Marienkrankenhaus Bergisch Gladbach, Mittwoch, 5. Januar 2011. Angespannt sitzt die Klinikleitung an diesem Nachmittag im Konferenzraum. Einziger Tagesordnungspunkt: das Norovirus.
"Es ist dann so bei uns gewesen, dass dieses Virus, das hochinfektiös ist, sich rasend schnell ausgebreitet hat."
... erinnert sich Dr. Jürgen von Schönfeld, Chefarzt der Klinik für Innere Medizin. Stunde um Stunde meldeten seine Stationsärzte neue Horrorzahlen: 20 Infektionen mit dem gefürchteten Norovirus hat das Labor mittlerweile nachgewiesen, zuzüglich neun Mitarbeiter, die das Virus ebenfalls aus dem Verkehr gezogen hat. Die Zahl der tatsächlich Erkrankten lag aber weit höher. Was tun?
" ... und um der Geschichte Herr zu werden, haben wir dann die Kliniken geschlossen für Neuaufnahmen, das heißt, wir haben die Patienten, die behandelt werden mussten, weiterhin aufgenommen, wir haben die Patienten, die bei uns waren, auch weiterbehandelt, aber wir haben, um der Ausbreitung Herr zu werden, für etwa zehn bis vierzehn Tage die Klink für planbare Neuaufnahmen, planbare diagnostische Maßnahmen, planbare Operationen geschlossen."
Eine drastische Maßnahme, ohne die das Krankenhaus vor den Toren Kölns aber in eine mittlere Katastrophe geschlittert wäre. Was die Mitarbeiter auch taten, wie hoch sie die hygienischen Standards auch zogen, das Virus breitete sich rasend schnell aus.
"Das Virus ist ein Partikel, wie wir gerne sagen, das eigenständig nicht leben kann, es braucht den Wirt."
Dr. Mark Oette, Chefarzt der Klinik für Innere Medizin am Krankenhaus der Augustinerinnen, Köln:
"... hier am Thema, das Norovirus braucht den Menschen, um sich zu vermehren. Es nutzt dabei die Zellen des Wirtes, um sich dort zu vermehren, und das tut das Norovirus sehr, sehr effektiv und wir spüren das durch ausgeprägte Beschwerden."
... wobei das noch eine eher verharmlosende Beschreibung ist: Wie aus heiterem Himmel brechen die Krankheitssymptome über den Patient herein, er leidet unter schweren Krankheitsgefühlen, ...
"Durchfall und Erbrechen treten leider zur gleichen Zeit auf, sodass der betroffene Patient sich in einem Ausnahmezustand befindet und damit sehr schwer krank ist. Das führt dazu, dass die Patienten sich nicht ausreichend ernähren, kurzfristig ist aber das größere Problem, dass sie nicht genug Flüssigkeit zu sich nehmen können, und der ältere Mensch, der leidet dann besonders daran, er kommt sehr schnell in eine Flüssigkeitsschuld und diese Entwässerung führt ihn dann zu uns ins Krankenhaus."
Vorausgesetzt, die Zahl der Patienten ist beherrschbar und vorausgesetzt, Norovirus-Infizierte stecken nicht andere Patienten an. Dann muss, wie in Bergisch Gladbach, die Klinik geschlossen werden.
"Es gab sehr enge Absprachen mit den anderen Krankenhäusern, weil natürlich, wenn ein Krankenhaus am Ort versucht, den Betrieb herunterzufahren, das zu einer deutlichen Mehrbelastung der anderen Krankenhäuser führt, sodass ich in diesen zehn Tagen telefoniert habe, bis mir die Finger wund wurden, wir haben Absprachen getroffen mit der Leitstelle, die die Krankentransporte organisiert, wir haben Absprachen getroffen mit dem Gesundheitsamt, wir haben Absprachen getroffen mit den anderen Krankenhäusern und wir mussten auch mehr Öffentlichkeitsarbeit tätigen, als uns lieb war."
