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Radiolexikon: Sekundäre Pflanzenstoffe

Obst und Gemüse enthalten nicht nur die bekannten Vitamine, Mineral- und Ballaststoffe, sondern auch sekundäre Pflanzenstoffe. Als "kleine Geschwister" der Vitamine rücken sie heute immer mehr in den Vordergrund, wenn über gesunde Ernährung gesprochen wird.

Von Renate Rutta |
    "Mein Lieblingsessen: Gemüsepfanne mit Hähnchenbrust oder Putenbrustfilet."

    "Mein Lieblingsessen:ich hab viele Lieblingsessen, so italienisch angehaucht, was mit Spaghetti und Penne zu tun hat und dann Gorgonzolasoße oder Basilikumsoße, das mag ich ganz gern."

    "Sauerbraten, Klöße und Rotkraut."

    Jeder hat ein anderes Lieblingsessen. Fleisch steht ganz oben auf der Beliebtheitsskala. Gemüse und Obst wird zwar genannt – aber oft nur als Beilage oder Nachtisch.

    Dabei liefern Obst und Gemüse nicht nur die bekannten Vitamine, Mineral- und Ballaststoffe sondern auch sekundäre Pflanzenstoffe. Als "kleine Geschwister" der Vitamine rücken sie heute immer mehr in den Vordergrund, wenn über gesunde Ernährung gesprochen wird.

    Sekundäre Pflanzenstoffe kommen in allen pflanzlichen Lebensmitteln vor.
    Prof. Bernhard Watzl, Max-Rubner-Institut, Bundesforschungsinstitut für Ernährung und Lebensmittel in Karlsruhe, erklärt die Herkunft des Begriffs "sekundäre Pflanzenstoffe".

    "Die primären Pflanzenstoffe Fett, Eiweiß, Kohlenhydrate, die die Masse der Pflanze ausmachen. Und aus diesen primären Pflanzenstoffen entstehen im eigenen Stoffwechsel der Pflanze eine Reihe an Tausenden verschiedenen Mikrostoffen in der Pflanze. Und diese Mikrostoffe haben zunächst für die Pflanze eine wichtige Schutzfunktion. Aber wir wissen heute, dass diese Stoffe auch für die Ernährung des Menschen sehr wichtig sind. Und deshalb etabliert sich in den letzten Jahren der Begriff aus der Pflanzenphysiologie auch in der Ernährungswissenschaft, dass wir empfehlen können, möglichst viele sekundäre Pflanzenstoffe mit der Nahrung täglich aufzunehmen."

    Der Sammelbegriff "sekundäre Pflanzenstoffe" umfasst rund 10.000 verschiedene Substanzen, die in der Nahrung vorkommen. Es handelt sich um eine Vielzahl sehr unterschiedlicher Verbindungen. Sie sind enthalten in Obst, Gemüse, Hülsenfrüchten, Kartoffeln, Nüssen und Vollkornprodukten. Sie geben Pflanzen ihre Farbe oder ihren Duft, dienen als Abwehrstoffe gegen Fraßfeinde oder Bakterien.

    "Diese sekundären Pflanzenstoffe sind ja primär für den Schutz der Pflanze gemacht, das heißt Pflanzen müssen sich vor zu intensiver UV-Bestrahlung schützen, vor bestimmten Pathogenen, die die Pflanze auf der Oberfläche befallen können, das heißt die Pflanze muss sinnvollerweise in diesen äußeren Schichten, zum Beispiel in den Schalen eines Apfels, in der Schale einer Tomate aber auch in den äußeren Blättern eines Kopfsalates maximale Konzentrationen da in diesen Bereichen vorhalten, weil zum Beispiel in äußeren Blättern die meiste Sonne, die Sonnenstrahlen auf den Salat auftreffen."

    Je weiter man in der Pflanze nach innen kommt, desto weniger Schutzstoffe sind dort notwendig. Deshalb enthalten die inneren Blätter des Salates beispielsweise kaum noch sekundäre Pflanzenstoffe.

    "Von daher ist es empfehlenswert, auch die äußeren Randschichten nicht großzügig wegzuschmeißen, sondern zu verzehren, den Apfel ungeschält zu verzehren, weil ich darüber bestimmte Stoffe vorliegen habe, die im restlichen Fruchtfleisch eines Apfels kaum vorkommen."

    Sekundäre Pflanzenstoffe kommen je nach Obst- und Gemüsesorte in unterschiedlicher Zusammensetzung und Menge vor. Sie färben Tomaten rot und Brombeeren lila, lassen Pampelmusen bitter schmecken und Chilis scharf und sie sind die Ursache, wenn uns beim Zwiebeln schneiden die Augen tränen.

    "Die Wirkung von sekundären Pflanzenstoffen sind sehr unterschiedlich. Man muss wissen, dass sekundäre Pflanzenstoffe eine heterogene Gruppe sind von chemisch sehr unterschiedlichen Verbindungen und dementsprechend sind ihre Wirkungen auf den Stoffwechsel auch sehr vielfältig."

    Manche, wie die Flavonoide kommen in fast allen Nahrungspflanzen vor, nämlich in Beeren, Obst, Kohl, Zwiebeln, Auberginen, in schwarzem und in grünem Tee. Manche andere sind dagegen nur in bestimmten Nahrungsmitteln enthalten wie etwa die Monoterpene in Zitronen, Kümmel und Minze.

