"Dabei war aber nicht, wie im Orient, das Nasenbluten ein offenbares Zeichen unvermeidlichen Todes, sondern es kamen zu Anfang der Krankheit gleichermaßen bei Mann und Weib an den Leisten oder in den Achselhöhlen gewisse Geschwulste zum Vorschein, die manchmal so groß wie ein gewöhnlicher Apfel, manchmal wie ein Ei wurden, bei den einen sich in größerer, bei den andern in geringerer Anzahl zeigten und schlechtweg Pestbeulen genannt wurden."
So Giovanni Boccaccio in seinem "Dekameron", im Jahr 1370 veröffentlicht.
Damals brach in Florenz eine Epidemie aus, belegt mit dem Namen "Pest".
"Wir müssten uns überlegen, ob wir die Frage vor dem Hintergrund unseres heutigen Wissens stellen oder mit Blick auf die Geschichte. "
Der Medizinhistoriker Professor Hans-Peter Kröner von der Universität Münster:
"Es gibt ja einige große Epidemien, die als "Pest"-Epidemien in die Geschichte eingegangen sind und es gibt heute eine Infektionskrankheit, die wir als Pest bezeichnen, die auf der Infektion mit einem bakteriellen Erreger Yersinia Pestis beruht. "
Krankheiten der Vergangenheit stellen sich mit dem heutigem Wissen in der Rückschau völlig anders dar als den damaligen Zeitgenossen. Das ist das Problem, mit dem sich jeder Medizinhistoriker konfrontiert sieht.
"Gehen wir von heute aus. Die Pest ist eine Infektionskrankheit, die sehr foudroyant verlaufen kann. Es ist eine Krankheit, die in der Regel übertragen wird durch Insekten, durch Insektenbisse. Es ist eigentlich eine Tierkrankheit, eine Nagetierkrankheit. Ratten sind vor allem das Reservoir des Pesterregers."
Insekten fungieren als Vektoren und übertragen die Erreger auf andere Wirte - der Pest "Floh" wird dann zum gefährlichen Überträger auf den Menschen. Zunächst schwellen die Lymphknoten an und vereitern: die Pest-Beulen.
"Dann kann es passieren, dass diese Erreger ins Blut eindringen. Es kommt zu einer Blutvergiftung, einer Sepsis. Die Erreger können sich in der Lunge absetzen, es kommt zu dem, was man die "Lungen" Pest nennt und dann kann es eine direkte Übertragung von Mensch zu Mensch geben über Tröpfcheninfektion."
Eine hochgefährliche Krankheit, die sich rasend schnell verbreiten konnte. Und die Ursachen lagen damals vollkommen im Dunkeln; insofern gab es auch keine Behandlungsmöglichkeit.
"Dabei schien es, als ob zur Heilung dieses Übels kein ärztlicher Rat und die Kraft keiner Arznei wirksam oder förderlich wäre. Sei es, dass die Art dieser Seuche es nicht zuließ oder dass die Unwissenheit der (...) den rechten Grund der Krankheit nicht zu erkennen und daher ihr auch kein wirksames Heilmittel entgegenzusetzen vermochte, genug, die wenigsten genasen, und fast alle starben innerhalb dreier Tage nach dem Erscheinen der beschriebenen Zeichen; der eine ein wenig früher, der andere etwas später, die meisten aber ohne alles Fieber oder sonstige Zufälle."
Die Erklärungen zum Ursprung der Krankheit sind recht gut dokumentiert für das Mittelalter.
"Da hat man seinerzeit die Pest im Rahmen der Humoralpathologie mit Miasmata erklärt. Humoralpathologie ist die alte antike Säftelehre, die Krankheit durch ein bestimmtes Mischverhältnis der vier Hauptsäfte des Körpers erklärte. Die Miasmatheorie sagt nun, dass von organischen Stoffen, die faulen, Dämpfe aufsteigen, die über die Luft transportiert werden, die dann eingeatmet werden und zu einer Fäulnis eines der wichtigen Körpersäfte führt."
