"Keine Wirkung ohne Nebenwirkung" – dieser eherne Grundsatz pharmakologischer Forschung ist auch in der Welt von Placebos gültig,…
"…Placebo kommt aus dem Lateinischen und bedeutet "ich möge oder es möge gefallen"…"
… sagt Professor Paul Enck, Forschungsleiter in der Abteilung Psychosomatische Medizin und Psychotherapie am Universitätsklinikum Tübingen,…
""…und bezeichnet ein Medikament, das keines ist, oder eine Pille, die so aussieht wie ein Medikament, das durchaus auch vergleichbar auf dem Markt ist, das aber keinen Wirkstoff enthält sondern nur so tut, als ob es ein Medikament wäre,…"
…aber trotzdem wirkt: Der Blutdruck sinkt, Schmerzen verschwinden, Hautausschläge bilden sich zurück, obwohl der Patient nur Traubenzuckerpillen geschluckt hat. Allerdings reagieren nicht alle Probanden in gleicher Weise. Bei manchen ist die Reaktion intensiv, bei anderen kaum wahrnehmbar. Was sind die Gründe für diesen Placebo-Effekt?
"Wir stellen uns verschiedene Mechanismen vor. Wir stellen uns vor, dass so etwas zustande kommt durch frühere Erfahrungen, das, was ich früher mal gelernt habe, mit dem gleichen Medikament ist eine Besserung der Symptome verbunden; das andere ist, ich erwarte natürlich, dass es mir danach besser geht wenn ich das Medikament nehme, ich erwarte nie, dass es mir schlechter, und deswegen ist die Erwartungsreaktion die andere Komponente."
Nun gilt aber der Grundsatz: "Keine Wirkung ohne Nebenwirkung!" Also werden bei Medikamentenstudien immer auch die unerwünschten Reaktionen untersucht. Und siehe da, Nebenwirkungen treten auch in der Placebo-Gruppe auf: Sie heißen Nocebo.
"Der Patient lernt natürlich, weiß natürlich, welche Nebenwirkungen auftreten können, und wenn er nun, ohne dass er es weiß, ein Placebo bekommen hat, so wird er doch gelegentlich – Patienten bekommen Kopfschmerzen unabhängig von den Medikamenten, Patienten bekommen Rückenschmerzen unabhängig von Medikamenten – das heißt, er wird, wenn er in einem Medikamentenversuch ist, auftretende Beschwerden auf diese Medikamenteneinnahme zurückführen, und so muss man sich vorstellen, werden aus Nebenwirkungen, "Nocebo-Wirkungen""
Auch bei Nocebo-Wirkungen ist unabdingbare Voraussetzung, dass der Patient im Vorfeld über die möglichen Nebenwirkungen aufgeklärt worden ist. Würde er sie nicht kennen, hatte er auch keine Nocebo-Wirkung.
"Genau! Es gibt ein gutes Beispiel dafür: Es hat in einem Medikamentenversuch Patientenaufklärungsinformationen gegeben, in denen aus Versehen in einem Teil der Patienten diese Nebenwirkung der Medikamenteneingabe nicht abgedruckt worden ist, und prompt trat diese Nebenwirkung nicht auf. Das heißt, hier ist tatsächlich das Wissen um die Möglichkeiten der Nebenwirkungen der Trigger, warum ich dann Beschwerden, die auftreten, auf diese Medikamenteneinnahme zurückführe."
Nach allem, was man bisher weiß, entstehen Nocebos ähnlich wie Placebos. Allerdings, schränkt Paul Enck ein, ist die Nocebo-Forschung noch jung, es fehlen aussagekräftige Daten, außerdem gebe es eine grundsätzliche ethische Hürde. Niemand darf einem Patienten Symptomverschlimmerungen beibringen, nur um mal zu schauen, wie Nocebo-Effekte funktionieren. Nocebos lassen sich deshalb fast nur an gesunden Probanden untersuchen.
"Aber de facto sind es die beiden Mechanismen, die ich vorhin auch angesprochen habe, also Erwartungen auf der einen Seite und Lernen auf der anderen Seite. Je mehr negative Erfahrungen ich mit Nebenwirkungen bei Medikamenten gemacht habe in der Vergangenheit, desto eher würde ich in einem Medikamentenversuch, wo ich ein Placebo bekomme, negative Nebenwirkungen berichten, gleichzeitig ist natürlich, je mehr ich lese, je mehr ich wahrnehme an den Möglichkeiten der Nebenwirkungen, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass ich die eine oder andere auch berichte."
Nun sind die in Beipackzetteln beschriebenen Nebenwirkungen mitunter haarsträubend bis lebensbedrohlich, auf jeden Fall episch lang beschrieben. Wie wirkt sich die schiere Fülle auf den Nocebo-Effekt aus?