    "Typische Beispiele für sekundäre Pflanzenstoffe, für Klassen dieser Stoffe sind die Carotinoide. Das kann jeder mit dem Auge wahrnehmen, die Karotten haben die orangegelbe Farbe durch ein bestimmtes Carotinoid. Das Beta-Carotin, das recht bekannt ist."

    Carotinoide sind neben Karotten auch in Tomaten, Paprika, grünem Gemüse, in Grapefruit, Aprikosen, Melonen und Kürbis enthalten.
    Durch Erhitzen kann sich die Verwertbarkeit für den Menschen verändern. Carotinoide können aus gekochten Lebensmitteln besser vom Körper aufgenommen werden und mit einem Tropfen Öl versehen kann der Körper sie noch besser verwerten.

    Es gibt aber noch weitere Gruppen von sekundären Pflanzenstoffen.

    "Dann haben wir andere Klassen wie zum Beispiel die Sulfide. Die kommen wirklich nur in den Zwiebelgewächsen vor. Das heißt nur wenn ich Knoblauch, Lauch, Schnittlauch esse, Zwiebeln, dann nehme ich Sulfide auf.

    Und die Glucosinolate, typische Stoffe, die wir in den Kohlpflanzen haben, die bekommen sie nur, wenn sie wirklich Kohlrabi, mal einen Rotkohl, mal einen Brokkoli essen. Das heißt es gibt einige, die wirklich in ganz wenigen Pflanzen vorkommen aber andere, die sie mit jeder Pflanze jeden Tag aufnehmen."

    Manchmal hat es auch bestimmte Gründe, wenn man viel über eine Gemüseart liest, meint Prof. Watzl. Das heißt dann nicht unbedingt, dass gerade dieses Gemüse gesünder ist als andere.

    "Dass wir sehr viel über Brokkoli wissen liegt daran, dass Brokkoli das Standardgemüse in den USA ist, wie bei uns viele Jahre Erbsen und Karotten. Und von daher sind fast alle Forschungen zu Brokkoli gemacht worden. Dort isst keiner Kohlrabi oder Wirsing. Und das erklärt, warum wir teilweise ganz verengt uns bestimmte pflanzliche Lebensmittel herausgreifen. Aber der Informationsstand, den wir haben, der lässt ganz klar den Schluss zu, dass praktisch alle Pflanzen, die wir verzehren, interessant sind in Bezug auf ihr spezifisches Spektrum an diesen sekundären Pflanzenstoffen."

    Noch ungeklärt ist die optimale Menge und die exakte Wirkungsweise der einzelnen Stoffe. Deshalb gibt es keine Empfehlungen, wie viel man von welchem Gemüse essen sollte. Sicher ist aber, dass man auf die Vielfalt an Obst, Gemüse, Vollkorn und Hülsenfrüchten achten sollte.

    Neue Forschungsergebnisse bestätigen inzwischen die Bedeutung der sekundären Pflanzenstoffe für die Gesundheit auf vielfältige Weise.
    Professor Ute Nöthlings, Institut für Experimentelle Medizin der Universität Kiel:

    "Es gibt viel aus dem Bereich der Herz-Kreislauf-Erkrankungen, viel aus dem Bereich der Krebserkrankungen mittlerweile. Es gibt zum Beispiel eine Arbeit, die zeigt, dass die Zufuhr von Flavonoiden, insbesondere Flavonolen, risikosenkend für das Risiko ist, an Herz-Kreislauferkrankungen zu sterben. Es gibt auch ähnliche Arbeiten, die sich mit der Beziehung der Aufnahme zu Schlaganfällen beschäftigt. Auch hier findet man Assoziationen, die darauf hindeuten, dass die hohe Zufuhr von Flavonolen und auch die hohe Zufuhr von charakteristischen Lebensmitteln wie zum Beispiel grüner und schwarzer Tee, mit einem erniedrigten Risiko an einem Schlaganfall zu erkranken in Zusammenhang stehen."

    Abwarten und Tee trinken scheint also wirklich gesund zu sein.

    "Lungenkrebs ist eine Krebslokation, die auch häufig in Bezug auf sekundäre Pflanzenstoffe untersucht worden ist und auch hier gibt es Hinweise darauf, dass eine hohe Zufuhr an Flavonolen mit einem verringerten Risiko, an Lungenkrebs zu erkranken, assoziiert ist."

    Die Schutzwirkungen der sekundären Pflanzenstoffe reichen möglicherweise noch weiter: Sie erweitern Blutgefäße, senken den Blutdruck und spielen eine Rolle bei Entzündungsprozessen und rheumatoider Arthritis, Asthma, Diabetes, Osteoporose und der Makuladegeneration, so Professor Watzl.

    "Auch Krankheiten wie rheumatische Entzündungen, Asthma, auch dafür gibt es erste Hinweise, dass ein geringeres Risiko besteht, wenn höhere Mengen an Obst und Gemüse aufgenommen werden. Die altersabhängige Veränderung der Netzhaut, die sogenannte Makuladegeneration, da gibt es überzeugende Daten, die zeigen, dass die hohe Aufnahme an Obst und Gemüse auch für diese Augenerkrankung das Risiko verringert."