Zum Beispiel musste verunsicherten Patienten erklärt werden, wie denn ein Krankenhaus, das großen Wert auf Hygiene legt, in eine solche Situation rutschen kann. Dies hat, sagt Dr. Mark Oette, viel mit den Besonderheiten des Virus zu tun. Es zeichnet sich dadurch aus, ...
"... dass nur wenige einzelne Viruspartikel nötig sind, um eine wirksame Infektion zu etablieren, das heißt, es gibt Viren, wo man doch ein gewisse Infektionsdosis braucht, sodass es gar nicht so leicht ist, dass dieses Virus übertragen wird. Beim Norovirus ist es aber so, dass man ein explosives Erbrechen hat, und auch kleine Tröpfen können virales Material enthalten, und wenn man da nur wenig abbekommt als Nichtinfizierter, kann man sich sehr leicht diese Infektion erwerben und damit auch selbst erkranken."
Seit knapp zehn Jahren beobachtet das Robert-Koch-Institut steigende Infektionszahlen, wobei der Winter 2007/2008 den Rekord mit mehr als 201.000 Norovirus-Erkrankungen hält. Leben viele Menschen auf engem Raum zusammen, hat das Virus leichtes Spiel und springt rasch von Wirt zu Wirt. Die Zahl dieser Wirte zu verringern – sagt Dr. Jürgen von Schönfeld – sei die einzige Chance, der Infektion Herr zu werden.
"Wir haben die Patienten isoliert, wir hatten zwar deutlich weniger Patienten im Haus, nur etwa ein Drittel unserer üblichen Patientenzahl, aber eigentlich waren alle Patientenzimmer besetzt, belegt, weil man natürlich trennen muss solche, die möglicherweise infiziert sind von solche, die sicher infiziert sind, von solchen, die gerade dabei sind, sich gerade wieder zu erholen, das ist pflegerisch und organisatorisch ein Riesenaufwand gewesen."
Außerdem müsse man die Infektionskette unterbrechen: Handschuhe zu tragen sei Pflicht, das Waschen und Desinfizieren der Hände vor und nach jedem Kontakt mit einer infizierten Person ebenso. Viel mehr kann und muss man auch nicht machen. So schlimm der von Noroviren ausgelöste Brechdurchfall auch sein mag, er zählt zu den "selbstlimitierenden Krankheiten".
"Der Körper bildet natürlich auch eine effektive Immunantwort gegen das Virus, dafür ist unser Körper bestens geschult, wir haben ununterbrochen Expositionen gegenüber fremden Erregern und auch mit dem Norovirus kommt der Körper klar, aber er braucht seine zwei bis drei Tage, bis das Immunsystem eine Abwehr aufgebaut hat, und dann wird das Virus auch abgeräumt."
Nach drei vier Tagen ist alles überstanden. Ob man dafür in ein Krankenhaus gehen soll, hängt von der individuellen Verfassung ab.
"Wenn er ein jüngerer Patient ist und der Meinung ist, dass er es zu Hause aushalten kann, kann man es versuchen, man soll aber nicht versuchen, um jeden Preis, das durchzuhalten, insbesondere weil die pflegenden Angehörigen auch selber erkranken können. Deswegen würde ich dafür plädieren, dass man großzügig Hilfe nachsucht, auch durch den Hausarzt, weil, letztendlich kommt man sehr schnell in eine Situation, die man nicht mehr kontrollieren kann."
Nach einer Zwangspause von zehn Tagen hat das Marienkrankenhaus in Bergisch Gladbach Mitte Januar 2011 den Regelbetrieb wieder aufgenommen. Noch einmal möchte Jürgen von Schönfeld eine solche Geschichte nicht erleben – weder für seine Klinik noch für sich persönlich. Ob es klappt, liegt aber nicht nur in seinen Händen: Mehr Schutz durch eine besondere Immunisierung, gibt es nach solchen Phasen nicht!