"Wir wissen, dass die Informationen, die in Beipackzetteln stehen, die sind ja nach juristischen Gesichtspunkten gemacht worden, da wird im Prinzip jede Nebenwirkung des Medikamentes, die irgendwann mal im Laufe des Testens aufgetreten ist, aufgelistet, sie wird dann aufgelistet mit "wahrscheinlich", "selten", "sehr selten", "in extrem seltenen Fällen" und, und, und. Jetzt ist ein pessimistischer Patient jemand, der sagt, na ja, was heißt das "ganz selten", ich bin der seltene Fall, und der bezieht dann alle Nebenwirkungen auf sich; andere sagen, wenn das so selten ist, dann wird es mir schon nicht passieren."
Nocebo-Symptome treten häufiger bei Frauen auf als bei Männern und häufiger bei Älteren als bei Jüngeren. Die Nebenwirkungen selbst haben fast immer psychosomatische Ursachen. Die Probanden beklagen Übelkeit und Erschöpfung, Schmerzen und hohen Blutdruck. Nocebo-Effekte werden besonders sichtbar in krankmachenden Ängsten vor eingebildeten Gefahren. Richtig sei aber auch – sagt der Tübinger Nocebo-Forscher Paul Enck – dass die beschriebenen Nebenwirkungen tatsächlich schädigend sein können: Auch Eingebildetes kann biologisch-medizinische Wirkungen haben!
Bleibt zum Schluss die Frage, was man mit den Erkenntnissen der Placebo-Nocebo-Forschung machen kann? Zum einen lässt sich die Arzt-Patienten-Kommunikation verbessern. Zum anderen kann aber auch die Menge der verabreichten Medikamente reduziert werden,…
"...und da gibt es in der Tat ein paar interessante Experimente zurzeit, das ist noch nicht in der Realität umgesetzt, aber es gibt ein paar klinische Versuche, in denen man gezeigt hat, dass, wenn man Medikamentendosierungen jeden zweiten Tag nur gibt, und jeden zweiten Tag durch ein Placebo ersetzt, dann kann man unter bestimmten Umständen die gleiche Wirkung erzielen, als wenn man die gesamte Dosis durchgängig gibt."
Einzige Bedingung: Der Patient weiß nicht, an welchen Tagen er ein Placebo bekommt und an welchen das Medikament. Bei den Nebenwirkungen, den Nocebos verhält es sich dann ähnlich: Ob sie eingebildet oder tatsächlich vorhanden sind, spielt keine Rolle.
"…Placebo kommt aus dem Lateinischen und bedeutet "ich möge oder es möge gefallen"…"
… sagt Professor Paul Enck, Forschungsleiter in der Abteilung Psychosomatische Medizin und Psychotherapie am Universitätsklinikum Tübingen,…
""…und bezeichnet ein Medikament, das keines ist, oder eine Pille, die so aussieht wie ein Medikament, das durchaus auch vergleichbar auf dem Markt ist, das aber keinen Wirkstoff enthält sondern nur so tut, als ob es ein Medikament wäre,…"
…aber trotzdem wirkt: Der Blutdruck sinkt, Schmerzen verschwinden, Hautausschläge bilden sich zurück, obwohl der Patient nur Traubenzuckerpillen geschluckt hat. Allerdings reagieren nicht alle Probanden in gleicher Weise. Bei manchen ist die Reaktion intensiv, bei anderen kaum wahrnehmbar. Was sind die Gründe für diesen Placebo-Effekt?
"Wir stellen uns verschiedene Mechanismen vor. Wir stellen uns vor, dass so etwas zustande kommt durch frühere Erfahrungen, das, was ich früher mal gelernt habe, mit dem gleichen Medikament ist eine Besserung der Symptome verbunden; das andere ist, ich erwarte natürlich, dass es mir danach besser geht wenn ich das Medikament nehme, ich erwarte nie, dass es mir schlechter, und deswegen ist die Erwartungsreaktion die andere Komponente."
Nun gilt aber der Grundsatz: "Keine Wirkung ohne Nebenwirkung!" Also werden bei Medikamentenstudien immer auch die unerwünschten Reaktionen untersucht. Und siehe da, Nebenwirkungen treten auch in der Placebo-Gruppe auf: Sie heißen Nocebo.
"Der Patient lernt natürlich, weiß natürlich, welche Nebenwirkungen auftreten können, und wenn er nun, ohne dass er es weiß, ein Placebo bekommen hat, so wird er doch gelegentlich – Patienten bekommen Kopfschmerzen unabhängig von den Medikamenten, Patienten bekommen Rückenschmerzen unabhängig von Medikamenten – das heißt, er wird, wenn er in einem Medikamentenversuch ist, auftretende Beschwerden auf diese Medikamenteneinnahme zurückführen, und so muss man sich vorstellen, werden aus Nebenwirkungen, "Nocebo-Wirkungen""
Auch bei Nocebo-Wirkungen ist unabdingbare Voraussetzung, dass der Patient im Vorfeld über die möglichen Nebenwirkungen aufgeklärt worden ist. Würde er sie nicht kennen, hatte er auch keine Nocebo-Wirkung.