Solche Miasmata erfassten alle Menschen, damit konnte man den Massenanfall der Krankheit erklären. Vermutungen über eine Weitergabe der Krankheit von Mensch zu Mensch kursierten parallel dazu. Schon in der Antike war ein "Kontagium" in der medizinischen Diskussion, das weitergegeben wurde und eine Vergiftung bewirkte. Es stand also die Miasmatheorie gegen die Kontaktstofftheorie, die je unterschiedliche Behandlungsmöglichkeiten verlangte.
"Die Kontakttheorie hat dazu geführt, dass man letzlich doch angefangen hat, Kranke zu isolieren, Quarantänemaßnahmen einzuführen. Und damit zu versuchen, die Krankheit in den Griff zu bekommen. Die Miasmatheorie, die davon ausging, dass Dünste aus dem Boden aufstiegen, hat letztlich dazu geführt, dass man versucht hat, solche Quellen wie Sümpfe zu sanieren. "
Schon zu Boccaccios Zeiten schien Quarantäne, im Dekameron die Flucht der jungen Leute aus Florenz in die Toskana, ein probates Mittel zu sein, der Pest zu entgehen. Ein weiterer Fluchtgrund waren soziale Probleme: Plünderungen setzten ein, Moral und gute Sitten verrohten, zwischen Tanz auf dem Vulkan und Verzweiflung lag nur ein kleiner Schritt.
"In dieser Überzeugung verließen viele, Männer wie Frauen, ohne sich durch irgendeine Rücksicht halten zu lassen, allein auf die eigene Rettung bedacht, ihre Vaterstadt, ihre Wohnungen, ihre Verwandten und ihr Vermögen und flüchteten auf ihren eigenen oder gar einen fremden Landsitz; als ob der Zorn Gottes, der durch diese Seuche die Ruchlosigkeit der Menschen bestrafen wollte, sie nicht überall gleichmäßig erreichte, sondern nur diejenigen vernichtete, die sich innerhalb der Stadtmauern antreffen ließen, oder als ob niemand mehr in der Stadt verweilen solle und deren letzte Stunde gekommen sei."
"Bei allen großen Epidemien haben wir immer das Phänomen, dass bestimmte Minoritäten verantwortlich gemacht werden. Man glaubt, dass sie die Mehrheitsbevölkerung vergiften. Das hat man schon bei der Pest des Thukydides in Athen vermutet, dass bestimmte Leute Gift gesprüht hätten oder die Brunnen vergiftet hätten und gerade das Motiv der Brunnenvergiftung findet man bei den großen Pestepidemien des 14. Jahrhunderts, dem "Schwarzen Tod". Da werden die Juden dann vor allen Dingen verantwortlich gemacht, es hat immer wieder zu Progromen geführt, die Juden wurden verfolgt, obwohl sie selber offensichtlich Opfer der Pest wurden."
Diese Sündenbocksuche für eine epidemische Krankheit, jeweils als "Geißel der Menschheit" oder "Strafe Gottes" tituliert, ist trotz der fortgeschrittenen medizinischen Ursachenklärung nicht ganz aus der Welt zu schaffen. Jedoch sind heute die meisten Infektionskrankheiten, wie auch die Pest, durch die Gabe von Antibiotika behandelbar. Allerdings muss man sie frühzeitig diagnostizieren. Denn die Pest ist kein rein historisches Phänomen, so Hans Peter Kröner, sie sei endemisch in Südostasien, in Afrika und erstaunlicherweise auch in den USA:
"In den USA gibt es immer wieder Fälle von Pest. Es gibt Erregerreservoirs dort in Nagetieren. Es sind dort nicht die Ratten, sondern Präriehunde und ähnliche Nager. Und es kommt immer wieder vor allem bei Waldarbeitern zu sporadischen Pestinfektionen dort."
