Sie haben Metastasen in der Lunge, in der Leber oder in den Knochen. Hoffnungslos ist die Lage dann aber nicht, sagt Christian Reinhardt.
"Es gibt mehrere Möglichkeiten, nicht nur die Chemotherapie, es gibt auch die Möglichkeit der Chirurgie, wenn es limitierte Metastasen sind, also nur wenige zum Beispiel in der Leber oder in der Lunge, kann man die auch herausnehmen, das ist dann im Prinzip eine Heilung. Selbst metastasierte Situationen sind häufig heilbar, zum Beispiel beim Hodenkarzinom sind schwerst metastasierte Situationen zum Beispiel mit Chemotherapie heilbar."
Dennoch müssen Krebspatienten realistisch sein: Ein chirurgisches Entfernen der Tochtergeschwülste ist häufig nicht möglich. Dann bleiben zwar Chemo- und Strahlentherapie. Doch auch die haben ihre Grenzen. Selbst modernste Verfahren, wie die SIRT-Therapie, bei der radioaktive Kügelchen gezielt Lebermetastasen von innen heraus angreifen, bedeuten kein Versprechen auf Heilung, sagt Carsten Meyer von der Uniklinik Bonn.
"Viele Patienten, da stabilisiert man den Befund in der Leber, hat dadurch die Prognose verbessert und Lebenszeit gewonnen und die entwickeln dann außerhalb der Leber Metastasen. Das sind viele, muss man sagen."
Bei Irene W. sind die Metastasen bisher auf die Leber beschränkt. Mittlerweile sind ihr die radioaktiven Kügelchen verabreicht worden. Jetzt heißt es abwarten. Sie wird von der Behandlung wahrscheinlich nicht viel spüren, vielleicht einen leichten Druck im Bereich der Leber. Die Kügelchen werden jetzt für einige Tage ihre Metastasen bestrahlen, nach ein bis zwei Wochen ist die Strahlung dann weitgehend abgeklungen.
"Jetzt, heute ist Donnerstag, kann die Patientin wahrscheinlich Samstag nach Hause und in vier bis sechs Woche würde man eine Bildgebung noch mal durchführen um den Erfolg der Therapie zu kontrollieren."
Dann, so hoffen Irene W. und ihre Arzt, werden sich ihre Metastasen zumindest deutlich verkleinert haben.
Universitätsklinik Bonn, Klinik für Radiologie. Auf dem OP-Tisch liegt Irene W., eine 53-jährige Patientin. Oberarzt Dr. Carsten Meyer hat ihr soeben eine Betäubungsspritze in die Leiste gesetzt. Er wird Irene W. gleich einen Katheter in die Leiste einführen und den dünnen Schlauch über eine Schlagader dann bis zu ihrer Leber vorschieben. Denn dort befindet sich das eigentliche Ziel der Behandlung: mehrere große Lebermetastasen.
"Noch einmal kurz die Luft anhalten und nicht atmen. Und weiter atmen."
Irene W. hat Brustkrebs. Ihr Brusttumor ist schon längst herausoperiert. Doch er hatte sehr früh, noch bevor sie überhaupt etwas von ihrer Krankheit ahnte, einzelne Zellen durch den Blutstrom auf Wanderschaft geschickt. In der Leber blieben sie hängen und sind dort zu mehreren neuen Tumoren herangewachsen, jeder mittlerweile einige Zentimeter im Durchmesser.
"In der Position können wir den Katheter jetzt liegen lassen und können dort dann das radioaktive Präparat applizieren."
Bis vor wenigen Jahren waren Lebermetastasen kaum behandelbar, eine Heilung praktisch unmöglich. Doch eine besondere Form der Strahlentherapie, die unter anderem an der Uni Bonn etabliert wurde, bedeutet jetzt wieder neue Hoffnung für Patienten. Bei der sogenannten SIRT-Therapie werden über einen Katheter Millionen von kleinen Kügelchen verabreicht; winzige, weit weniger als ein zehntel Millimeter große Partikel. Die Kügelchen wandern mit dem Blutstrom in die Leber. Dort bleiben sie schließlich hängen – und zwar genau dort, wo die Äderchen am feinsten sind. Und das ist mitten in den Metastasen. Das Besondere ist nun: Die Kügelchen sind beladen mit einem radioaktiv strahlenden Material. Das heißt: Die Metastasen werden von innen heraus punktgenau bestrahlt und bekämpft.
"Der Kollege spült jetzt die Partikel in den Katheter, das wird immer in kleinen Portionen gemacht, jetzt werden die Partikel in die Leberarterie gespült."
Was genau im Körper vor sich geht, wenn wie bei Irene W. Metastasen entstehen, das ist Medizinern noch immer weitgehend ein Rätsel. Und erst recht, wie diese Krebszellen ihre abenteuerliche Reise überhaupt schaffen. Zunächst lösen sie sich vom ursprünglichen, sogenannten Primärtumor. Dann überleben sie den für sie eigentlich feindlichen Blutstrom. Und schließlich fassen sie in einer für sie völlig neuen Umgebung Fuß, versorgen sich mit Nährstoffen und wachsen ungehemmt los.
