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Radiolexikon: Phimose

Viele Eltern wollen nicht wahrhaben, dass mit dem kleinen Mann ihres kleinen Jungen etwas nicht stimmt. Die Phimose - also Vorhautverengung, ist aber nicht selten - und sehr gut behandelbar.

    "Die Phimose ist eine Engstellung der Vorhaut, sodass diese nicht über die Eichel zurückgezogen werden kann."

    So beschreibt der Kinderarzt ein Leiden, das naturgemäß nur Männer betrifft, und zwar – da meist angeboren – die ganz kleinen Männer. Bis etwa zum dritten Lebensjahr ist eine enge Penisvorhaut durchaus normal. Danach aber kann eine Phimose, die bei bis zu zehn Prozent der Knaben auftritt, zu erheblichen Problemen führen: Entzündungen der Eichel oder Schwierigkeiten beim Wasserlassen, die Kinder klagen über Schmerzen und wollen nicht mehr auf die Toilette gehen.
    Bei nicht wenigen Müttern und Vätern ist das Thema immer noch schambesetzt. Deshalb ruft Dr. Ulrich Fegeler, Sprecher des Verbandes der Kinder- und Jugendärzte Eltern, aber auch Ärzte dazu auf, darauf zu achten.

    "In den Vorsorgeuntersuchungen sollte grundsätzlich das Genitale sowohl bei Mädchen wie eben auch bei Jungen untersucht werden, und das gehört zur Aufklärung der Eltern bei den Vorsorgeuntersuchungen, dass grundsätzlich der Penis so zu waschen ist, dass die Vorhaut zurückzustreifen ist, ich merke das häufig, gerade bei jungen Eltern oder auch jungen Müttern, die keine Erfahrung damit haben, da leite ich die an und zeige das sehr genau, wie das funktioniert, und dann ist es in der Regel eigentlich auch kein Problem."

    Eine verwandte Form ist die Vorhautverklebung, korrekter gesagt Vorhautverwachsung.

    "Das innere Blatt der Vorhaut verwächst richtig mit der Eichel, in der Regel ist es aber so, dass hier, die Kinder eigentlich mit Erreichen der Geschlechtsreife auch die Vorhaut befriedigend zurückziehen können. Hier hat es durchaus auch einen Sinn, zu versuchen mit hormonhaltigen Salben – merkwürdigerweise ist die männliche Vorhaut voller Östrogenrezeptoren, und wenn die angesprochen werden, kommt es eben auch dazu, dass eine Zellvermehrung erreicht wird, das heißt, dass an dieser Verwachsungsstelle wirklich die Vorhaut auseinander wächst, also sich trennt also von der Eichel."

    Schlimmer ist die "Paraphimose", die entstehen kann, wenn eine zu enge Vorhaut gewaltsam hochgestreift wird und nicht mehr zurück geht – ein medizinischer Notfall.

    "Es kommt dann dazu, dass der venöse Abfluss dieser Vorhaut gestaut ist, und die bildet dann einen Wulst aus, der sich mit Serum füllt sozusagen, und das wird dann sehr schmerzhaft, dieses wieder zurückzubringen, das muss man aber wirklich teilweise doch mit einer forcierten Aktion erreichen, denn sonst ist das für den Patienten ein fast nicht erträglicher Schmerzzustand."

    Wenn die von Dr. Fegeler geschilderte Tortur keinen Erfolg bringt, muss sofort operiert werden.
    Ansonsten ist die Therapie der "normalen" Phimose etwas umstritten: Früher hielten viele Urologen die Vorhaut für absolut entbehrlich – es wurde ganz schnell operiert. Zu schnell?

    "Möglicherweise ja – und das aus dem Munde eines Chirurgen!"

    ... nämlich von Dr. Frank Christoph, Leiter der kinderurologischen Sprechstunde der Berliner Charité.

    "... das sehen wir jetzt in letzter Zeit, dass man mit nicht-chirurgischen Maßnahmen ebenfalls unter Umständen Erfolge erzielen kann. Das ist dann allerdings eine Frage der Erfahrung, beurteilen zu können, hier operiere ich, beziehungsweise hier operiere ich nicht. Es muss nicht jede Phimose operiert werden."

    Eine konservative, sprich: nicht-chirurgische Behandlung erfolgt meist mit niedrig dosierten kortisonhaltigen Salben. Das klappt in mehr als der Hälfte der Fälle, aber wirklich nur bei leichten Formen der Phimose. Bei den anderen ist ein Eingriff unumgänglich, wobei es verschiedene Techniken gibt.