Zu wirksamen präventiven Maßnahmen gehört vor allem eine verbesserte Hygiene, die Vermeidung von Kontakt zwischen Mensch und Nager, speziell Ratten als Erregerreservoir. Und Medizinstudenten sollten lernen, dass vermutlich nicht nur in Biowaffenlabors der Erreger vorrätig gehalten wird, sondern dass die Pest auch heute nicht vollständig ausgestorben ist.
So Giovanni Boccaccio in seinem "Dekameron", im Jahr 1370 veröffentlicht.
Damals brach in Florenz eine Epidemie aus, belegt mit dem Namen "Pest".
"Wir müssten uns überlegen, ob wir die Frage vor dem Hintergrund unseres heutigen Wissens stellen oder mit Blick auf die Geschichte. "
Der Medizinhistoriker Professor Hans-Peter Kröner von der Universität Münster:
"Es gibt ja einige große Epidemien, die als "Pest"-Epidemien in die Geschichte eingegangen sind und es gibt heute eine Infektionskrankheit, die wir als Pest bezeichnen, die auf der Infektion mit einem bakteriellen Erreger Yersinia Pestis beruht. "
Krankheiten der Vergangenheit stellen sich mit dem heutigem Wissen in der Rückschau völlig anders dar als den damaligen Zeitgenossen. Das ist das Problem, mit dem sich jeder Medizinhistoriker konfrontiert sieht.
"Gehen wir von heute aus. Die Pest ist eine Infektionskrankheit, die sehr foudroyant verlaufen kann. Es ist eine Krankheit, die in der Regel übertragen wird durch Insekten, durch Insektenbisse. Es ist eigentlich eine Tierkrankheit, eine Nagetierkrankheit. Ratten sind vor allem das Reservoir des Pesterregers."
Insekten fungieren als Vektoren und übertragen die Erreger auf andere Wirte - der Pest "Floh" wird dann zum gefährlichen Überträger auf den Menschen. Zunächst schwellen die Lymphknoten an und vereitern: die Pest-Beulen.
"Dann kann es passieren, dass diese Erreger ins Blut eindringen. Es kommt zu einer Blutvergiftung, einer Sepsis. Die Erreger können sich in der Lunge absetzen, es kommt zu dem, was man die "Lungen" Pest nennt und dann kann es eine direkte Übertragung von Mensch zu Mensch geben über Tröpfcheninfektion."
Eine hochgefährliche Krankheit, die sich rasend schnell verbreiten konnte. Und die Ursachen lagen damals vollkommen im Dunkeln; insofern gab es auch keine Behandlungsmöglichkeit.
"Dabei schien es, als ob zur Heilung dieses Übels kein ärztlicher Rat und die Kraft keiner Arznei wirksam oder förderlich wäre. Sei es, dass die Art dieser Seuche es nicht zuließ oder dass die Unwissenheit der (...) den rechten Grund der Krankheit nicht zu erkennen und daher ihr auch kein wirksames Heilmittel entgegenzusetzen vermochte, genug, die wenigsten genasen, und fast alle starben innerhalb dreier Tage nach dem Erscheinen der beschriebenen Zeichen; der eine ein wenig früher, der andere etwas später, die meisten aber ohne alles Fieber oder sonstige Zufälle."
Die Erklärungen zum Ursprung der Krankheit sind recht gut dokumentiert für das Mittelalter.
"Da hat man seinerzeit die Pest im Rahmen der Humoralpathologie mit Miasmata erklärt. Humoralpathologie ist die alte antike Säftelehre, die Krankheit durch ein bestimmtes Mischverhältnis der vier Hauptsäfte des Körpers erklärte. Die Miasmatheorie sagt nun, dass von organischen Stoffen, die faulen, Dämpfe aufsteigen, die über die Luft transportiert werden, die dann eingeatmet werden und zu einer Fäulnis eines der wichtigen Körpersäfte führt."