"Man hat ein bisschen Ruhe, aber das ist kürzer als man es gerne hätte, das sind wenige Tage, im nächsten Jahr neue Chance, neues Glück!"
"Es ist dann so bei uns gewesen, dass dieses Virus, das hochinfektiös ist, sich rasend schnell ausgebreitet hat."
... erinnert sich Dr. Jürgen von Schönfeld, Chefarzt der Klinik für Innere Medizin. Stunde um Stunde meldeten seine Stationsärzte neue Horrorzahlen: 20 Infektionen mit dem gefürchteten Norovirus hat das Labor mittlerweile nachgewiesen, zuzüglich neun Mitarbeiter, die das Virus ebenfalls aus dem Verkehr gezogen hat. Die Zahl der tatsächlich Erkrankten lag aber weit höher. Was tun?
" ... und um der Geschichte Herr zu werden, haben wir dann die Kliniken geschlossen für Neuaufnahmen, das heißt, wir haben die Patienten, die behandelt werden mussten, weiterhin aufgenommen, wir haben die Patienten, die bei uns waren, auch weiterbehandelt, aber wir haben, um der Ausbreitung Herr zu werden, für etwa zehn bis vierzehn Tage die Klink für planbare Neuaufnahmen, planbare diagnostische Maßnahmen, planbare Operationen geschlossen."
Eine drastische Maßnahme, ohne die das Krankenhaus vor den Toren Kölns aber in eine mittlere Katastrophe geschlittert wäre. Was die Mitarbeiter auch taten, wie hoch sie die hygienischen Standards auch zogen, das Virus breitete sich rasend schnell aus.
"Das Virus ist ein Partikel, wie wir gerne sagen, das eigenständig nicht leben kann, es braucht den Wirt."
Dr. Mark Oette, Chefarzt der Klinik für Innere Medizin am Krankenhaus der Augustinerinnen, Köln:
"... hier am Thema, das Norovirus braucht den Menschen, um sich zu vermehren. Es nutzt dabei die Zellen des Wirtes, um sich dort zu vermehren, und das tut das Norovirus sehr, sehr effektiv und wir spüren das durch ausgeprägte Beschwerden."
... wobei das noch eine eher verharmlosende Beschreibung ist: Wie aus heiterem Himmel brechen die Krankheitssymptome über den Patient herein, er leidet unter schweren Krankheitsgefühlen, ...
"Durchfall und Erbrechen treten leider zur gleichen Zeit auf, sodass der betroffene Patient sich in einem Ausnahmezustand befindet und damit sehr schwer krank ist. Das führt dazu, dass die Patienten sich nicht ausreichend ernähren, kurzfristig ist aber das größere Problem, dass sie nicht genug Flüssigkeit zu sich nehmen können, und der ältere Mensch, der leidet dann besonders daran, er kommt sehr schnell in eine Flüssigkeitsschuld und diese Entwässerung führt ihn dann zu uns ins Krankenhaus."
Vorausgesetzt, die Zahl der Patienten ist beherrschbar und vorausgesetzt, Norovirus-Infizierte stecken nicht andere Patienten an. Dann muss, wie in Bergisch Gladbach, die Klinik geschlossen werden.
"Es gab sehr enge Absprachen mit den anderen Krankenhäusern, weil natürlich, wenn ein Krankenhaus am Ort versucht, den Betrieb herunterzufahren, das zu einer deutlichen Mehrbelastung der anderen Krankenhäuser führt, sodass ich in diesen zehn Tagen telefoniert habe, bis mir die Finger wund wurden, wir haben Absprachen getroffen mit der Leitstelle, die die Krankentransporte organisiert, wir haben Absprachen getroffen mit dem Gesundheitsamt, wir haben Absprachen getroffen mit den anderen Krankenhäusern und wir mussten auch mehr Öffentlichkeitsarbeit tätigen, als uns lieb war."