    "Zum einen die radikale 'Circumcision', die Komplettentfernung der Vorhaut, kann aber unter Umständen nur eine Teilentfernung der Vorhaut beinhalten; dann gibt es weitere Techniken mit Einschnitten, Incisionen, in die Vorhaut selber, allen gleich ist, eine Vollnarkose. Denn die Kinder sind nicht in der Lage, mittels einer örtlichen Betäubung das zu erdulden oder zu erleiden; und dann eine Übernachtung, denn man sieht doch immer wieder, wenn auch selten, irgendwelche Komplikationen, und da ist es einfach besser, wenn vor Ort ein Arzt ist, der sich das noch mal angucken kann."

    Deshalb ist der Kinderurologe Frank Christoph gegen ambulante Operationen auf diesem Gebiet, eben wegen der theoretisch möglichen Zwischenfälle.

    "Sicherlich ist eine der Komplikationen die Nachblutung. Das ist etwas, was man üblicherweise in den ersten 12 Stunden sieht, meistens schon innerhalb der ersten vier Stunden, weil eben das eine Region ist, die relativ gut durchblutet ist, die Kinder sind natürlich nicht ruhig im Bett liegend, die bewegen sich und rubbeln und da kann es schon passieren, dass es mal nachblutet, wenn auch das dann meistens relativ folgenlos verheilt, ohne dass man dann gleich eine neue Operation machen muss; weitere Komplikationen wären dann Wundheilungsstörungen oder Infekte, aber das sieht man eigentlich nur noch sehr selten, dank der hygienischen Standards, die wir mittlerweile haben."

    m Übrigen kann eine Phimose auch bei Erwachsenen auftreten.

    "Die sekundären Phimosen, die durch entzündliche Prozesse im Bereich der Vorhaut dazu führen, dass diese vernarbt, dann gibt es sehr unangenehme Formen einer sogenannten Balanitis, die man aber ganz gut behandeln kann. Man muss eigentlich nur diese Taschen freispülen, und wenn das aber öfters auftritt, sollte man hier schon auch die operative Lösung der Vorhaut erwägen, ansonsten kann man es konservativ, das heißt also mit Salben zu erreichen versuchen."

    Balanitis ist der medizinische Begriff für Infektionen der Eichel, die zum Beispiel durch mangelnde Reinlichkeit entstehen. Von ihr können aber auch Diabetiker heimgesucht werden, denn hohe Blutzuckerwerte fördern die Entstehung von Entzündungen. Dagegen beugt also eine gute Blutzucker-Einstellung vor.
    Ansonsten ist eine Verhinderung jedenfalls der angeborenen Störung nicht möglich. Trotzdem wird die generelle Beschneidung kleiner Jungen immer wieder propagiert. Bei Juden und Moslems ist sie Teil der religiösen Tradition. Doch auch in den USA war die Beschneidung bis in die achtziger Jahre generell in Mode. Zwar scheint zu stimmen, dass HIV-Infektionen bei beschnittenen Männern seltener auftreten, insgesamt sind die Fachleute aber eher zurückhaltend, was den prophylaktischen Wert betrifft. Ulrich Fegeler:

    "Ich glaube, wenn man auch bei diesen Leuten mal ganz scharf nachfragt, letztendlich doch ein weltanschaulicher Grund dahinter steckt. Es gibt meines Erachtens für die Beschneidung von vorneherein eigentlich keinen Grund. Ich sag mal, in der Evolution hat sich die Vorhaut nicht ganz umsonst entwickelt, und für die Empfindungsfähigkeit, für die Sensibilität, glaube ich, hat die Nicht-Beschneidung, also das Belassen der Vorhaut, einen großen Vorteil."

    Auch Kinderurologe Frank Christoph ist nach Abwägung von Vor- und Nachteilen kein Befürworter genereller Beschneidung.

    "Sicherlich hat die Vorhaut zunächst mal am Anfang eine gewisse Schutzfunktion. Und eine frühzeitige Entfernung derselben könnte unter Umständen dazu führen, dass es vermehrt Infektionen gibt. Kann aber auch sein, dass gerade die Kinder, die Infektionen haben und die eine entsprechend enge Vorhaut haben, mit Entfernung der Vorhaut wiederum besser bedient sind. Von der Seite her kann man nur sagen: Mit Vorhaut ist gut, ohne geht aber ebenso. Nur, der Vorteil ohne Vorhaut, grade bei Kindern bis zum dritten Lebensjahr ist nicht so groß, dass ich deswegen auch fordern würde, weg mit der Vorhaut für Zweijährige! "