Solche Miasmata erfassten alle Menschen, damit konnte man den Massenanfall der Krankheit erklären. Vermutungen über eine Weitergabe der Krankheit von Mensch zu Mensch kursierten parallel dazu. Schon in der Antike war ein "Kontagium" in der medizinischen Diskussion, das weitergegeben wurde und eine Vergiftung bewirkte. Es stand also die Miasmatheorie gegen die Kontaktstofftheorie, die je unterschiedliche Behandlungsmöglichkeiten verlangte.
"Die Kontakttheorie hat dazu geführt, dass man letzlich doch angefangen hat, Kranke zu isolieren, Quarantänemaßnahmen einzuführen. Und damit zu versuchen, die Krankheit in den Griff zu bekommen. Die Miasmatheorie, die davon ausging, dass Dünste aus dem Boden aufstiegen, hat letztlich dazu geführt, dass man versucht hat, solche Quellen wie Sümpfe zu sanieren. "
Schon zu Boccaccios Zeiten schien Quarantäne, im Dekameron die Flucht der jungen Leute aus Florenz in die Toskana, ein probates Mittel zu sein, der Pest zu entgehen. Ein weiterer Fluchtgrund waren soziale Probleme: Plünderungen setzten ein, Moral und gute Sitten verrohten, zwischen Tanz auf dem Vulkan und Verzweiflung lag nur ein kleiner Schritt.
"In dieser Überzeugung verließen viele, Männer wie Frauen, ohne sich durch irgendeine Rücksicht halten zu lassen, allein auf die eigene Rettung bedacht, ihre Vaterstadt, ihre Wohnungen, ihre Verwandten und ihr Vermögen und flüchteten auf ihren eigenen oder gar einen fremden Landsitz; als ob der Zorn Gottes, der durch diese Seuche die Ruchlosigkeit der Menschen bestrafen wollte, sie nicht überall gleichmäßig erreichte, sondern nur diejenigen vernichtete, die sich innerhalb der Stadtmauern antreffen ließen, oder als ob niemand mehr in der Stadt verweilen solle und deren letzte Stunde gekommen sei."
"Bei allen großen Epidemien haben wir immer das Phänomen, dass bestimmte Minoritäten verantwortlich gemacht werden. Man glaubt, dass sie die Mehrheitsbevölkerung vergiften. Das hat man schon bei der Pest des Thukydides in Athen vermutet, dass bestimmte Leute Gift gesprüht hätten oder die Brunnen vergiftet hätten und gerade das Motiv der Brunnenvergiftung findet man bei den großen Pestepidemien des 14. Jahrhunderts, dem "Schwarzen Tod". Da werden die Juden dann vor allen Dingen verantwortlich gemacht, es hat immer wieder zu Progromen geführt, die Juden wurden verfolgt, obwohl sie selber offensichtlich Opfer der Pest wurden."
Diese Sündenbocksuche für eine epidemische Krankheit, jeweils als "Geißel der Menschheit" oder "Strafe Gottes" tituliert, ist trotz der fortgeschrittenen medizinischen Ursachenklärung nicht ganz aus der Welt zu schaffen. Jedoch sind heute die meisten Infektionskrankheiten, wie auch die Pest, durch die Gabe von Antibiotika behandelbar. Allerdings muss man sie frühzeitig diagnostizieren. Denn die Pest ist kein rein historisches Phänomen, so Hans Peter Kröner, sie sei endemisch in Südostasien, in Afrika und erstaunlicherweise auch in den USA:
"In den USA gibt es immer wieder Fälle von Pest. Es gibt Erregerreservoirs dort in Nagetieren. Es sind dort nicht die Ratten, sondern Präriehunde und ähnliche Nager. Und es kommt immer wieder vor allem bei Waldarbeitern zu sporadischen Pestinfektionen dort."
Zu wirksamen präventiven Maßnahmen gehört vor allem eine verbesserte Hygiene, die Vermeidung von Kontakt zwischen Mensch und Nager, speziell Ratten als Erregerreservoir. Und Medizinstudenten sollten lernen, dass vermutlich nicht nur in Biowaffenlabors der Erreger vorrätig gehalten wird, sondern dass die Pest auch heute nicht vollständig ausgestorben ist.