Zum Beispiel musste verunsicherten Patienten erklärt werden, wie denn ein Krankenhaus, das großen Wert auf Hygiene legt, in eine solche Situation rutschen kann. Dies hat, sagt Dr. Mark Oette, viel mit den Besonderheiten des Virus zu tun. Es zeichnet sich dadurch aus, ...
"... dass nur wenige einzelne Viruspartikel nötig sind, um eine wirksame Infektion zu etablieren, das heißt, es gibt Viren, wo man doch ein gewisse Infektionsdosis braucht, sodass es gar nicht so leicht ist, dass dieses Virus übertragen wird. Beim Norovirus ist es aber so, dass man ein explosives Erbrechen hat, und auch kleine Tröpfen können virales Material enthalten, und wenn man da nur wenig abbekommt als Nichtinfizierter, kann man sich sehr leicht diese Infektion erwerben und damit auch selbst erkranken."
Seit knapp zehn Jahren beobachtet das Robert-Koch-Institut steigende Infektionszahlen, wobei der Winter 2007/2008 den Rekord mit mehr als 201.000 Norovirus-Erkrankungen hält. Leben viele Menschen auf engem Raum zusammen, hat das Virus leichtes Spiel und springt rasch von Wirt zu Wirt. Die Zahl dieser Wirte zu verringern – sagt Dr. Jürgen von Schönfeld – sei die einzige Chance, der Infektion Herr zu werden.
"Wir haben die Patienten isoliert, wir hatten zwar deutlich weniger Patienten im Haus, nur etwa ein Drittel unserer üblichen Patientenzahl, aber eigentlich waren alle Patientenzimmer besetzt, belegt, weil man natürlich trennen muss solche, die möglicherweise infiziert sind von solche, die sicher infiziert sind, von solchen, die gerade dabei sind, sich gerade wieder zu erholen, das ist pflegerisch und organisatorisch ein Riesenaufwand gewesen."
Außerdem müsse man die Infektionskette unterbrechen: Handschuhe zu tragen sei Pflicht, das Waschen und Desinfizieren der Hände vor und nach jedem Kontakt mit einer infizierten Person ebenso. Viel mehr kann und muss man auch nicht machen. So schlimm der von Noroviren ausgelöste Brechdurchfall auch sein mag, er zählt zu den "selbstlimitierenden Krankheiten".
"Der Körper bildet natürlich auch eine effektive Immunantwort gegen das Virus, dafür ist unser Körper bestens geschult, wir haben ununterbrochen Expositionen gegenüber fremden Erregern und auch mit dem Norovirus kommt der Körper klar, aber er braucht seine zwei bis drei Tage, bis das Immunsystem eine Abwehr aufgebaut hat, und dann wird das Virus auch abgeräumt."
Nach drei vier Tagen ist alles überstanden. Ob man dafür in ein Krankenhaus gehen soll, hängt von der individuellen Verfassung ab.
"Wenn er ein jüngerer Patient ist und der Meinung ist, dass er es zu Hause aushalten kann, kann man es versuchen, man soll aber nicht versuchen, um jeden Preis, das durchzuhalten, insbesondere weil die pflegenden Angehörigen auch selber erkranken können. Deswegen würde ich dafür plädieren, dass man großzügig Hilfe nachsucht, auch durch den Hausarzt, weil, letztendlich kommt man sehr schnell in eine Situation, die man nicht mehr kontrollieren kann."
Nach einer Zwangspause von zehn Tagen hat das Marienkrankenhaus in Bergisch Gladbach Mitte Januar 2011 den Regelbetrieb wieder aufgenommen. Noch einmal möchte Jürgen von Schönfeld eine solche Geschichte nicht erleben – weder für seine Klinik noch für sich persönlich. Ob es klappt, liegt aber nicht nur in seinen Händen: Mehr Schutz durch eine besondere Immunisierung, gibt es nach solchen Phasen nicht!
"Man hat ein bisschen Ruhe, aber das ist kürzer als man es gerne hätte, das sind wenige Tage, im nächsten Jahr neue Chance, neues Glück!"