"Genau! Es gibt ein gutes Beispiel dafür: Es hat in einem Medikamentenversuch Patientenaufklärungsinformationen gegeben, in denen aus Versehen in einem Teil der Patienten diese Nebenwirkung der Medikamenteneingabe nicht abgedruckt worden ist, und prompt trat diese Nebenwirkung nicht auf. Das heißt, hier ist tatsächlich das Wissen um die Möglichkeiten der Nebenwirkungen der Trigger, warum ich dann Beschwerden, die auftreten, auf diese Medikamenteneinnahme zurückführe."
Nach allem, was man bisher weiß, entstehen Nocebos ähnlich wie Placebos. Allerdings, schränkt Paul Enck ein, ist die Nocebo-Forschung noch jung, es fehlen aussagekräftige Daten, außerdem gebe es eine grundsätzliche ethische Hürde. Niemand darf einem Patienten Symptomverschlimmerungen beibringen, nur um mal zu schauen, wie Nocebo-Effekte funktionieren. Nocebos lassen sich deshalb fast nur an gesunden Probanden untersuchen.
"Aber de facto sind es die beiden Mechanismen, die ich vorhin auch angesprochen habe, also Erwartungen auf der einen Seite und Lernen auf der anderen Seite. Je mehr negative Erfahrungen ich mit Nebenwirkungen bei Medikamenten gemacht habe in der Vergangenheit, desto eher würde ich in einem Medikamentenversuch, wo ich ein Placebo bekomme, negative Nebenwirkungen berichten, gleichzeitig ist natürlich, je mehr ich lese, je mehr ich wahrnehme an den Möglichkeiten der Nebenwirkungen, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass ich die eine oder andere auch berichte."
Nun sind die in Beipackzetteln beschriebenen Nebenwirkungen mitunter haarsträubend bis lebensbedrohlich, auf jeden Fall episch lang beschrieben. Wie wirkt sich die schiere Fülle auf den Nocebo-Effekt aus?
"Wir wissen, dass die Informationen, die in Beipackzetteln stehen, die sind ja nach juristischen Gesichtspunkten gemacht worden, da wird im Prinzip jede Nebenwirkung des Medikamentes, die irgendwann mal im Laufe des Testens aufgetreten ist, aufgelistet, sie wird dann aufgelistet mit "wahrscheinlich", "selten", "sehr selten", "in extrem seltenen Fällen" und, und, und. Jetzt ist ein pessimistischer Patient jemand, der sagt, na ja, was heißt das "ganz selten", ich bin der seltene Fall, und der bezieht dann alle Nebenwirkungen auf sich; andere sagen, wenn das so selten ist, dann wird es mir schon nicht passieren."
Nocebo-Symptome treten häufiger bei Frauen auf als bei Männern und häufiger bei Älteren als bei Jüngeren. Die Nebenwirkungen selbst haben fast immer psychosomatische Ursachen. Die Probanden beklagen Übelkeit und Erschöpfung, Schmerzen und hohen Blutdruck. Nocebo-Effekte werden besonders sichtbar in krankmachenden Ängsten vor eingebildeten Gefahren. Richtig sei aber auch – sagt der Tübinger Nocebo-Forscher Paul Enck – dass die beschriebenen Nebenwirkungen tatsächlich schädigend sein können: Auch Eingebildetes kann biologisch-medizinische Wirkungen haben!
Bleibt zum Schluss die Frage, was man mit den Erkenntnissen der Placebo-Nocebo-Forschung machen kann? Zum einen lässt sich die Arzt-Patienten-Kommunikation verbessern. Zum anderen kann aber auch die Menge der verabreichten Medikamente reduziert werden,…
"...und da gibt es in der Tat ein paar interessante Experimente zurzeit, das ist noch nicht in der Realität umgesetzt, aber es gibt ein paar klinische Versuche, in denen man gezeigt hat, dass, wenn man Medikamentendosierungen jeden zweiten Tag nur gibt, und jeden zweiten Tag durch ein Placebo ersetzt, dann kann man unter bestimmten Umständen die gleiche Wirkung erzielen, als wenn man die gesamte Dosis durchgängig gibt."
Einzige Bedingung: Der Patient weiß nicht, an welchen Tagen er ein Placebo bekommt und an welchen das Medikament. Bei den Nebenwirkungen, den Nocebos verhält es sich dann ähnlich: Ob sie eingebildet oder tatsächlich vorhanden sind, spielt keine Rolle.