"Was interessant ist, wenn man sich mal die verschieden Primärtumoren anschaut, zum Beispiel Bronchialkarzinom oder Pankreaskarzinom, so sieht man doch immer ganz spezifische Muster, wo sich die Metastasen, also die Tochtergeschwülste, niederlassen. Das ist für jeden Tumor unterschiedlich. Häufig ist es sogar so, dass wir die Metastasen zuerst finden und dann aufgrund dieser Lokalisation zurückschließen, wo wir den Primärtumor suchen müssen."
Dr. Christian Reinhardt ist Arzt und Krebsforscher an der Uniklinik Köln. Vieles ist noch unbekannt: Warum zum Beispiel sind Metastasen je nach Primärtumor immer in den gleichen Organen anzutreffen? Bei Brustkrebs etwa in der Leber oder im Knochen.
"Wir haben jetzt ein beginnendes Verständnis, dass wohl im Milieu des Knochens Bedingungen herrschen, die diese Brustkrebszellen in ihrem Wachstum befördern, sodass sich diese Zellen sozusagen aktiv ein Umfeld aussuchen, in dem es ihnen gut geht, in dem sie Wachstumssignale empfangen und sich dort ansiedeln können."
Die Forschung zeigt aber auch: Der Körper kann Metastasen offenbar in Schach halten, zumindest für eine gewisse Zeit. Denn ein aggressiver Tumor siedelt wahrscheinlich Hunderte oder Tausende Krebszellen ab, aber nur wenige wachsen dann auch tatsächlich zu Metastasen heran. Allerdings: Viele dieser Zellen bleiben gefährlich.
"Was hoch spannend ist und auch ein massives klinisches Problem ist, dass selbst kleinste Tumore schon Tochterzellen absiedeln können, die interessanterweise für Jahre oder Jahrzehnte wie Schläfer im Körper sein können und erst später wieder anfangen zu wachsen."
Was genau aber lässt Krebszellen nach so langer Zeit wieder erwachen? Das ist für Krebsmediziner ein weiteres, noch ungelösten Rätsel. Vielleicht können Entzündungen die Zellen wieder aktivieren. Vielleicht aber auch eine allgemeine Schwächung des Immunsystems. Es ist auf jeden Fall immer eine schlechte Nachricht für Patienten, wenn es heißt: Sie haben Metastasen in der Lunge, in der Leber oder in den Knochen. Hoffnungslos ist die Lage dann aber nicht, sagt Christian Reinhardt.
"Es gibt mehrere Möglichkeiten, nicht nur die Chemotherapie, es gibt auch die Möglichkeit der Chirurgie, wenn es limitierte Metastasen sind, also nur wenige zum Beispiel in der Leber oder in der Lunge, kann man die auch herausnehmen, das ist dann im Prinzip eine Heilung. Selbst metastasierte Situationen sind häufig heilbar, zum Beispiel beim Hodenkarzinom sind schwerst metastasierte Situationen zum Beispiel mit Chemotherapie heilbar."
Dennoch müssen Krebspatienten realistisch sein: Ein chirurgisches Entfernen der Tochtergeschwülste ist häufig nicht möglich. Dann bleiben zwar Chemo- und Strahlentherapie. Doch auch die haben ihre Grenzen. Selbst modernste Verfahren, wie die SIRT-Therapie, bei der radioaktive Kügelchen gezielt Lebermetastasen von innen heraus angreifen, bedeuten kein Versprechen auf Heilung, sagt Carsten Meyer von der Uniklinik Bonn.
"Viele Patienten, da stabilisiert man den Befund in der Leber, hat dadurch die Prognose verbessert und Lebenszeit gewonnen und die entwickeln dann außerhalb der Leber Metastasen. Das sind viele, muss man sagen."
Bei Irene W. sind die Metastasen bisher auf die Leber beschränkt. Mittlerweile sind ihr die radioaktiven Kügelchen verabreicht worden. Jetzt heißt es abwarten. Sie wird von der Behandlung wahrscheinlich nicht viel spüren, vielleicht einen leichten Druck im Bereich der Leber. Die Kügelchen werden jetzt für einige Tage ihre Metastasen bestrahlen, nach ein bis zwei Wochen ist die Strahlung dann weitgehend abgeklungen.
"Jetzt, heute ist Donnerstag, kann die Patientin wahrscheinlich Samstag nach Hause und in vier bis sechs Woche würde man eine Bildgebung noch mal durchführen um den Erfolg der Therapie zu kontrollieren."
Dann, so hoffen Irene W. und ihre Arzt, werden sich ihre Metastasen zumindest deutlich verkleinert haben.